4. Februar 2009
Deutsch-türkische Beziehungen im Kaiserreich
Verfasser: Dr. Nikolaus Brauns
Die deutsch-türkischen Beziehungen vor dem Ersten Weltkrieg 1914
Im Januar 1994 erklärte der deutsche Außenminister Klaus Kinkel anläßlich eines Türkei-Besuchs: "Es ist so, daß die Türkei für uns eine hohe strategische, politische, wirtschaftliche,kulturelle Bedeutung hat, insbesondere nach dem Wegfall des Ost-West-Konflikts.
Dies ist der Fall im bilateralen Bereich, aber eben auch, was Europa insgesamt anbelangt, ... die Brückenfunktion der Türkei ist in der Region hin zu Asien, hin zum Balkan natürlich von außerordentlicher Bedeutung."[1]
Diese besondere Bedeutung der Türkei für Deutschland spiegelt sich in den
Kommentaren der internationalen Presse wieder, die von der traditionellen
deutsch-türkischen Freundschaft oder Waffenbrüderschaft handeln. Die deutsche
Militärhilfe für die Türkei rückte in den letzten Jahren ebenso in die
öffentliche Debatte, wie die Frage verstärkter wirtschaftlicher Zusammenarbeit.
Daß Deutschland in Europa die größte Anzahl von politischen Flüchtlingen und
Arbeitsemigranten aus der Türkei aufgenommen hat, führt dazu, daß auch die
politischen und sozialen Konflikte der Türkei nach Deutschland hereinwirken. Daß
aber andererseits Deutschland als einziges europäisches Land mit einer strikten
Verbotspolitik gegen Vereine patriotischer Kurden hier im Land vorgeht, zeugt
von einer engeren politischen Beziehung Deutschlands zur Türkei.[2] Auch die
Vorrreiterrolle deutscher Vertreter im Europäischen Parlament in der Frage der
Zollunion mit der Türkei 1995 deutet auf weitgehende wirtschaftliche und
politische Motive hin. Die von Klaus Kinkel betonte besondere Bedeutung der
Türkei für Deutschland ist keine neue Erscheinung. 1941 stellte die türkische
Zeitung Cumhuriyet fest: "Seit die Donau ins Schwarze Meer fließt, sind die
Deutschen und die Türkei gezwungen, in einem sich ergänzenden Wirtschaftsraum zu
leben. Die Welt muß der Realität entsprechend gesehen werden."[3] Eine Folge
dieser geopolitischen Realität war der türkische Kriegseintritt an der Seite
Deutschlands während zweier Weltkriege. Um die bis zum heutigen Tag dauernden
engen Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei besser zu verstehen,
müssen die historischen Wurzeln dieser Freundschaft untersucht werden. Denn
schon lange vor dem Ersten Weltkrieg hatte sich die deutsche Wirtschafts- und
Außenpolitik in Richtung Türkei orientiert. Unter dem Schlagwort des deutschen
"Drangs nach Osten" wurde während der Regierungszeit Kaiser Wilhelms II. die als
"Berlin-Bagdad-Politik" bekannte außenpolitische Orientierung vorangetrieben.
Unter dem populären Oberbegriff "Bagdadbahnpolitik" fällt hierbei eine Vielzahl
von Erscheinungen auf wirtschaftlichem, politischem, militärischem und
kulturellem Gebiet in den Beziehungen zwischen beiden Ländern zusammen.[4]
1.2. Zum Forschungsstand
Die deutsch-türkischen Beziehungen im 19.und 20. Jahrhundert gehören zu den in
der internationalen Forschung breit untersuchten Gebieten. Allerdings muß hier
gleich eine Einschränkung vorgenommen werden. Wenn von deutsch-türkischen
Beziehungen die Rede ist, also von den Beziehungen des imperialistischen
Deutschland zur noch unterentwickelten Türkei, so spiegelt sich dieses ungleiche
Verhältnis auch in der wissenschaftlichen Literatur wieder. Türkische Historiker
und türkische Forschungsliteratur spielen selbst heute noch eine unbedeutende
Rolle.[5] Wie in der damaligen politischen Realität, so besteht auch in der
Forschung eine "kolonialistische" Behandlung der Türkei. Hier werden die
deutsch-türkischen Beziehungen vor allem als deutsche Türkeipolitik behandelt.
Die Türkei ist dabei lediglich Objekt deutscher Beziehungen, der deutsche
Standpunkt steht im Vordergrund. Ein entscheidendes Manko ist hierbei die
Relativierung der türkischen Verantwortung für die zu untersuchenden Ereignisse.
Die Türkei erscheint in der Forschung als Opfer, Deutschland als Täter. Wenn
auch dieses Verhältnis unzweifelhaft bestimmend ist, so kann es nicht alles
erklären.[6] Diesem Manko kann leider auch in der vorliegenden Untersuchung
nicht völlig abgeholfen werden.
Bei der Forschungsliteratur zur Thematik deutsch-türkischer Beziehungen lassen
sich verschiedene zeitliche und inhaltliche Abschnitte erkennen. Von der Mitte
des 19.Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg entstand eine Vielzahl
wissenschaftlicher und pseudo-wissenschaftlicher Schriften über Lage und
Bedeutung des Nahen Ostens für das Deutsche Reich. Oftmals wurden diese
Schriften von politisch motivierten Orientspezialisten und Türkeireisenden
verfaßt. Absicht der Mehrzahl dieser Untersuchungen und Reiseberichte war die
Propaganda für eine aktivere deutsche Orientpolitik und einen deutschen
Kolonialismus. Die Gewinnung von Sympathien unter der deutschen Bevölkerung für
eine Nahostexpansion war dabei ebenso propagandistisches Ziel, wie der Versuch,
eben diese geplante Expansion in so verharmlosenden Licht wie möglich erscheinen
zu lassen.[7] Entsprechend tendenziös sind diese Werke auch zu verstehen.
Stellvertretend für diese ganze Gattung von Schriften soll hier nur das wohl
bekannteste Werk "Die Bagdadbahn" des Orientkenners und Publizisten Paul
Rohrbach erwähnt werden, das wissenschaftliche Untersuchungen mit den
Reiseerfahrungen des Autors und propagandistischen Überlegungen für die deutsche Türkeipolitik verband.[8]
Nach dem für Deutschland verlorenen Ersten Weltkrieg und dem damit
einhergehenden vorläufigen Scheitern deutscher Orientexpansion erschien in den
20er und 30er Jahren eine Fülle deutscher Forschungspublikationen zur
deutsch-türkischen Thematik. Auffällig war, daß die Autoren in vielen Fällen
keine reinen Historiker waren, sondern zu den Männern gehörten, die vor 1918
führend an der deutschen Nahostpolitik beteiligt waren. Die Memoiren deutscher
Generalstabsoffiziere, die in der Militärmission und später im Krieg in der
Türkei aktiv waren, zählen ebenso zu diesen Publikationen, wie die
Untersuchungen deutscher Wirtschaftsführer, die sich in der Türkei engagiert
hatten.[9] Auch die schon aus der Vorkriegszeit bekannten publizistischen
Vordenker der Nahostexpansion meldeten sich wieder zu Wort.[10] Dazu kamen auf
deutscher Seite auch einige Dissertationen und Untersuchungen, die sich explizit
der Bagdadbahn-Problematik widmeten.[11] Was nahezu sämtliche dieser Schriften
einte, war ihre grundlegende Tendenz, eventuelle Eroberungsabsichten des
deutschen Imperialismus vor und im Krieg zu leugnen. Eine vertrauliche Auskunft
der Direktion der an der Nahostexpansion führend beteiligten Deutschen Bank
deutet an, welche Richtung die deutsche Forschung ihrer Meinung nach einzunehmen
hatte: "Also mit dem Ausbruch des Weltkrieges hat die Bagdadbahn nichts zu tun,
und wir möchten nicht unterlassen, Sie besonders darauf hinzuweisen, daß es dem
deutschen Interesse nur schaden könnte, wenn eine abweichende Ansicht verbreitet
wird."[12] Hintergrund war die durch die Versailler Verträge ausgelöste
Kriegsschulddiskussion. Die deutsche Seite, als angeblicher Alleinschuldiger,
sah sich gezwungen, die ihr zugeschriebene Schuld zu relativieren und
weitestmöglich zu widerlegen. Hierzu war auch eine Darstellung der Nahostpolitik
nötig, die das deutsche Engagement in einem unpolitischen Licht erscheinen ließ.
Der DDR-Historiker Rathmann prägte hierzu das Schlagwort der "Legende vom
`antikolonialen´ Charakter der Bagdadbahnpolitik".[13] Diese Tendenz erstreckte
sich sogar auf publizierte Quellen zur Thematik der deutsch-türkischen
Beziehungen. Im Aktenfundus der "Großen Politik" wurden aus politischen Motiven
Auslassungen vorgenommen.[14] Die deutschen Publikationen der 20er und 30er
Jahre schlossen somit nahtlos an die Vorkriegsschriften an, die, wenn auch aus
anderen Gründen, ebenso den angeblich antikolonialen und friedfertigen Charakter
der deutschen "Freundschaftsmission"[15] im Nahen Osten propagierten.
Zur gleichen Zeit erschienen auch die einschlägigen Untersuchungen
amerikanischer Historiker zur deutschen Bagdadbahnpolitik.[16] Besonders das
Standardwerk Edward Mead Earles, "Turkey, the Great Powers, and the Bagdad
Railway" von 1924, das eine recht ausgewogene und objektive Darstellung bietet,
ist hier hervorzuheben.
Eine weitere Strömung der Geschichtswissenschaft hat sich mit den
deutsch-türkischen Beziehungen im Rahmen umfassender Studien zum Zeitalter des
Imperialismus befaßt. In diesen Darstellungen nimmt das deutsch-türkische
Verhältnis insbesondere im Hinblick auf die Kriegsursachen einen breiten Raum
ein. Zu nennen wären hier die schon klassischen älteren Untersuchungen George
W.F. Hallgartens zum "Imperialismus vor 1914" und die Forschungen Fritz Fischers
zur Kriegsvorbereitung und Kriegszielpolitik des deutschen Imperialismus.[17] Im
Unterschied zu vielen deutschen Studien nach dem Ersten Weltkrieg, denen der
Geruch der versuchten Geschichtsrelativierung anhaftet, zeigen die umfassenden
Imperialismusstudien die deutsche Türkeipolitik häufig in einem negativen Licht
und bringen sie unmittelbar mit dem Kriegsausbruch in Verbindung.
Bei den Darstellungen, die sich mit der deutschen Türkeipolitik vor dem
Hintergrund der Imperialismuskritik auseinandersetzen, muß auch die marxistische
Forschung erwähnt werden. Hier dominiert die Auffassung von der Türkei als
Halbkolonie des deutschen Kapitals. Insbesondere der DDR-Historiker Lothar
Rathmann hat sich international als Experte für die Nahostexpansion des
deutschen Imperialismus einen Namen gemacht.[18] Allerdings werden die
Forschungsergebnisse hier oft in den Rahmen eines dogmatischen Vulgärmarxismus
gepreßt.
Unter den neueren Untersuchungen zur Bagdadbahnpolitik wird vor allem der Aspekt
des Finanzimperialismus betont. Es soll in diesen Darstellungen geklärt werden,
wieweit die Bagdadbahn ein reines Finanzunternehmen war und ob geopolitische
Überlegungen tatsächlich eine Rolle spielten.[19]
Um den Überblick über den Forschungsstand zu vollenden, soll noch auf die vielen
Einzeldarstellungen zu Bereichen der militärischen Zusammenarbeit, der
Kultur-und Siedlungspolitik, der Wirtschaftspolitik und des Bahnbaues verwiesen
werden.
1.3. Methodik und Fragestellung
Die generelle Fragestellung der vorliegenden Untersuchung leitet sich aus der
eben angeschnittenen Grundkontroverse der Geschichtsforschung ab. Eine Strömung
von Historikern interpretiert die deutsche Türkeipolitik als "unpolitisch",
"antikolonialistisch" und "rein wirtschaftlich motiviert". Demgegenüber stehen
Untersuchungen im Rahmen der Kriegsschulddiskussion und der kritischen,
soziologischen und marxistischen Imperialismusforschung, die gerade in der
deutschen Orientpolitik ein Paradebeispiel für imperialistische Expansion sehen
und teilweise in der Türkei zu Kriegsbeginn einen völlig von Deutschland
beherrschten Vasallenstaat erkennen.
Ziel dieser Arbeit ist ein tieferes Verständnis der deutschen Türkeipolitik, die mit den Schlagworten "Bagdadbahnpolitik" und "pénétration pacifique" charakterisiert werden kann. Untersucht werden soll somit:
- Wie kolonialistisch oder auch "antikolonialistisch" war die deutsche
Türkeipolitik?
