Interview mit Ulla
Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag
Am 9. Januar 2013 fielen drei kurdische Aktivistinnen in Paris einem
abscheulichen Mord zum Opfer. Bundestagsinnenausschuss wird am Mittwoch die
Rolle des türkischen Geheimdienstes in Deutschland diskutieren.
Welche Rolle dabei spielte Deutsche Geheimdienst/BND?
Anlässlich der Sitzung des Bundestagsinnenausschusses am Mittwoch zum Mord
an drei kurdischen Aktivistinnen in Paris erklärt Ulla Jelpke in einem
Interview mit dieser Zeitung:
„ Wenn wir über die deutsche
Mitverantwortung am Krieg in Kurdistan sprechen, dürfen wir auch Halabja nicht
vergessen.“Mit
Frau Jelpke sprach Reşad Özkan
Gibt`s Konkrete Anhaltspunkte, dass die
BND den Türkische Geheimdienst/MIT über kurdischen Exil Politiker und deren
Aktivitäten informiert.
Ulla Jelpke : Wir wissen, dass es zwischen den
Sicherheitsbehörden Deutschlands und der Türkei eine enge Zusammenarbeit im
Bereich der sogenannten Terrorismusbekämpfung gibt. regelmäßig finden auf EU-
und NATO-Ebene sowie auf bilateraler Ebene Treffen statt, bei denen die
Bekämpfung von Organisationen wie der PKK und DHKP-C im Mittelpunkt stehen. Bei
Terrorismusprozessen gegen türkische und kurdische Exiloppositionelle stützt
sich die Bundesanwaltschaft auch auf angebliche Erkenntnisse türkischer
Behörden – auch dann, wenn das Zustandekommen solcher Beweise unter Folter
nicht ausgeschlossen werden kann. Ich gehe davon aus, dass solche Informationen
nicht nur einseitig aus der Türkei nach Deutschland gehen, sondern
Verfassungsschutz und BND ihrerseits auch türkische Behörden mit Informationen
versorgen. Hierzu schweigt sich die Bundesregierung aber bislang aus, da die
Arbeit der Geheimdienste keiner demokratischen öffentlichen Kontrolle
unterliegt.
Wie weit sind die Kurden in Deutschland von Aktivitäten/Angriffe des türkischen MIT bzw. des türkischen Staates geschützt?
Wie weit sind die Kurden in Deutschland von Aktivitäten/Angriffe des türkischen MIT bzw. des türkischen Staates geschützt?
Ulla Jelpke : Ich gehe davon aus, dass die
Bundesregierung zur Vermeidung politischer Verwicklungen keine Morde des
türkischen Geheimdienstes an Exiloppositionellen in Deutschland zulassen will,
wenn sie diese verhindern kann. Als Mitte der 90er Jahre ein türkischer General
offen verkündete, PKK-Anhänger auch in Europa töten zu lassen und es daraufhin in
mehreren europäischen Ländern zu Anschlägen kam, hat die Bundesregierung
allerdings geschwiegen.
Einen wirklichen Schutz für die hier lebenden kurdischen und türkischen
Exilpolitiker und Aktivisten vor Nachstellungen durch die Türkei gibt es
tatsächlich nur beschränkt. Das sehen wir an Interpolhaftbefehlen der Türkei
gegen in Deutschland lebende, hier als Flüchtlinge anerkannte oder sogar zu
deutschen Staatsbürgern gewordenen Exilpolitikern. Die Bundesregierung
unternimmt nichts, um gegen solche politisch motivierten Haftbefehle
vorzugehen. Für die Betroffenen bedeutet dies, dass sie Deutschland nicht ohne
das Risiko einer Verhaftung und sogar Auslieferung im Ausland verlassen können.
Ich erinnere hier an den kurdischen Schriftsteller Haydar Isik in München, der
– als deutscher Staatsbürger – nicht mehr ins Ausland reisen kann, weil die
Türkei ihn wegen seiner Mitgliedschaft im längst aufgelösten Kurdischen
Exilparlament als „Terroristen“ sucht.
Will Deutschland wirklich
(Bundestagsinnenausschuss) den Fall Aufklären oder es geht um eine
Verschleierung?
Paris/Foto:Reşad Ozkan |
Ulla Jelpke : Ich sehe im Zusammenhang mit den
Morden in Paris und der Rolle des türkischen Geheimdienstes bislang keinen
echten Aufklärungswillen bei der Bundesregierung. Auf unsere Kleine Anfrage
antwortet die Regierung nur ausweichend oder gar nicht oder verweist auf die
Geheimschutzstelle, wo nur Abgeordnete unter Verschwiegenheitspflicht Einblick
nehmen können. Aufklärung schaut anders aus. Doch das ist das generelle Problem
bei allem, was mit Geheimdiensten zusammenhängt. Geheimdienst und demokratische
Kontrolle sind ein Widerspruch in sich. Daher tritt die LINKE für die Auflösung
der Geheimdienste ein.
Interview:
Reşad
Ozkan
Printausgabe vom
9.-16. Mai 2014
www.basnews.com
Sakîne Cansiz li parîsê hat kuştin
Paris/Foto:Reşad Ozkan |