- War die Türkei 1914 eine Halbkolonie des deutschen Kapitals?
- Wie funktionierte die deutsche "pénétration pacifique" konkret in der Türkei?
- War die Bagdadbahnpolitik eine Kriegsursache?
Dieser Fragestellung wird auch die Thematik der einzelnen Kapitel der Arbeit
unterworfen. So kann hier keine komplette und chronologische Darstellung der
deutsch-türkischen Beziehungen unter Wilhelm II. mit Berücksichtigung sämtlicher
sich daraus ableitender bilateraler und internationaler Verwicklungen gegeben
werden. Vielmehr sollen nach einer kurzen Einführung in die orientalische Frage
und die Politik und Interessen der Großmächte die verschiedenen Einzelbereiche
Wirtschaft, Militär und Kultur nach den genannten Leitfragen untersucht werden.
2. Die Großmächte und die orientalische Frage
2.1.Das Osmanische Reich im 19.Jahrhundert
Für ein näheres Verständnis der deutsch-türkischen Beziehungen in der Zeit des
deutschen Kaiserreichs bis zum Ersten Weltkrieg ist das Wissen um die
Hintergründe der sogenannten orientalischen Frage, um die Situation des
Osmanischen Reiches im 19.Jahrhunderts und um die sich wandelnden deutschen
Interessen im Orient unabdingbar.[20]
Das Osmanische Reich befand sich im letzten Viertel des 19.Jahrhundert in einer
extremen Schwächeposition. Der "Kranke Mann am Bosporus" war nicht mehr länger
in der Lage, sein riesiges Staatsgebiet aus eigener Macht zu erhalten und zu
verteidigen. Die andauernde Schwäche der politischen Herrschaft, die durch
zunehmende Zentrifugalkräfte im Reich, durch Aufstände unterdrückter
Volksgruppen ebenso wie durch eine nach einem Ende der autokratischen
Sultansherrschaft strebende türkische liberal-patriotische Opposition
hervorgerufen wurde, stand den expansionistischen Interessen der Großmächte
gegenüber. Der Staat war bankrott und stand unter dem Diktat des internationalen
Finanzkapitals.[21] Die Verwaltung war ineffektiv und durch Korruption gelähmt.
Das Militär war desorganisiert und konnte seiner Verteidigungsaufgabe
ebensowenig nachkommen wie der Aufrechterhaltung der inneren Ordnung im
Vielvölkerstaat. Bei den nach Kolonialherrschaft strebenden Großmächten - es
handelt sich zunächst um England, Rußland und Frankreich, später auch um
Deutschland - mußte das Machtvakuum im Osmanischen Reich zwangsläufig zu
verstärkten Expansionsgelüsten führen.
Die asiatische Türkei war reich an Öl, Kupfer, Chrom, Blei und Mineralstoffen.[22] Beim Aufbau eines Bewässerungssystems wäre Kleinasien in der Lage, große Mengen Baumwolle für die europäische Textilindustrie und Getreide
zur Nahrungsmittelversorgung zu liefern.[23] Der Besitz oder zumindest der
Zugriff auf die Ölfelder und die Möglichkeit zur kolonialen Ausbeutung der
reichhaltigen Rohstoffe lag im direkten Interesse aller imperialistischen
Nationen. Als ein unterentwickeltes Land bot die Türkei weitreichende
Anlagemöglichkeiten für europäisches Kapital und einen großen Exportgütermarkt.
Daneben lag das Osmanische Reich in einer der wichtigsten Regionen der Welt, so
daß geostrategische Fragen im Vordergrund der Politik der Großmächte standen.
Auch nach der Entdeckung des Seeweges nach Indien waren Konstantinopel und die
osmanischen Häfen ein wichtiger Handelsplatz, auf dem sich die Handelsstraßen
zwischen Europa und Asien treffen. Durch das Osmanische Reich verlief die
südliche Handelsroute, auf der Waren aus Ostasien über den indischen Ozean und
das Rote Meer nach Ägypten und von hier zu den europäischen Mittelmeerhäfen
transportiert wurden. Die Vollendung des Suezkanals 1869 ermöglichte den
direkten Seeweg nach Indien über das Osmanische Reich. Durch das Reich verlief
auch die nördliche Handelsstraße von China und Indien bis zum europäischen Teil
des russischen Reiches. Der wichtigste Handelsweg des Osthandels führte durch
Mesopotamien nach Konstantinopel. Ein Blick auf die Landkarte beweist, daß sich
unter der osmanischen Kontrolle der ganze Bereich des europäischen Handels mit
dem Nahen und Fernen Osten befand. Von der österreichisch-ungarischen Grenze bis zum Persischen Golf und dem Sinai lagen die Handelsstraßen, die Karawanenwege, Eisenbahnlinien und der Suezkanal im Osmanischen Reich.[24]
Konstantinopel und den Meerengen - Dardanellen und Bosporus - kam dabei eine
Schlüsselstellung zu. Hier liegt die kommerzielle Schnittstelle zwischen Europa
und Asien. Die militärische Bedeutung der Meerengen, die sich aus ihrer
wichtigen ökonomischen Position ableitet, ist extrem hoch: "Die Geschütze von
Gibraltar und Helsingör können nicht die ganze Meerenge, an der sie liegen,
beherrschen und bedürfen, um diese zu schließen, noch des Beistandes einer
Flotte; die Meerenge der Dardanellen und des Bosporus hingegen ist so schmal,
daß wenige, an passenden Stellen errichtete und gut bewaffnete Befestigungen -
wie sie Rußland, wenn es einmal im Besitz dieser Straße wäre, ohne einen
Augenblick zu zögern, errichten würde - den verbündeten Flotten der ganzen Welt
trotzen könnten, sollten diese es versuchen einzudringen. Dann wäre das Schwarze
Meer nichts als ein russicher See... Trapezunt würde zu einem russischen Hafen,
die Donau zu einem russischen Fluß"[25], erklärte der sozialistische
Militärtheoretiker Friedrich Engels anläßlich des Krimkrieges die
militärstrategische Bedeutung der Meerengen. Die europäische Türkei kann hier
von der asiatischen Hälfte getrennt werden und im asiatischen Teil stehende
Truppen hätten keine Möglichkeit, die europäischen zu unterstützen. Es ist kein
Wunder, daß Rußland es als seine "heilige Mission" ansieht, in den Besitz von
Konstantinopel und den Meerengen zu gelangen. So war es eine Konstante der
russischen Politik, auf den Zerfall des Osmanischen Reiches hinzuarbeiten und
dessen Wiederbelebung und Stärkung zu verhindern. Ebenso ist es allerdings
Englands Hauptinteresse, die wichtigsten Handelsrouten und den Landweg in die
Kolonie Indien freizuhalten. Mit der Annektion Ägyptens hatte England seine
zeitweilige Beschützerrolle über die Türken aufgegeben und sich eine feste
Position im Reich erkämpft. Eine weitergehende Stärkung der Türkei wurde nun von
englischer Seite abgelehnt, da dies auch Stärkung der pan-islamischen Bewegung
und somit eine Gefährdung der englischen Kolonialpositionen in Ägypten und
Indien bedeutet hätte.[26]
Der Publizist und Nahostpropagandist Paul Rohrbach hatte zudem richtig erkannt,
daß in Ägypten die einzige Stelle liegt, an der Englands Weltreich von Europa
aus auf dem Landweg angreifbar ist.[27] Englands Herrschaft über den Suezkanal
und damit über seine Kolonien in Indien und Asien konnten hier gefährdet
werden.[28]
War auf dem Meer die Überlegenheit der englischen Flotte vorerst unanfechtbar,
konnte die Türkei im Gegensatz zu anderen kolonialen Interessensgebieten von
Deutschland aus auf dem Landweg erreicht werden. Das deutsche Interesse ab Ende des 19.Jahrhunderts lag in der Stärkung der Türkei und im Erhalt ihres
Territoriums. Nur in einer Türkei, die möglichst unabhängig von anderen Mächten
war, konnte die deutsche Wirstschaft ihre Stärke voll ausspielen.
Frankreich war Hauptgläubiger der Türkei. Dadurch war die französische Politik
an einer weitgehenden Selbständigkeit des Osmanischen Reiches interessiert. Der
französische Einfluß war wirtschaftlich bedeutend in Syrien, zudem bestand eine
Schutzherrschaft über die Katholiken aller Nationalität im Osmanischen Reich.
War der Erhalt der Türkei, von dem eine Rückzahlung der Schulden mitabhing, im
französischen Interesse, so wurde eine Stärkung der Türkei nur dann begrüßt,
wenn davon nicht eine gegnerische Macht, in erster Linie Deutschland,
profitierte.[29]
Das Interesse Österreich-Ungarns und Italiens am Osmanischen Reich war primär
wirtschaftlich motiviert. Die Politik dieser Mächte war vor allem auf die
Unabhängigkeit der Türkei von anderen Großmächten und auf die Stärkung ihrer
Kaufkraft ausgerichtet.[30]
Die geschilderten Interessen der Großmächte können als weitgehende Konstanten
ihrer politischen Strategie im Bezug auf die orientalische Frage definiert
werden. Doch müssen immer auch die europäischen Interessen der Mächte, die
Bündnisse und Blockbildungen mitgedacht werden, aus denen sich leicht
andersartige Interessen ergeben konnten. Die taktische Politik der Großmächte
hing so neben den eigenen langfristigen Interessen immer auch von der konkreten
Bündniskonstellation ab und mußte oft Rücksicht auf die jeweiligen Partner
nehmen.
Die Schwäche der Türkei macht die Situation so gefährlich. Die strategischen
Handelswege und die Meerengen im Besitz einer starken unabhängigen Macht würden Sicherheit für alle anderen Mächte bedeuten. Nun herrschte aber ein Zustand, in dem jede am Orient interessierte Nation einen Machtgewinn einer anderen Nation auf ihre Kosten befürchten mußte. Die "orientalische Frage" bestand in ihrem Kern darin, wie die europäischen Großmächte und Rußland mit dem entstehenden Machtvakuum im Osmanischen Reich umgingen und ihre zum Teil entgegengesetzten Interessen durchsetzten, ohne es dadurch zu einem europäischen Krieg kommenzulassen.
2.2. Pénétration Pacifique
Die Politik der Großmächte muß vor dieser Gefahr eines durch die ungelöste
orientalische Frage ausgelösten europäischen Krieges verstanden werden. Die
unmittelbare militärische Unterwerfung von Teilen der türkischen Erbmasse durch
eine der Großmächte hätte einen Krieg gegen alle anderen Mächte bedeutet. Die in
Afrika, Indien und Lateinamerika erprobte Form des direkten Kolonialismus
mittels militärischer Herrschaft und unter der Fahne einer imperialistischen
Nation kam im Falle des Orients nicht in Frage. Stattdessen griffen alle an der
kolonialen Herrschaft über die asiatische Türkei interessierten Nationen zur
Politik der "pénétration pacifique".
Die "pénétration pacifique" ist keineswegs eine antikolonialistische Strategie,
sondern die für den Imperialismus vor dem Ersten Weltkrieg adäquate Form des
Imperialismus. Sie entsteht als Folge der Schwäche jedes einzelnen
imperialistischen Staates in einer unter den Großmächten weitgehend aufgeteilten
Welt, noch in der traditionellen militär-kolonialistischen Weise Eroberungen zu
machen. So drückt die friedliche Durchdringung als imperialistische Strategie
nicht eine neue Friedfertigkeit der Großmächte aus, sondern im Gegenteil die
äußerste Verschärfung des Kampfes um die Verteilung der Kolonialgebiete. Gerade
die Explosivität der Weltlage zwang den Mächten, wollten sie noch nicht den
Weltkrieg, diese Form des Expansionismus auf.[31]
Die "friedliche Durchdringung" beinhaltete ein breites Reservoir indirekter
Einflußnahme und Unterwanderung. Vom wirtschaftlichen Engagement über
Militärhilfe, Kulturimperialismus und Religionspolitik bis hin zum
diplomatischen Einfluß reichten die Mittel. Unter dem Eindruck der formalen
Unabhängigkeit sollte der Einfluß der jeweiligen Großmacht auf die türkische
Politik doch so stark ausgedehnt werden, daß die Türkei letztlich doch die Rolle
einer unterworfenen Macht spielte. "Das Finanzkapital ist eine so gewaltige, man
darf wohl sagen, entscheidende Macht in allen ökonomischen und internationalen
Beziehungen, daß es imstande ist, sich sogar Länder zu unterwerfen, und auch
tatsächlich unterwirft, die die vollste politische Unabhängigkeit besitzen"[32],
so hatte auch Lenin in seiner bekannten Analyse des Imperialismus die
"pénétration pacifique" beschrieben. Ein formell unterworfenes und beherrschtes
Kolonialgebiet ist allerdings für eine imperialistische Macht das
erstrebenswerteste Ziel. Nur so kann die Kontrolle über Rohstoffe und Märkte
unmittelbar ausgeübt werden. Mit der friedlichen Unterwanderung sollen
politische, militärische, wirtschaftliche und kulturelle Positionen errungen
werden, die genug Einfluß sichern, um bei einer erneuten kriegerischen
Aufteilung des Gebietes schon ein sicheres Standbein zu besitzen. Die friedliche
Durchdringung ist also nur ein durch die verschärfte innerimperialistische
Konkurrenz erzwungenes Durchgangsstadium bis zu einer erneuten militärischen
Kolonialpolitik. Dieses Übergangsstadium kann sich, wie das Beispiel der Türkei
zeigt, auch über einen längeren Zeitraum erstrecken, bis es sich dann soweit
zuspitzt, daß die militärische Annektion wieder auf der Tagesordnung steht.
Die von Deutschland angewandte Strategie der friedlichen Durchdringung, die
unter dem Namen "Bagdadbahnstrategie" bekannt wurde, kann als Prototyp dieser
Methode der Expansion gelten. Die vorliegende Untersuchung soll dazu beitragen,
an konkreten Beispielen ihre Anwendung vorzuführen. Hierzu sollen die
militärischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen beleuchtet werden,
durch die Deutschland versuchte, Einfluß auf die Türkei zu nehmen.
2.3. Von Bismarck zur Weltpolitik
Bekannt ist Bismarcks Ausspruch, in der Türkei sei für Deutschland nichts die
Knochen eines pommerschen Grenadiers wert.[33] 1899 dagegen erklärte der
deutsche Botschafter in Konstantinopel, Baron Marschall von Bieberstein, der
Bismarcksche Ausspruch bilde nun, nach der Erlangung weitreichender
wirtschaftlicher Konzessionen zum Bau von Hafen-und Bahnanlagen, "eine
interessante historische Reminiszenz, aber keine aktuelle Wirklichkeit
mehr".[34] In der deutschen Orientpolitk hatte ganz offensichtlich ein
gewichtiger Umschwung stattgefunden, der aus der wirtschaftlichen und
politischen Entwicklung im Deutschen Reich rührte.
Nach der deutschen Reichsgründung war es Bismarcks Hauptinteresse in den 70er
Jahren, das Reich zu festigen und von Kriegsgefahr freizuhalten. Kurz nach der
Reichsgründung bestanden auch keine kolonialen Interessen, das Reich war vorerst
saturiert. Die Türkei spielte in seinen Überlegungen nur eine machtpolitische
Rolle als Figur im europäischen Spiel. Nicht irgendein deutsches Interesse an
der Türkei, sondern die Stellung der anderen Mächte zueinander und zu
Deutschland zählten bei der orientalischen Frage.[35] "Je schwieriger die
Situation sich zuspitzt, um so deutlicher müssen wir meines Erachtens uns
gegenwärtig halten und in unserer diplomatischen Tätigkeit zum Ausdruck bringen,
daß unser Hauptinteresse nicht in dieser oder jener Gestaltung der Verhältnisse
des türkischen Reiches liegt, sondern in der Stellung, in welcher die uns
befreundeten Mächte zu uns und untereinander gebracht werden. Die Frage, ob wir
über die orientalischen Wirren mit England, mehr noch mit Österreich, am meisten
aber mit Rußland in dauernde Verstimmung geraten, ist für Deutschlands Zukunft
unendlich viel wichtiger, als alle Verhältnisse der Türkei zu ihren Untertanen
und zu den europäischen Mächten."[36] So charakterisierte Bismarck 1876 seine
Politik. Auf dem Berliner Kongreß 1878 konnte Bismarck so tatsächlich als
"ehrlicher Makler" vermitteln, da für ihn der europäische Friede und die
Sicherheit des Reiches im Vordergrund standen. Auch der ersten Entsendung einer
deutschen Militärmission gingen - wie im Folgenden ausführlicher dargestellt -
machtpolitische Überlegungen voraus.[37] Die Türkei sollte als befreundete
Macht, die auch Bündnispartner gegen Rußland sein konnte, erhalten werden.[38]
Diese Bismarcksche Überlegung wurde bald aktuell. 1890 war der
Rückversicherungsvertrag nicht erneuert worden und 1891 schlossen sich Rußland
und Frankreich zum Zweibund zusammen. Gegen diese Konstellation mußte
Deutschland das Interesse an einer befreundeten, starken Türkei vertreten.[39]
Die Bismarcksche Orientpolitk läßt sich wohl am besten charakterisieren in den
Worten Holborns als "ein Objekt der Großen Politik"[40], beziehungsweise in
einem Offenhalten des "orientalischen Geschwürs"[41], um europäische Konflikte
an die Peripherie zu verlagern, wie es Gregor Schöllgen ausdrückt.
Die Bismarcksche Politik des Desinteresses am Orient konnte aber seit dem Ende
der 80er Jahre nicht mehr aufrechterhalten werden. Nach den anderen Mächten war
auch das Deutsche Reich in seine imperialistische Phase getreten.[42] Eine
ständig wachsende Bevölkerung, die rapide voranschreitende Industrialisierung
und die damit verbundene Veränderung der Sozialstruktur führten zwangsläufig zu
einer Änderung der Außenpolitik. Die nunmehr gewichtigen Interessen des
Industrie,- Handels,- und Bankenkapitals, das heißt Außenhandel und
Kapitalexport, erzwangen außenpolitische Rücksichtnahme.[43] Schon vor und
während der Bismarck-Ära gab es wirtschaftliche Beziehungen einzelner großer
deutscher Firmen mit dem Osmanischen Reich, doch bis Mitte des 19. Jahrhunderts
war die deutsche Wirtschaft in der Türkei unwesentlich. Seit den 50er Jahren
hatte die deutsche Industrie-und Handelsbourgeoisie, damals noch im Rahmen des
Deutschen Zollvereins, das Osmanische Reich als Absatzgebiet für Exportgüter ins
Auge gefaßt.[44] Krupp war seit 1860 im Waffengeschäft[45] und das Bankhaus
Bleichschröder entsandte den deutschen Vertreter in die "Administration de la
Dette Publique Ottomane"[46]. Der Beginn einer imperialistischen deutschen
Türkeipolitik drückt sich im Erwerb von Eisenbahnkonzessionen durch ein von der
Deutschen Bank geleitetes Konsortium aus. Dieses, im Kapitel über die
Anatolische und Bagdadbahn näher ausgeführte Geschäft symbolisiert noch unter
Bismarck 1888 den Übergang Deutschlands zur Weltpolitik, wenn auch Bismarcks
Zustimmung zu diesem Projekt nur gedämpft ausfiel.[47]
Unter Bismarcks Nachfolger Caprivi wurde der "Neue Kurs" einer deutschen
Weltpolitik dann außenpolitisches Programm und betraf natürlich auch die
deutsch-türkischen Beziehungen. Auf Anfrage des Kanzlers legte die
Handelspolitische Abteilung des Auswärtigen Amtes am 19.Juli 1894 eine
Denkschrift zur "Sicherstellung der deutschen Interessen für den Fall der Lösung
der Dardanellenfrage" vor, die zusammenfaßte: "Klein-Asien hat Wichtigkeit für
uns als Absatzgebiet für die deutsche Industrie, als Unterkunftsstätte für
werbende deutsche Kapitalien und als ein hochentwicklungsfähiges Bezugsgebiet
für solche notwendigen Importartikel, die wir (wie Getreide, Baumwolle) jetzt
aus Ländern beziehen, von denen uns unabhängig zu machen, früher oder später
unseren Interessen entsprechen dürfte. ... Nach der Lage der Verhältnisse ist
gegenwärtig das kapitalistische Interesse das bei weitem überwiegende."[48] Wenn
das Auswärtige Amt mit dem Terminus "kapitalistische Interesse" gerade betonen
wollte, daß Deutschland eben kein politisches Interesse im Sinne von kolonialem
Landraub in der Türkei anstrebe, so kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, daß
dieses aktuelle Interesse ein durch und durch imperialistisches war. Schließlich
war auch der deutsche Kapitalismus Ende des 19.Jahrhunderts in seine
imperialistische Phase eingetreten. In dieser Phase läßt sich Wirtschaft nicht
mehr von Politik trennen und wirtschaftlicher Fortschritt wird durch die
Diplomatie ebenso abgesichert, wie durch andere Instrumente des jeweiligen
Nationalstaates.[49]
3. Die deutsch-türkischen Wirtschaftsbeziehungen
3.1. Warenhandel
Bis ins letzte Viertel des 19.Jahrhunderts wurde die türkische Außenwirtschaft
durch Frankreich und England dominiert. Deutschland lag in seinen
Wirtschaftbeziehungen allerdings nicht nur hinter diesen Mächten, sondern auch
hinter Österreich-Ungarn, Rußland, Italien, Spanien und Skandinavien zurück, was
mit der späten Nationalstaatsbildung Deutschlands, der sich dadurch verspäteten
Industrialisierung und den schlechten direkten Transportbedingungen in die
Türkei zu erklären ist.[50] Ein erwähnenswerter Handel mit der Türkei setzte von
deutscher Seite erst Ende der 80er Jahre des 19.Jahrhunderts ein. Von nun an,
von der Zeit der ersten Bahnkonzessionen an die Deutsche Bank 1888 und dem
ersten Besuch Kaiser Wilhelm II. beim Sultan, stieg der deutsch-türkische Handel
rapide an.
Ein Grund für den gestiegenen Handel war 1890 die Inbetriebnahme der Deutschen
Levante-Linie, einer Dampfschiffahrtslinie, die die Seehäfen Hamburg und Bremen
sowie die Rheinmündung mit den Häfen des Mittelmeers und des Schwarzen Meers
verband. Die ebenfalls türkische Häfen anlaufende Bremer Atlas-Linie ging 1910
in der Levante-Linie auf. 1914 sicherte sich die größte deutsche
Schiffahrtsgesellschaft, die Hamburg-Amerika-Linie, die seit 1900 schon über den
persischen Golf bis Basra führte, die Aktienmehrheit über die Levante-Linie.[51]
Bis zum Krieg lag die deutsche Seeschiffahrt in die Türkei allerdings weit
hinter den anderen Mächten.[52]
Die Berechnung der genauen Summe deutscher Importe in die Türkei gestaltet sich
schwer. Grund ist die eigentümliche und ungenaue Berechnungsweise der amtlichen
türkischen Einfuhrstatistiken.[53] Dem Staatswissenschaftler Wiedenfeld ist in
seiner Untersuchung zuzustimmen, daß diese Statistiken lediglich bestätigen, daß
England bei Ein-und Ausfuhr und Frankreich bei der Ausfuhr erheblich vor
Deutschland liegen. Deutschland nimmt demnach den dritten Platz bei den Exporten
aus der Türkei ein und nicht den vierten, wie es die Handelsstatistik angibt.
Bei den Importen steht Deutschland ebenfalls an dritter Stelle hinter England
und Österreich-Ungarn.[54] Gottlieb gibt folgende Prozentzahlen an, die unter
den eben genannten Ungenauigkeiten der amtlichen Statistik gesehen werden
müssen. Zwischen 1887 und 1910 konnte Deutschland so seinen Anteil am
türkischen Import von 6% auf 21% steigern. Im Vergleich dazu fiel der englische
Anteil von 60% auf 35% und der französische von 18% auf 11%. Lediglich
Österreich-Ungarn konnte sich ebenfalls von 13% auf 21% steigern.[55]
Die Bedeutung des deutsch-türkischen Warenhandels läßt sich an der deutschen
Handelsstatistik messen. Importen aus der Türkei nach Deutschland im Wert von 70
Millionen Mark standen so 1913 Exporte im Wert von 98 Millionen Mark gegenüber,
1912 waren es 78 und 113 Millionen Mark, 1911 70 zu 113 Millionen Mark. Bei
einem Gesamtwarenimport von bis zu 11 Milliarden Mark, den Deutschland in
dieser Zeit tätigte, macht dies nur einen Anteil von knapp 0,7% aus und bei
einem Gesamtexport von 8 bis 10 Milliarden Mark nur 1% bis 1,4%.[56] Die Türkei
war demnach im Bereich des Warenhandels gewiß nicht im Mittelpunkt der deutschen Interessen gelegen, was nicht bedeuten soll, daß hier nicht zukünftige
strategische Planungen für den Rohstoffbereich eine beträchtliche Veränderung
bringen konnten.[57]
Im Ergebnis läßt sich so für den deutsch-türkischen Handel sagen, daß er
keineswegs von Deutschland monopolisiert wurde, ein starkes Wachstum allerdings
nicht ignoriert werden durfte.[58] Den englischen und französischen
Geschäftsleuten mußte dieses rasante Wachstum des lange Zeit unbedeutenden
Konkurrenten allerdings ein Dorn im Auge sein, wurden doch die eigenen Profite
geschmälert. Für die Zukunft drohte eine weitere Stärkung der deutschen Stellung
auf dem türkischen Markt, die es im Interesse des eigenen Geschäfts zu
verhindern galt.[59]
3.2. Kapitalexport
"Für den alten Kapitalismus, mit der vollen Herrschaft der freien Konkurrenz,
war der Export von Waren kennzeichnend. Für den neuesten Kapitalismus, mit der
Herrschaft der Monopole, ist der Export von Kapital kennzeichnend geworden."[60]
Dieses Kennzeichen hat Lenin als entscheidendes Merkmal des Imperialismus
herausgearbeitet. Gerade die Anlage von Kapital im Ausland und die damit
verbundene Verfügungsgewalt über Produktionsmittel, Rohstoffe und letztlich auch
die politische Macht stehen schließlich für die wirtschaftliche Durchdringung
eines Landes. Um den deutschen wirtschaftlichen Einfluß in der Türkei zu
beurteilen, muß daher auch der Kapitalexport neben dem, wie gezeigt, eher
geringen Warenexport betrachtet werden.
Wie schon beim Warenexport galt auch beim Export von Kapital, daß vor den 90er
Jahren des 19.Jahrhunderts kaum deutsches Kapital in die Türkei floß.[61]
Entscheidend für den deutschen Einfluß auf die Türkei seit 1881 war die Gründung
der Administration de la Dette Publique Ottomane. Dieses durch das Dekret von
Muharem in Dienst gestellte Gremium wurde auf Druck der internationalen
Gläubigerländer der Türkei eingesetzt, um die Zurückzahlung der immensen
Schuldenlast zu gewährleisten.[62] Um den politischen Zerfall abzuwenden, hatten
die türkischen Regierungen einen immer immenseren Militärhaushalt aufbringen
müssen, der nur noch durch Auslandsanleihen zu finanzieren war. Die
internationale Schuldenverwaltung entsprach einem imperialistischen Kartell zur
Unterwerfung der Türkei.[63] Wichtige Wirtschaftsprojekte wurden noch vor
Absprache mit der türkischen Regierung im international besetzten
Aufsichtsrat[64] beschlossen. Hierzu gehörten beispielsweise die Anleihen für
den Bahnbau.
Unter den Gläubigerländern der Türkei stand Deutschland bei Gründung der Dette
mit 80 Millionen Mark in türkischen Staatsanleihen erst an sechster Stelle.[65]
Dies entsprach einem Anteil von 4,7% an der Staatsschuld. Das deutsche
Schutzkomitee unter Führung des Bankhauses Bleichschröder hatte im
siebenköpfigen Aufsichtsrat Anrecht auf eine Direktorenstelle, den Vorsitz
teilten sich dagegen die Hauptgläubiger England und Frankreich.[66]
Der insbesondere durch die Waffenlieferungen und die Gründung der Anatolischen
Eisenbahngesellschaft steigende Einfluß deutschen Kapitals läßt sich schon
daran erkennen, daß 1898, dem Jahr der zweiten Orientreise des Kaisers,
Deutschland mit 12,2 % an dritter Stelle nach Frankreich mit 44,9% und Belgien
mit 17,9% stand. England hatte sich offensichtlich zunehmend aus dem osmanischen
Kapitalmarkt zurückgezogen und nahm Platz vier mit 12,2 % ein. 1913 schließlich
stand Deutschland an zweiter Stelle mit 20,1% nach Frankreich mit 49,5% an
Schuldobligationen.[67] England war nun abgeschlagen mit lediglich 6,9%.[68] Für
den gewaltigen Sprung Deutschlands waren wieder Anleihen für Rüstungslieferungen verantwortlich, aber auch Vorschüsse der Anatolischen Bahn auf zukünftige Steuereinnahmen an den türkischen Staat.[69] Der Bau der Bagdadbahn wurde, im Unterschied zur Aktienfinanzierung der Anatolischen Bahn, durch staatliche türkische Schuldverschreibungen finanziert. Auch dies führte zu einer erheblichen Steigerung türkischer Staatsschuld an Deutschland.[70]
Der deutsche Anteil an Schulden türkischer Privatunternehmen betrug um 1910 33%.
An den türkischen Gesamtschulden hatte Deutschland so einen Anteil von 25%
gegenüber Frankreich mit 60%.[71]
Treibende Kraft der Expansion deutschen Kapitals in die Türkei waren die
deutschen Banken. An erster Stelle stand hier die Deutsche Bank durch ihre
Führungsrolle beim Bau der Anatolischen und Bagdadbahn. Dieses Engagement wird noch gesondert untersucht. Die Eröffnung einer Filiale der Deutschen Bank in
Konstantinopel 1909 ist Ausdruck der engen Finanzbeziehungen zur Türkei.[72]
Neben der Deutschen Bank waren noch die Deutsche Palästina Bank und die Deutsche Orientbank in der Region vertreten. Während die deutsche Palästinabank nur geringe Kapitalkraft vorweisen konnte, spielte die Orientbank als gemeinsame
Gründung von Dresdner Bank, A.Schaaffhausen`schem Bankverein und Nationalbank für Deutschland mit einem Aktienkapital von 16 Millionen Mark ab 1906 eine wichtige Rolle.[73] Die Zunahme deutschen Einflusses läßt sich an der
Kapitalsteigerung deutscher Banken in der Türkei ablesen. Hatten deutsche
Institute 1887 nur 0,6 Millionen Lt. Kapital in der Türkei, was einem Anteil
von 6% entsprach, waren es 1910 schon 5,2 Millionen Lt.. Dies entspricht schon
21 %. Berechnungen zeigen, daß englische und französische Banken rund die Hälfte
ihres Einflusses an deutsche, österreichische und italienische Institute
verloren.[74]
3.3. Strategische Investitionen
Bis 1914 betrug der Anteil deutscher Kapitalinvestitionen im Osmanischen Reich
einschließlich Ägypten 7,7% der gesamten deutschen Auslandsinvestitionen. Im
Vergleich dazu waren 14,6% der französischen, aber nur 1,8% der englischen
Auslandsinvestitionen in dieses Gebiet geflossen. Alles in allem veranschlagte
der Wirtschaftswissenschaftler Wiedenfeld das deutsche Kapital in der Türkei auf
eine Milliarde Mark. Eine halbe Milliarde Mark machten demnach die Anteile an
der türkischen Staatsschuld aus, die Investitionen in die Bahnbauten betrugen
rund 225 Millionen Mark und die restlichen Investitionen lagen zwischen 250 und
300 Millionen Mark.[75]
In der Imperialismusdiskussion wird häufig das Argument geäußert, die im
Vergleich zu den Kapitalanlagen in anderen Industrieländern geringen Anlagen im
Osmanischen Reich und der im Vergleich hierzu noch geringere Warenhandel würden auch ein ebenso geringes imperialistisches Interesse an diesem Gebiet
bedeuten.[76] Hier wird aber das Wesen des Imperialismus verkannt. Imperialismus
ist die Phase des Kapitalismus, in der die Welt unter den Großmächten aufgeteilt
ist und ihre letztlich kriegerische Neuaufteilung ansteht. Für diese
Neuaufteilung, die im Ersten Weltkrieg zur blutigen Realität wurde, versucht
jede imperialistische Nation, strategische Vorkehrungen zu treffen. Insbesondere
die Versorgung mit Öl, Nahrungsmitteln und Rohstoffen für die heimische
Industrie steht schon in Friedenszeiten im Vordergrund der Weltpolitik. 1907
klagte beispielsweise der Montanindustrielle Emil Kirdorf darüber, daß es für
die deutsche Industrie "von Tag zu Tag schwerer" würde, "sich den berechtigten
Platz auf dem Weltmarkt zu verschaffen", da Deutschland nur schwer an die
nötigen Rohstoffe herankomme.[77] Kurt Riezler, persönlicher Vertrauter des
Reichskanzlers Bethmann Hollweg, forderte "Absatzmärkte und solche
Rohstoffgebiete, die von der Konkurrenz unabhängig sind" als Hauptziel deutscher
Expansion.[78] Kapital in unterentwickelten Ländern wird nicht nur zur Gewinnung
von Maximalprofit und Surplusprofit durch die Überausbeutung der billigen
Arbeitskräfte angelegt. Gerade der Kapitalexport in strategisch wichtige
Bereiche wie Infrastruktur, Ölfelder und Bergbau ist im imperialistischen
Interesse. Hier geht es schließlich nicht nur um die Profite von heute, sondern
um die Neuaufteilung der Einflußsphären von morgen und somit um die Profite von
übermorgen.
Die deutschen Kapitalanlagen in der Türkei erfüllen allemal diese strategische
Intention. Deutsche Konzerne und Banken kontrollierten am Vorabend des
Weltkrieges die Elektrizitätsversorgung und den öffentlichen Nahverkehr in
Konstantinopel, die Passagierschiffahrt am Goldenen Horn, die Osteuropäische
Telegraphengesellschaft, die Hafenanlagen von Haidar Pascha und die
Mersina-Tarsus und Adana Bahnen.[79] Dazu kamen dann die strategischen
Bahnanlagen unter deutschem Kommando. Neben der Orientalischen Eisenbahn waren dies vor allem die Anatolische und Bagdadbahn und die dahinter stehenden
Betreiber- und Finanzierungsgesellschaften.[80] Der rheinische Industrielle Hugo
Stinnes hatte sich zusammen mit der Deutschen Bank 1914 mit fast 50%
Kapitalanteilen an den belgisch geführten Kohlegruben von Eregli beteiligt.[81]
Deutsches Kapital hatte die Konzessionen für den Hafenbau in Alexandretta und
Mersina, Navigationsrechte am Beyshehirsee, Bewässerungssysteme in der Konia
Oase und der Ebene von Adana und Bergbaukonzessionen entlang der
Bagdadbahnstrecke. Schließlich hatten die Deutsch-Levantinische
Baumwollgesellschaft seit 1905 in der Ebene von Adana und die seit 1907 aktive
Anatolische Industrie- und Handelsgesellschaft mit Anlagen in Adana und Konia
Kapital in die anatolische Landwirtschaft investiert.[82] Schwerlich wird der
strategische Wert dieser Kapitalinvestitionen mit einem klaren Schwerpunkt im
Bereich kriegswichtiger Infrastruktur bestritten werden können. Der zuletzt
große Anteil an der türkischen Staatschuld stellt ebenfalls einen klaren
Machtfaktor dar, der Bedeutung bei den deutsch-türkischen Beziehungen erlangen
konnte.
3.4. Bilanz der Wirtschaftsbeziehungen
Daß die Türkei ab Ende es 19.Jahrhunderts den Status einer Halbkolonie, also
eines formal unabhängigen Landes unter weitgehender Kontrolle europäischer
Großmächte war, ist in der Forschung allgemein akzeptiert. Doch immer wieder
klingt die Behauptung an, die Türkei wäre eben nicht nur eine vom
internationalen Kapital beherrschte, sondern vielmehr zuletzt auch eine deutsch
dominierte Halbkolonie gewesen.[83] In den nächsten Kapiteln dieser
Untersuchung, insbesondere im Abschitt über die militärischen Beziehungen, wird
dem deutschen Einfluß auf Staat, Gesellschaft und Kultur nachgegangen. Eine
Rechtfertigung der Nominierung der Türkei als deutsche Halbkolonie wäre
allerdings nur angebracht, wenn auch eine tatsächliche ökonomische Dominanz des
deutschen Imperialismus nachgewiesen werden kann. Und eine solche deutsche
Vormachtstellung läßt sich durch die eben aufgezeigten Fakten nicht
bestätigen.[84]
Es war deutschem Kapital allerdings systematisch gelungen, in den vormals von
Frankreich und England beherrschten Wirtschaftsraum einzudringen. Während
englisches Kapital sich aus dem Osmanischen Reich, das in seinen Augen
hauptsächlich strategische Bedeutung als Transitraum für den Handel mit den
Kolonien in Asien hatte, zurückzog, wuchs der französische Einfluß
beträchtlich.[85] Deutschland mußte im Hinblick auf den Kapitalexport in
Frankreich seinen Hauptfeind im Kampf um die Unterwerfung des Osmanischen
Reiches finden - einen Feind, der auch als Gläubiger mehr als doppelt soviele
Obligationen des türkischen Staates besaß. Um so mehr mußte Frankreich fürchten,
daß andere Institutionen wie die Armee oder die Regierung unter deutschen
Einfluß gelangten, und so die Rückzahlung der Schulden und die eigenen
Investitionen gefährdet würden. England wiederum, obwohl es direkte kommerzielle
Interessen im Osmanischen Reich weitgehend fallengelassen hatte, mußte im
wachsenden deutschen Kapital und dem sich daraus ergebenden politischen Einfluß
eine Gefährdung seiner geostrategischen Interessen in der Region sehen. Die
mahnenden Worte des Hallenser Staatswissenschaftlers Wiedenfeld bestätigen diese Angst von Deutschlands Konkurrenten geradezu: "Namentlich Deutschland wird sich aber für seine wirtschaftliche Arbeit in der Türkei, zu der es aus politischen
Gründen noch stärker als bisher berufen werden wird, immer vor Augen halten
müssen, daß die politische Kräftigung der Türkei für uns das eigentliche Ziel zu
sein hat, und daß infolgedessen alle wirtschaftlichen Maßnahmen nur Mittel zum
Zweck, nicht als Selbstzweck zu gelten haben."[86] Als politischen Hintergrund
nennt Wiedenfeld an anderer Stelle die Freihaltung des Landweges zum Indischen
Ozean.[87] Strategische Investitionen in der Türkei sind so tatsächlich ein
politisches Programm des deutschen Imperialismus zur Absicherung weiterer
Expansion. Das wichtigste deutsche Investitionsobjekt, das diesem Ziel diente,
war der Bau der Anatolischen und Bagdadbahn. Dies soll nun im folgenden Teil
ausführlicher untersucht werden.
4. Anatolische und Bagdadbahn
4.1. Die Funktion von Eisenbahnen im Imperialismus
Bevor die Geschichte der Anatolischen und Bagdadbahn aufgezeigt wird, sollen
hier einige allgemeine Hintergründe des Zusammenhangs von Bahnbau und
imperialistischer Politik verdeutlicht werden. Die schnelle Expansion des
Eisenbahnnetzes war ein Bestandteil des wirtschaftlichen und industriellen
Wachstums im letzten Viertel des 19.Jahrhunderts. Mit der Bahn war es möglich,
weite, bisher schlecht erschlossene und entfernte Landesteile wirtschaftlich zu
vereinigen und zu vereinheitlichen. Für die Industrialisierung spielte die
Eisenbahn eine Schlüsselrolle, die die Hauptzweige der industriellen
Wachstumsbranchen, Kohle und Eisen, verband. Gleichzeitig verknüpfte der Bahnbau durch seinen hohen Kapitalbedarf die Großindustrie mit den Banken und war so Schrittmacher der Herausbildung des Finanzkapitals als Vereinigung von
Industrie- und Bankenkapital. Schon dadurch sind die Eisenbahnen für die
Großmächte zum Symbol der imperialistischen Entwicklung geworden, zum
"anschaulichsten Gradmesser der Entwicklung des Welthandels und der
bürgerlich-demokratischen Zivilisation"[88]. Aber nicht nur in der inneren
Entwicklung der Industrieländer, sondern gerade auch in der wirtschaftlichen
Expansion dieser Nationen spielten die Eisenbahnen eine entscheidende Rolle.
Lord Salisbury als Vertreter des englischen Expansionismus sah 1871 die
Lokomotive als wichtigsten Schrittmacher des Imperialismus: "Small kingdoms are
marked out by the destinies of the world for destruction ... . The great
organizations and greater means of locomotion of the present day mark out the
future to be one of great empires."[89] Die Eisenbahnen sollten das Werkzeug
imperialistischer Durchdringung zum Aufbau informeller Kolonialreiche werden.
Die von Bahnlinien durchdrungenen, nicht-entwickelten Länder wurden nicht nur
wirtschaftlich an die Industrienationen angebunden. Die gesamte
Gesellschaftsstruktur dieser Länder wurde durch den Bahnbau umgewälzt. Die
herrschenden Eliten der semikolonialen Länder gehörten oft zu den Unterstützern
des Bahnbaus. Sie konnten, obwohl sie durch die für den Bahnbau notwendigen
Kapitalanleihen auf dem Markt der Großmächte in weitere Abhängigkeit vom
Imperialismus gerieten, ihre heimische Machtstellung ausbauen und zu Nutznießern
der neuen Technologien werden. Die Herausbildung einer Kompradorenschicht wurde durch den Bahnbau begünstigt, der dazu diente, ihr Image als moderne, westlich orientierte Herrscher zu beweisen.[90] Vom wirtschaftlichen Nutzen der neuen Verkehrswege profitierten neben den Industrieländern ebenfalls vor allem die
Eliten in den abhängigen Ländern, die über einen Teil der heimischen Rohstoffe
und Produktionsstätten verfügten. Auch der militärische Nutzen kam den
herrschenden Klassen zugute, die durch die Bahn schnell Truppen zur
Aufrechterhaltung der Ordnung in entlegene Landesteile transportieren konnten.
Zentralistische Herrschaftstrukturen in den Halbkolonien wurden so verstärkt.
Durch die Bahnen wurden die bisherigen Produktions-und Wirtschaftsformen
umgewälzt. Statt Subsistenzwirtschaft und lokalem Handel wurden diese Menschen
nun den Strukturen des Weltmarktes ausgeliefert. Und hier dominierten natürlich
die industrialisierten Großmächte. Lenin als einer der schärfsten Kritiker des
Imperialismus entlarvte die wirkliche Rolle der Eisenbahn: "Der Bau von
Eisenbahnen scheint ein einfaches, natürliches, demokratisches, kulturelles,
zivilisatorisches Unternehmen zu sein. ... In Wirklichkeit haben die
kapitalistischen Fäden, durch die diese Unternehmungen in tausendfältigen
Verschlingungen mit dem Privateigentum an den Produktionsmitteln überhaupt
verknüpft sind, diesen Bau in ein Werkzeug zur Unterdrückung von einer Milliarde
Menschen (in den Kolonien und Halbkolonien), d.h. von mehr als der Hälfte der
Erdbevölkerung in den abhängigen Ländern und der Lohnsklaven des Kapitals in den
`zivilisierten´ Ländern verwandelt."[91]
Der Bahnbau diente so dem Finanzkapital der Industrienationen zum massiven
Kapitalexport in die abhängigen Länder. Die Schwerindustrie wiederum profitierte
von den gewinnbringenden Technologieexporten. Durch die wirtschaftliche
Erschließung neuer Gebiete konnte der Export von Konsumgütern und der Import von Rohstoffen gesteigert werden. Bahnbau war begleitet vom Kapitalexport und der
Niederlassung weiterer Industrien. Daneben etablierten sich auch Schulen,
Krankenhäuser und Missionsstationen der imperialistischen Länder entlang der neu
erschlossenen Gebiete, zuerst im unmittelbaren Zusammenhang und zur
Unterstützung des Bahnbaus, zunehmend aber als Selbstläufer.[92] Die
europäischen Bahnbauten in der Türkei sind ein Paradebeispiel für den Aufbau
informeller Kolonialstrukturen in einem unterentwickelten Land.
4.2. Die Hintergründe des Bahnbaus in der Türkei
Bis Mitte der achtziger Jahre war die asiatische Türkei noch weitgehend
unerschlossen von Eisenbahnverbindungen. Die wenigen vorhandenen Strecken wurden dadurch charakterisiert, daß sie nicht an den Interessen der Türkei orientiert
waren, sondern an denen Englands und Frankreichs. So hatten diese Strecken nicht
die wirtschaftlich und politisch führende Metropole Konstantinopel zum
eigentlich sinnvollen Ausgangspunkt, sondern führten von der Mittelmeerküste ins
Landesinnere. Nicht die Verbindung der Hauptstadt mit den entfernten
Landesteilen war das Motiv für diese Stichbahnen, sondern der Anschluß an den
Operationsbereich der Flotten der Kolonialmächte und die Ausbeutung des Landes
durch die Europäer. Diese auch als "Ausbeutungsbahnen" charakterisierten
Strecken zerteilten das Osmanische Reich und markierten die imperialistischen
Interessensgebiete. Nicht der Stabilität des Reiches, sondern im Gegenteil
seiner Destabilisierung im Interesse der Großmächte dienten diese Bahnen.
Natürlich waren die meisten dieser Linien durch ausländisches Kapital finanziert
und wurden von ausländischen Gesellschaften betrieben.[93]
Der Gedanke einer Eisenbahnstrecke, die das bereits gut erschlossene europäische
Bahnnetz über Kleinasien und Mesopotamien mit dem Persischen Golf verbinden
sollte, bestand schon seit den 30er Jahren des 19.Jahrhunderts. Insbesondere
England sah den Nutzen einer solchen Landverbindung für seinen Nachschub nach
Indien.[94] Aber es war auch die türkische Seite, die großes Interesse an einem
solchen Bahnprojekt äußerte, ließen sich so doch Truppen schnell in die
entlegenen, immer wieder von Aufständen erschütterten Provinzen verlegen. Die
türkische Herrscherclique um dem Sultan sah sowohl die Gefahr der inneren
Zersetzung, wie die Drohung einer Aufteilung des Reiches unter den Engländern,
Russen und Franzosen. Mit einer Transversalbahn, die die ostarabischen Vilajets
mit dem anatolischen Kernland verbindet, erhoffte man sich eine Stärkung der
Zentralmacht und die Festigung des Reiches.[95]
1872 erhielt der österreichische Bahningenieur Wilhelm von Pressel vom Sultan
den Auftrag zum Bau eines Bahnnetzes in der asiatischen Türkei. Pressel plante
ein Bahnnetz ausgehend von Haidar-Pascha an der asiatischen Seite
Konstantinopels über Agora/Ankara, Sivas, Mosul und Bagdad nach Basra mit
Zweiglinien zum Schwarzen- und Mittelmeer.[96] Unter türkischer Leitung begann
der Bahnbau von Haidar-Pascha nach Ismid. Eine Irade des Sultans hatte schon
1871 die Genehmigung erteilt. Die 92 km kurze Strecke wurde allerdings zum
Betrieb einem englisch-österreichischen Konsortium übergeben.
Für den weiteren Ausbau der Transversalbahn suchte der Sultan ausländisches
Kapital von Ländern, die keine kolonialistischen Ansprüche an die Türkei
stellten. Schließlich sollte nicht nur der Zusammenhalt des Reiches gestärkt
werden, sondern auch die Souveränität gegenüber England, Frankreich und Rußland
zurückgewonnen werden. Konnte der Sultan nicht gänzlich auf ausländische Hilfe
verzichten, galt es doch, die anglo-französische Kapitaldominanz durch
Hinzuziehung anderer Mächte zu brechen.[97] Die hierfür in erster Linie in Frage
kommende Macht konnte nur das Deutsche Reich sein. Nicht nur hatte die
politische Führung Deutschlands immer wieder ihr Desinteresse am Orient
bekräftigt, auch war deutsches Kapital erst schwach in der Türkei vertreten.
Georg Siemens, Vorsitzender der Deutschen Bank, die als einzige deutsche
Kapitalgruppe kräftemäßig für ein derartiges Unternehmen in Frage kam, reagierte
abwartend auf die Gesuche aus Konstantinopel. Der vorsichtige Wirtschaftsführer
erklärte noch 1887, "daß einerseits die Finanzierung derartiger Unternehmungen
außerhalb des Bereichs der regelmäßigen Tätigkeit der Deutschen Bank liege,
andererseits auch die augenblicklich obwaltenden politischen Verhältnisse es
nicht rätlich erscheinen ließen, sich auf weitausstehende Unternehmungen
einzulassen, selbst wenn mit Gewißheit auf eine Rentabilität gerechnet werden
dürfe"[98]. Erst, als weitere Sondierungen die Gewißheit erbrachten, daß der
Sultan tatsächlich beabsichtigte, eine deutsche Finanzgruppe zu beauftragen, sie
mit den nötigen finanziellen Garantien auszustatten und hierfür die international kontrollierte Schuldenverwaltung Dette zu verwenden, ging Siemens auf das Projekt ein: "Ich würde im Notfall bereit sein, auf die Sache Zeit zu verwenden. Hier haben sich die Dinge so geschoben, daß ich Muße dazu finden würde"[99], erklärte Siemens euphemistisch.
Aus dieser vorsichtig die Risiken auslotenden Politik, aus dem auch später bei
der Bagdadbahn wiederkehrenden Zögern Siemens` versucht der Haushistoriker der
Deutschen Bank, Fritz Seidenzahl, in der offiziellen 100-Jahr-Chronik die
Geschichte so umzuschreiben, als wäre die Anatolische und Bagdadbahn der
Deutschen Bank von der deutschen Diplomatie aufgezwungen worden.[100] Diese
Chronik im Auftrage des Vorstandes der deutschen Bank ist ein typisches Beispiel
für die Geschichtsrevision der deutschen Nahostpolitik. Nachdem für Deutschland
auch der Zweite Weltkrieg verloren ging, wurde hier die bereits in der Weimarer
Zeit begonnene Umschreibung der Geschichte weitergeführt. Nicht nur der
politische Charakter der Anatolischen und Bagdadbahn wird geleugnet, das ganze
Unternehmen soll der Bank aufgezwungen worden sein.[101] Dem steht allerdings
die Darstellung des Siemens-Biographen Karl Helfferich, später selber Direktor
der Deutschen Bank und ab 1906 im Direktorium der Anatolischen Eisenbahn,
entgegen. Helfferich, als Politiker in der Weimarer Republik ebenfalls an einer
Darstellung interessiert, die die Deutsche Bank von Kriegsschuld freispricht,
ist im Gegensatz zu Seidenzahl trotzdem bereit, die wahren Pläne seines
Schwiegervaters Georg Siemens beim Bau der Anatolischen- und Bagdadbahn zu
schildern. Diese Ziele Georg Siemens`, des "geistige[n] Urheber[s] und Leiter[s]
des Unternehmens"[102], faßt Helfferich so zusammen: "Teilnahme an den Gewinnen, die aus der Erschließung großer, bisher fernab vom Weltverkehr gelegener Gebiete erwartet werden konnten, fanden sich hier zusammen mit den wirtschaftlichen Gesichtspunkten der Förderung der Handelsbeziehungen, der Eröffnung und Entwicklung von Bezugsländern für Rohstoffe und Nahrungsmittel sowie von Absatzmärkten für die deutsche Industrie; dazu kam schließlich der politische Gedanke der Erhaltung und Kräftigung eines unmittelbar vor den Toren Europas gelegenen [...] Landes, das bisher noch nicht unter die Herrschaft oder
Kontrolle einer der großen Weltmächte geraten war, und die Schaffung und
Festigung politischer Freundschaftsbeziehungen zu diesem Lande."[103] Deutlicher
können die imperialistischen Motive des führenden deutschen Finanzkapitalisten
nicht beschrieben werden. Andere Propagandisten des Bagdadbahnimperialismus
haben den Rohstoffaspekt der Bahn noch weiter ausgeführt. Während des Zweiten
Weltkrieges, als Mesopotamiens Ölfelder wieder ein Kriegsziel der deutschen
Strategen waren, gab der nationalsozialistische Historiker Reinhard Hüber zu,
"daß der Bagdadbahn-Planung ein Ölgeruch anhaftete".[104] Auch Paul Rohrbach
hatte in seinen Reiseberichten auf die Öl-und Petroliumvorkommen entlang des
Bagdadbahngebietes hingewiesen.[105] Die Deutsche Bank als Träger der Bagdadbahn zeigte in Verbindung mit den Bahnprojekten großes Interesse an der Erlangung von Schürfrechten in Mesopotamien.[106] In den meisten Untersuchungen zur Bagdadbahn wird der Griff zum Öl eher am Rande behandelt. Doch sollte klar sein, daß bei einer weiteren Industrialisierung und bei einer zunehmenden Mechanisierung der Armeen und Flotten Erdöl zum unverzichtbaren Treibstoff für imperialistische Politik wurde.[107]
4.3. Die Anatolische Bahn
Die von Siemens geplante Expansion in der Türkei sollte ab 1888 unter Kaiser
Wilhelm II. als Teil der Suche nach dem deutschen "Platz an der Sonne"
außenpolitisches Programm werden. Bismarck allerdings, noch nicht überzeugter
Vertreter deutscher Weltpolitik, stand den Plänen der Deutschen Bank zwiespältig
gegenüber. Auf eine entsprechende Anfrage des Direktoriums der Bank antwortete
der Kanzler am 2. September 1888, es beständen zwar keine politischen Bedenken
gegen die Bewerbung um die Bahnkonzessionen durch die Deutsche Bank, allerdings warnte er vor den nicht einzuschätzenden Risiken eines solchen Unternehmens. "Die darin für das deutsche Kapital liegenden Gefahren werden ausschließlich den Unternehmern zur Last fallen und werden die Letzteren nicht darauf rechen können, daß das Deutsche Reich sie gegen die mit gewagten Unternehmungen im Auslande verbundenen Wechselfälle sicherstellen werde."[108] Helfferich übertreibt bei genauer Betrachtung des Wortlautes sicherlich, wenn er meint, Bismarck habe das Unternehmen "gutgeheißen"[109]. Eher ist hier eine
widerwillige Duldung eines Projektes zu sehen, das der Kanzler nicht verhindern
konnte, das allerdings seiner bisherigen Orientpolitk widersprach.[110] Der
marxistische Historiker Lothar Rathmann kann ebenfalls nicht überzeugend seine
These belegen, wonach der Kanzler "den immer mächtiger werdenden Expansionsdrang des deutschen Großkapitals auch im Vorderen Orient bewußt förderte"[111]. Schließlich muß auch Rathmann zugeben, daß Bismarcks Einwilligung zu dem Bahnprojekt der Deutschen Bank in erster Linie im Sinne der europäischen Sicherheitspolitik antifranzösisch und antirussisch motiviert war und nicht die Schaffung einer deutschen Einflußzone im Orient bezweckte. Trotz Bismarcks Halbherzigkeit war der Schritt für eine neue Außenpolitik vollbracht. Da die Anatolische Bahn politisch der Auftakt und wirtschaftlich das Anfangsglied des Bagdadbahnunternehmens war, stellt die Bewerbung um die erste Konzession durch die deutsche Bank einen entscheidenden Wendepunkt in der deutschen Nahostpolitik dar.[112] Es war der Anfang deutscher Interessen in der Türkei, deren Verteidigung längerfristig sehr wohl die "Knochen eines preußischen Grenadiers" wert sein sollte.[113]
Am 24.September 1888 erteilte der Sultan die erste Konzession an die Gruppe der
Deutschen Bank. Am 4.März 1889 wurde die für den Bau und Betrieb verantwortliche
Société du Chemin de fer Ottoman dÀnatolie, die Anatolische
Eisenbahngesellschaft, als Aktiengesellschaft türkischen Rechts mit Sitz in
Konstantinopel gegründet. Die Obligationen zur Finanzierung des Baues wurden
größtenteils auf dem Deutschen Markt untergebracht. Die zum Teil
entgegenlaufenden Interessen der anderen Großmächte und die Abneigung des
Sultans gegen anglo-französisches Kapital erzwang die Finanzierung des
Unternehmens nahezu ausschließlich durch deutsche Mittel.[114] Am 28.Juli 1896
wurde die Anatolischen Eisenbahn mit der Endstation Konia vollendet.
Um "jedenfalls zu verhindern, daß gegnerische Einflüsse mit der Beherrschung der
rumelischen Eisenbahnen sich zwischen das anatolische Netz und Europa
einschalten könnten"[115], kaufte Siemens auch die Aktien der Orientalischen
Eisenbahnen im europäischen Teil der Türkei auf, die sich im Besitz des
"Türkenhirsch" Baron Hirsch befanden. Für den Bau einer 219 km langen
Bahnstrecke in das Innere Mazedoniens bekam die Gruppe der Deutschen Bank am
28.Oktober die Konzession erteilt. Mit der 1890 in Zürich gegründeten Bank für
Orientalische Eisenbahnen schuf sich die Deutsche Bank in Zusammenarbeit mit der
Schweizerischen Kreditanstalt eine Holding Company für ihre Bahnunternehmungen
in der Türkei.[116]
4.4. Deutsche Erfolge und die Haltung der Großmächte
War 1887 kein nennenswertes deutsches Kapital in der Türkei angelegt, so befand
sich nur wenige Jahre später das Bahnnetz der europäischen Türkei und seine
Weiterführung bis Angora und Konia unter Kontrolle des deutschen Kapitals.[117]
Erdacht von einem deutschsprachigen Planer, erbaut von deutschen Technikern mit
in Deutschland produzierter Technik, finanziert durch deutsche Gelder und unter
der Leitung von deutschen Direktoren war dieses Bahnnetz schon vor seinem
Weiterbau nach Bagdad ein Symbol der neuen imperialistischen Politk des
Deutschen Reiches und zugleich sein erster wirklicher Erfolg.[118]
Von jetzt an wurde die deutsche Politik zwangsläufig in die orientalischen
Händel mit ihrer internationalen Verstrickung hineingezogen. Die Interessen der
einzelnen Mächte waren klar bestimmt, nur konnte eine Änderung der Prioritäten
in der Orientpolitik auch eine Änderung im Bezug auf das Bahnprojekt bedeuten.
Die Widersprüche unter den Großmächten führten dazu, daß es auch in der
Bahnfrage zeitweilig zu neuen Konstellationen kam. Der Diplomat Mühlberg drückte
die sich durch die Interessenskonflikte unter den Mächten ergebenden
Möglichkeiten für Deutschland treffend aus. So gelte es, die asiatischen
Rivalitäten Englands und Rußlands so auszunutzen, daß "wir uns mit einer
Verbeugung vor dem britischen Löwen und einem Knicks vor dem russischen Bären
allmählich bis zum Persischen Golf hinabschlängeln."[119] Durch dieses
Ausspielen innerimperialistischer Rivalitäten hoffte Deutschland, in das
traditionelle Expansionsgebiet der anderen Mächte einzudringen. Letzlich sollte
dies zwar gelingen, doch zum Preis der Isolation Deutschlands auch im Orient.
Die generelle Haltung der Mächte soll hier noch kurz umrissen werden.
Grundsätzlich stand das Interesse der Türkei an der Festigung des Reiches durch
den Bahnbau als Konstante fest, ebenso der Wunsch, sich mit deutscher Hilfe vom
anglo-französischen Kapital zu emanzipieren.
Für Rußland galt, daß es den Bau einer Bahn, die das Leben des Reiches
verlängern konnte, ablehnte. Der Historiker Wolf drückt es richtig aus: "It was
not that a German Railroad was objectionable to Russia, it was a `railroad´ in
Turkey that the Russians wished to block."[120]
England sah zwar die Vorteile einer Bahnverbindung nach Asien gerade auch für
seine Indienpolitk, stellte dem aber den Wunsch nach einer schwachen Türkei
gegenüber, die diesen Weg nicht versperren und nicht zuviel Einfluß auf Englands
moslemische Untertanen ausüben konnte. Soweit ein Projekt wie die Anatolische
und Bagdadbahn unterstützt wurde, kam dies nur bei einer englischen Kontrolle
über die Bahn oder ihre wichtigen Abschnitte am Persischen Golf in Frage und
nicht bei deutscher Kontrolle über das gesamte Netz.[121]
Frankreich wiederum sah in einem deutschen Bahnprojekt in erster Linie das
Eindringen von feindlichem Kapital in seine traditionelle Geschäftszone. Solange
die Bahn gut für die türkische Wirtschaft war, konnte auch Frankreich als
Hauptgläubiger davon profitieren. Doch war es nicht im französischen Interesse,
wenn diese Stärkung durch Frankreich feindlich gesinnte Mächte, oder später auch
durch Gegner der Entente erfolgte. Abgelehnt wurde also in erster Linie eine
deutsche Bagdadbahn.[122]
4.5. Die Bagdadbahn
4.5.1. Diplomatische Unterstützung
In der offiziellen Geschichte der Deutschen Bank geht Fritz Seidenzahl davon
aus, die Konzessionserteilung für den Weiterbau der Bahnstrecke Richtung Bagdad
an die Deutsche Bank sei seit Anfang der 90er Jahre gewiß gewesen und Siemens
habe nur den günstigen Zeitpunkt hierfür abwarten wollen. Der türkische Sultan,
der deutsche Kaiser und die deutsche Diplomatie hätten dann das "unerwünschte"
Bahnprojekt der Deutschen Bank gegen deren Willen aufgezwungen.[123] Seidenzahl übersieht, daß die Deutsche Bank zu Beginn der 90er Jahre zwar die besten Aussichten auf die Konzession hatte. Doch je länger Siemens zögerte, desto
unruhiger wurde auch der Sultan. Natürlich bevorzugte Abdul Hamid aus den
genannten Gründen eine deutsche Gesellschaft für den Bau. Doch lag ihm auch ein
baldiger Weiterbau des bisherigen Rumpfes der Anatolischen Bahn am Herzen,
gerade nachdem er im Krieg gegen Griechenland 1897 den militärischen Nutzen der
Bahn erproben konnte.[124] Notfalls bestand auch die Bereitschaft, ein günstiges Angebot einer anderen Macht nicht auszuschlagen.[125] Die deutsche
Diplomatie wußte dies. Botschafter Marschall, glühender Verfechter der
Bagdadbahnpolitik in Konstantinopel, kannte die Launen des Sultans und die
Situation in der Türkei aus eigener Erfahrung besser als der Wirtschaftsführer
Georg Siemens, der zuerst die Mittel seiner Bank im Auge hatte.[126] Marschall
warnte davor, ein Rückzug der Deutschen Bank von dem Bahnprojekt würde einen
starken Rückschlag der deutschen Stellung in der Türkei insgesamt bedeuten.[127]
1898 war auch Siemens bereit, sich für die Bagdadbahnkonzessionen zu bewerben.
Da er allerdings die ungeheuren Kosten und auch Risiken des Unternehmens schon
lange erkannt hatte, wünschte er, englisches und französisches Kapital hinzuzuziehen. Eine Verständigung mit England wäre notwendig und möglich, um
unnötige Hindernisse aus dem Weg zu räumen.[128] Ein Brief Siemens` an das
Auswärtige Amt belegt allerdings den weitergehenden Hintergrund dieser
Überlegungen. In dem Wissen, daß die deutsche Diplomatie, die politische und
militärische Führung größtes Interesse an der Bagdadbahn hatten, wollte Siemens
den deutschen Staatsapparat soweit wie möglich finanziell und mit Verantwortung
belasten und diese Mitverantwortung förmlich erpressen.[129] In dem Schreiben
vom 20.Mai 1898 erklärte er daher, in türkischen Kreisen kämen nun auch
englische und französische Kapitalgruppen für den Bau in Frage. "Die Anatolische
Bahn habe zwar ein Interesse an ihrer Verlängerung, aber sie habe ein noch
größeres Interesse an der Verlängerung durch Dritte, die ihr ohne eigene
Kapitalinvestierung und ohne eigenes Risiko erhöhten Verkehr und damit höhere
Einnahmen zuführen müsse. Von dieser Stellungnahme könne sie nur abgehen, wenn ein erhebliches deutsch-nationales Interesse daran bestehe, daß auch die
Fortsetzung der Bahn unter deutschem Einfluß bleibe."[130] Hielt sich die
deutsche Regierung in der Frage einer solchen staatlichen Sanktionierung und der
geforderten Mitfinanzierung durch die Preußische Seehandlung vorerst noch
bedeckt, konnte Siemens doch mit der Unterstützung, die er auf der
diplomatischen Bühne erhielt, mehr als zufrieden sein.[131] Im September
erklärte Staatssekretär Bülow seine Unterstützung für die Bagdadbahn, um den
deutschen Einfluß in Nahost zu stärken.[132] Botschafter Marschall forderte
schon länger die öffentliche Kennzeichung der Bahn als deutsches Projekt,
gedeckt durch die deutsche Regierung: "Soll die Bahn Angora-Bagdad das werden,
was die Anatolische Bahn heute ist, nämlich ein deutsch-nationales Unternehmen,
das als solches durchgeführt, verwaltet und betrieben wird, oder soll sie ein
internationales Unternehmen sein, dessen Geist, solange das Aktienmaterial
floriert, durch die wechselnden Mehrheiten der Generalversammlung bestimmt wird,
bis eine fremde Regierung, wie einst beim Suezkanal, die Mehrheit der Aktien an
sich bringt und damit dem eigenen Land die Früchte sichert, zu denen deutsche
Arbeit die Saat gelegt hat?"[133]Und schließlich reiste Kaiser Wilhelm II. Ende 1898 persönlich nach Konstantinopel. Auch Siemens weilte dort. Wieweit der Kaiser mit Siemens und dem Sultan das Bahnprojekt ansprach, ist nicht überliefert.[134] Nachdem Besuch im Orient war der Kaiser jedenfalls ein glühender Anhänger der Bagdadbahnidee geworden und die baldige Vorkonzession Ende 1899 an die Gruppe der Deutschen Bank wird in unmittelbaren Zusammenhang mit der Kaiserreise gebracht.[135] Auch die Konzession zum Ausbau und Betrieb der Hafenanlagen von Haidar-Pascha, sozusagen dem Tor zur Bagdadbahn, erhielt die Anatolische Eisenbahngesellschaft kurz nach dem Kaiserbesuch zu Beginn des Jahres 1899 gegen den Widerstand der anderen Großmächte.[136] Der Kaiser, ebenso wie die Politische und Handelspolitische Abteilung des Auswärtigen Amtes sahen nun die Bagdadbahn als zentrales Projekt des deutschen Imperialismus an. Siemens erhielt im März 1899 die Zusicherung, daß von Seiten des Auswärtigen Amtes die vollständige Bereitschaft bestand, "den Eisenbahnplan nach allen Richtungen hin zu fördern und bei der Pforte nachdrücklich zu unterstützen"[137]. Unter dieser Vorausetzung stellte der Direktor der Deutschen Bank noch im Mai 1899 das Konzessionsgesuch an den Sultan. Trotz Störmanövern Rußlands, Frankreichs und Englands gelang es Botschafter Marschall, eine erste Vorkonzession zu erhalten, die am 24.Dezember 1899 vom türkischen Arbeitsminister und Georg Siemens unterzeichnet wurde.[138]
4.5.2. Die geplante Internationalisierung der Bahn
Waren sich der Chef der Deutschen Bank, der Kaiser und sein Botschafter in
Konstantinopel einig darüber, daß die Bahn ein "deutsch-nationales" Unternehmen
war, das unter deutscher Führung gebaut werden müsse, so standen sie doch vor
der Realität, für die Finanzierung auf ausländisches Kapital angewiesen zu sein.
Vor diesem Hintergrund allein ist der immer wieder genannte Gedanke einer
"Internationalisierung" der Bagdadbahn zu verstehen. Niemals sollte das Projekt
aus der deutschen Hand gegeben werden, doch bestand die Hoffnung, Kosten und
Risiken auch auf englisches und französisches Kapital zu verteilen. John B. Wolf
irrt, wenn er vertritt, die Suche nach Finanzpartnern stelle den Versuch einer
Internationalisierung auch der Leitung der Bahn dar.[139] Auch Seidenzahl kann
keine Beweise für seine Behauptung anführen, daß eine Internationalisierung nach
Art der Suezkanalgesellschaft geplant war.[140] Schließlich hatte Marschall
genau dieses Modell als gefährlich für den deutschen Anspruch entlarvt.[141] Die
Darstellung Wolfs und später Seidenzahls kam lediglich denjenigen Kreisen
entgegen, die an einer Revision der Geschichte interessiert waren, in erster
Linie die Hauptakteure des ersten deutschen Griffs nach dem Orient und deren
Nachfahren, die auch nach 1918 und 1945 wieder nach dem Orient strebten.
Helfferich ist da ehrlicher, wenn er unter der gesuchten "Internationalisierung"
die "politische[n] Neutralisierung des Bagdadbahnunternehmens unter voller
Aufrechterhaltung der deutschen Führung"[142] versteht.
Aber auch die von Siemens gewünschte finanzielle Beteiligung der anderen Mächte
kam nicht im gewünschten Maß zustande. Englisches Kapital ließ sich nicht
gewinnen, obwohl die englische Regierung auch nach Vergabe der Vorkonzession
eine gewisse "wohlwollende Neutralität" in der Bagdadbahnfrage zusicherte und
hoffte, Deutschland im Orient als Prellbock gegen Rußland zu gebrauchen. Sowohl
das Foreign Office als auch die Banken der City lehnten ab.[143] Einen
beträchtlichen Anteil an dieser britischen Absage hatte eine antideutsche
Pressekampagane, mit der eine, von der Lynch-Gesellschaft angeführte
Wirtschaftsgruppe Widerstand gegen eine Unterstützung der deutschen Bagdadbahn
weckte.[144] Hintergrund waren die eigenen Wirtschaftinteressen englischer
Kapitalisten im Orient, die nicht den militärstrategischen Überlegungen des
Foreign Office geopfert werden sollten.[145] Frankreich dagegen, in dem Bewußsein, das Bahnprojekt nicht verhindern zu können und keinen strategischen Schaden dadurch zu erleiden, hoffte, sich einen Teil der Gewinne zu sichern. Die französisch geführte Banque Ottomane wurde so neben der Deutschen Bank größter Anteilseigner an der Bagdadbahn, allerdings blieb in der Praxis der deutsche Einfluß bestimmend, wie es die deutsche Politik wünschte. Die Zusammensetzung des Verwaltungsrates der Société Impériale Ottomane du Chemin de fer de Bagdad, die am 13.April 1913 zur Umsetzung der Konzession gegründet wurde, verdeutlicht die politische Gewichtung der beteiligten Kapitalien.[146] Von 19 Verwaltungsräten gehörten 11 dem deutschen Bereich an und 9 dem französischen, wobei allerdings einzelne Personen auch willkürlich abstimmen konnten. Das Aktienkapital von 15 Millionen Franken übernahm zu 10% die Anatolische Eisenbahn-Gesellschaft, zu 10% die türkische Regierung, rund 27% die Deutsche Bank, rund 27% die Banque Ottomane, 4% der Wiener Bank-Verein und 4% die Schweizerische Kreditanstalt, der Rest verteilte sich auf verschiedene Banken und Einzelpersonen in Deutschland, Italien und der Türkei.[147] Englisches Kapital war nicht vertreten und Rußland hatte nur eine Vereinbarung mit der Banque Ottomane geschlossen, wonach ein Fünftel ihres Einsatzes als russische Quote gelte.[148] Der französische Einfluß blieb in der Praxis gering. Das Kapital für die Finanzierung mußte im Wesentlichen durch die Deutsche Bank auf dem deutschen Markt aufgebracht werden, da in Frankreich die Notierung der Bagdadbahnwerte an der Börse untersagt wurde. Als die französische Regierung schließlich aus politischen Gründen die Mitarbeit an der Bagdadbahn verbot, behielt die Banque Ottomane zwar ihre Anteile, doch war sie laut Arthur Gwinner, Nachfolger des 1901 verstorbenen Georg Siemens, "nur noch Mitesser [...] ohne Helfer zu sein"[149].[150]
Die endgültige Konzession für die Bagdadbahn hatte Arthur Gwinner am 17.Januar
1902 bekommen.[151] Die Bahn sollte in selbständigen Sektionen von je 200 km
gebaut werden, die Konzession betrug 99 Jahre und wurde für die bisher gebauten
Strecken der Anatolischen Bahn ebenfalls soweit verlängert.[152] Dazu kamen die
Rechte zur Ausbeutung aller Mineralvorkommen in einem 20 km breiten Streifen zu
beiden Seiten der Trasse sowie zum Hafenbau in Bagdad und Basra und
Flußschiffahrtsrechte zur Unterstützung des Bahnbaus.[153]
4.5.3. Die Gegnerschaft der Entente
Zum Zeitpunkt der Konzessionserteilung war der Konflikt zu den anderen
Großmächten offen ausgebrochen. Der Charakter dieses internationalen Konfliktes
wurde im Wesentlichen durch den deutsch-englischen Antagonismus bestimmt. Der
Historiker Bode erkennt richtig: "England wurde die Seele des Widerstandes gegen
das deutsche Unternehmen."[154] Der deutsch-englische Konflikt um die Bagdadbahn ist Ausdruck einer generellen Zunahme von Widersprüchen zwischen den beiden Ländern seit der Jahrhundertwende.[155] Die Wirtschaftsmacht Deutschlands, ihre Erfolge beim Kapital-und Warenexport, das Eindringen in traditionell englische Überseemärkte und in die afrikanischen Kolonien sowie im Nahen Osten schufen Konfliktpotential.[156] Die Symbole dieses Konfliktes wurden der Flottenbau in Europa und die Bagdadbahn in Vorderasien. In England machten Presse und Parlament, mobilisiert durch Politiker wie den indischen Vizekönig Lord Curcon und Kapitalgruppen wie die Lynch-Brothers, vehement Stimmung gegen jegliche Unterstützung der deutschen Bagdadbahn. Lord Lansdowne sprach hier von einem "anti-German fever", das von der Bagdadbahn ausgelöst wurde.[157]
Mit der Thronbesteigung König Eduard VIII. im Jahr 1901, der den Ausgleich mit
Frankreich und später mit Rußland suchte, wurde der deutsch-englische Konflikt
weiter verschärft.[158] In die englische Bagdadbahnpolitik floßen nun nicht nur
die Nahostinteressen Englands ein, es mußte auch auf die Wünsche Frankreichs und
Rußlands Rücksicht genommen werden. Am 8.April 1904 schlossen England und
Frankreich nach Klärung der Marokko- und Ägypten-Frage ihre Entente. 1907 schloß
sich Rußland nach Klärung der Persien-und Mittelasienkonflikte mit England der
Entente an. In Fragen der Bagdadbahn bedeutete dies, daß keine der Mächte eine
seperate Lösung mit Deutschland finden konnte, ohne die anderen Partner zu
verprellen.
Hatte Chamberlain im November 1899 dem deutschen Kaiser versichert, eine
deutsche Bahn lieber in Kleinasien zu sehen, als etwa eine russische oder
französische[159], so hatte doch schon am 8.Juni dieses Jahres der
Unterstaatssekretär im Foreign Office, Brodrick gewarnt: "but we are fully alive
to the necessity of maintaining British interests in the Persian Gulf."[160]
Diese zwiespältige Haltung der englischen Politik gegenüber der Bagdadbahn wurde
später von Außenminister Sir Edward Grey auf den Punkt gebracht: "We are in
favour of railway constructions in Mesopotamia, but not on terms calculated to
handicap British interests."[161] Diese Interessen betrafen in erster Line die
uneingeschränkte britische Herrschaft über den Persischen Golf, der "a short cut
to India, but a short cut from Berlin, not from London"[162] darstellte. Hier
lag tatsächlich der wunde Punkt für England, der in den nächsten Jahren die
Gegnerschaft zur Bagdadbahn begründen sollte.[163]
Einen ersten Sperriegel gegen den deutschen Vorstoß in seine Einflußsphäre legte
England schon im Januar 1899. In einem Geheimvertrag mit England verpflichtete
sich der kuwaitische Scheich Mubarak, ohne englische Einwilligung kein Gebiet
seines Scheichtums an eine fremde Macht abzutreten.[164] Kuwait schien als
natürliche Endstation für die Bagdadbahn bestimmt zu sein, da es vor dem Ausbau
von Basra den einzigen brauchbaren Hafen auf türkischem Gebiet am Persischen
Golf darstellte. In der Vorkonzession von 1899 wurde die Trassenführung nur bis
Basra gebilligt, doch für den Fall eines Weiterbaus nach Kuwait hatte England
"difficultés locales" angedroht, die zu einer "ingérence de l`étranger" führen
könnten.[165] Wenn hier England eindeutig in die Souveränitätsrechte des
türkischen Sultans eingriff, und der Wert des Abkommens mit Kuweit überaus
zweifelhaft ist, hatte es doch gegenüber Deutschland und der Türkei seine
Interessenssphäre definiert. Wollte Deutschland den Konflikt mit England wegen
der Kuwait-Frage gerne vermeiden, konnte hier allerdings kein schriftliches
Zugeständnis gegeben werden, da dies ein Affront gegen die Stellung des Sultans
gewesen wäre.[166] Der endgültige Bagdadbahnvertrag von 1902, der den Golf als
Endpunkt der Bagdadbahn angab, mußte zwangsläufig als Provokation auf England
wirken.
Neben der Frage des Endpunktes der Bagdadbahn, die kein unüberwindbares
Hindernis zu den deutschen Interessen darstellte, stellte England allerdings
noch eine zweite entscheidende Forderung, die Kontrolle des hinteren
Streckenabschnittes betreffend.[167] In Aufzeichnungen des britischen
Handelsamtes und des Reichsverteidigungsausschusses von 1905 wird die Forderung erhoben, die Bahnstrecke vom Golf nach Bagdad und weiter nach Tekrit und Mossul müsse unter englischer Kotrolle stehen. Diese als "Sektionalisierung"
bezeichnete Aufteilung des Bagdadbahngebietes in Einflußzonen der Großmächte
wurde dem deutschen Plan der "Internationalisierung" des Bagdadbahnkapitals
gegenübergestellt. Nur so hätte England eine wirkliche Kontrolle über seinen
Bereich gehabt. Eine Rolle als zahlender Juniorpartner ohne Einfluß, wie sie
Frankreich spielte, sollte so vermieden werden. Der Konflikt um die Kontrolle
des genannten Streckenabschnittes sollte der eigentliche Antagonismus zwischen
England und Deutschland in der Bagdadbahnfrage werden. Eine Lösung verhinderte
zum einem das deutsche Eigeninteresse an der Ölregion um Mossul, zum anderen
konnte der Sultan eine faktische Überlassung dieses Reichsteiles an England
nicht dulden. Jeder Schritt in diese Richtung würde das Vertrauen in die
Deutschen schmälern und so wieder dem deutschen Einfluß an der Pforte
schaden.[168]
Im Februar 1907 machte Bülow die deutsche Haltung gegenüber den britschen
Forderungen klar. Er betonte, die Bagdadbahn sei ein "rein deutsches
Unternehmen", man habe daher "keinerlei Anlaß, zwecks Finanzierung des
Unternehmens an andere Nationen zu appellieren" und eine Überlassung des
südlichen Streckenabschnittes der Bagdadbahn an England könne ebensowenig in
Frage kommen, wie eine Endstation Bagdad. Hier spielten Rücksichten auf den
Sultan eine große Rolle.[169] Demgegenüber steht allerdings das angebliche
Versprechen Kaiser Wilhelms II. an Haldane bei seinem Besuch in Windsor Castle
November 1907, den Engländern das Tor nach Indien zu überlassen. "I will give
you the gate!" habe der Kaiser laut Haldane geantwortet.[170] Wieweit hier ein
Widerspruch zwischen dem Kaiser und Bülow bestand und wie ernsthaft das Angebot tatsächlich war, England die letzte Sektion der Bahn zu überlassen, ist ungewiß. Sir Edward Grey plante, die Frage der Sektionalisierung auf einer
Vierer-Konferenz der Großmächte anzusprechen, die allerdings von Deutschland
abgelehnt wurde. Wenn hier tatsächlich eine Verständigung mit England geplant
war, so hätte es Deutschland auf dieser Konferenz mit der geschlossenen Macht
der Entente zu tun gehabt, die ganz andere Interessen vertrat. Hier hätte
Deutschland nur verlieren können.[171] Jetzt zeigte sich deutlich die
Problematik, die durch die Blockbildung in Europa ausgelöst wurde. Bilaterale
Lösungen wurde durch die Komplexität der internationalen Bindungen erschwert und
verhindert. Hier sollte viel von dem Sprengstoff liegen, der den Weltkrieg
auslöste.[172]
4.5.4. Deutsche Kompromisse mit der Entente
Da die Mächte der Entente eigene Ansprüche auf das türkische Erbe stellten und
sich auch untereinander Konkurrenz lieferten, bestand für Deutschland dennoch
die Möglichkeit, die gegnerische Front aufzubrechen. Schon am 19.August 1911
hatte sich Deutschland mit Rußland im sogenannten Potsdamer Abkommen geeinigt.
Während Deutschland den russischen Einfluß in Nordpersien anerkannte,
verpflichtete sich Rußland, keinerlei Widerstand gegen die Bagdadbahn zu
leisten.[173]
Zu bilateralen Verhandlungen zwischen Deutschland und den anderen Großmächten
kam es schließlich 1913 und 1914. Die Entente stand unter dem Eindruck, daß es
Deutschland trotz aller Widerstände gelungen war, den Bahnbau voranzutreiben und
auch nach der jungtürkischen Revolution seinen Einfluß in der Türkei erhalten
hatte. Englands Hauptinteresse in Falle der Bagdadbahn war nun nicht mehr die
kaum noch realistische Verhinderung. Vielmehr ging es nun darum, für eine
Duldung der Bahn von Deutschland weitestmögliche Zugeständnisse zu erhalten, die
wiederum die englische Stellung im Orient festigen konnten.[174] Helmut Mejcher
nennt dies treffend die "Dialektik des Bagdadbahnimperialismus", in der sich die
Großmächte gegenseitig mehr Einfluß auf die Türkei zuschanzen, um ihre eigene
Position abzusichern.[175]
Nach den Balkankriegen herrschte bei allen Mächten der Eindruck vor, daß eine
baldige Aufteilung der Türkei drohte. Es ging jetzt darum, die jeweiligen
Einflußsphären abzustecken und sich für den Endkampf um das Osmanische Reich zu rüsten. Deutschland wiederum sah sich zunehmend isoliert und eingekreist. Seine
Nahostpläne wurden durch akuten Kapitalmangel bedroht.[176] Daß Kompromisse
zwischen England, Frankreich und Deutschland nun möglich wurden, liegt zum einen
an der deutschen Zwangslage, zum anderen waren sich die Mächte bewußt, daß auch weitergehende Zugeständnisse nur kurzfristige Gültigkeit erlangen würden. Der
drohende Krieg würde dann endgültig über die Positionen der Mächte im
Osmanischen Reich entscheiden.[177]
Am 15. Februar einigten sich Frankreich und Deutschland über die beiderseitigen
Eisenbahninteressen in der asiatischen Türkei. Nor- und Ostanatoien sowie Syrien
wurden zu französischen Einflußgebieten erklärt, Zentralanatolien und die
Bagdadbahngebiete sowei Mesopotamien wurden Deutschland zugeschlagen. Die
französischen Vertreter schieden aus der Bagdadbahngesellschaft aus. Auf den
durch Frankreich vorgetragenen und von Rußland unterstützen Verzicht des Baues
der Linie zwischen Siwas und dem armenischen Hochland ging die deutsche Seite
ein, obwohl hier noch Konzessionsrechte bestanden. Auch in der Frage der
Verwaltung der türkischen Staatsfinanzen und der daher stammenden Investitionen
in Eisenbahnprojekte Deutschlands und Frankreichs wurde eine Einigung erzielt
und Zusammenarbeit vereinbart. Die deutsch-französischen Abkommen konnten erst
in Kraft treten, wenn entsprechende Abmachungen mit der Türkei geschlossen
waren. Und davor stand noch eine Einigung Deutschlands mit Frankreichs
Ententepartner Englands aus.[178]
Die 1913 mit England begonnenen Verhandlungen zogen sich bis unmittelbar vor
Kriegsbeginn hin. Am 15.Juni 1914 wurde schließlich ein deutsch-englisches
Abkommen getroffen. Als Ergebnis dieser Verhandlungen unter Beteiligung der
Türkei ging insbesondere die deutsche Seite große Kompromisse ein. So
verzichtete die Bagdadbahngesellschaft auf den Weiterbau der Bahn über Basra
hinaus an den Persischen Golf. England wiederum willigte ein, den Ausbau der
Bahn bis Basra nicht mehr zu behindern und keine Konkurrenzprojekte zu fördern.
Weiterhin garantierte Deutschland die gleiche Behandlung aller Güter und
Nationalitäten im gesamten Bagdadbahnnetz. Die Häfen Bagdad und Basra als
wichtige Bahnstationen sollten mit 40% englischer Kapitalbeteiligung ausgebaut
werden. England und Deutschland erkannten schließlich den Zugang aller Nationen
zum Schatt-el-Arab an. Durch die Beteiligung englischer Großunternehmer an den
Verhandlungen konnte sich die Regierung vor einer Pressehetzte wie in der
Vergangenheit absichern. Für die Euphrat- und Tigrisschiffahrt erkannte
Deutschalnd das englische Monopol an, durfte dafür aber 20% der
Schiffahrtsgesellschaft übernehmen.[179] Der Vertrag spiegelt deutlich die
Schwerpunktsetzung englischer Orientpolitik wieder. Handelsinteressen in der
Türkei wurden zugunstren der Sicherheit am Golf hintenangestellt. Der baldige
Ausbruch des Krieges verhinderte die Ratifizierung des Abkommens, das in
wesentlichen Punkten noch der Zustimmung der türkischen Regierung bedurfte.
Im Rahmen der Verständigung mit England wurde auch die Frage des mesopotamischen Erdöls geklärt. Trotz einer nur 25-prozentigen Kapitalbeteiligung an der multinationalen Turkish Petroleum Company handelte die Deutsche Bank als
faktische Vertretung des deutschen Staates aus, daß die deutsche, wie die
englische Marine Anspruch auf je ein Drittel des Ölexportes hätte. Die Deutsche
Bank bilanzierte ihre Erfolge in der Rohstoffrage, die mit dem Bahnprojekt auf
das Engste verbunden waren, gegenüber dem Auswärtigen Amt: "Wir haben für die
für die Bagdadbahn so wichtige Erschließung der mesopotamischen Ölfelder, deren
Finanzierung [...] in Deutschland kaum denkbar ist, uns den englischen
Kapitalmarkt in vollem Umfang gesichert; wir haben uns durch den stellvertretenden Vorsitz in der Turkish Petroleum Co. und ihrer Tochtergesellschaften einen weitgehenden Einfluß auf die geistige Führung der Unternehmen verbriefen lassen."[180] Was beim Bahnbau nie geglückt war, nämlich englisches Kapital hinzuzuziehen, war im Falle der Ölfelder mehr als erfolgreich. Die Deutsche Bank, Hauptträger der Bagdadbahn, die Deutschlands Schlüssel zu den nahöstlichen Ölfeldern darstellte, konnte auf dem Papier einen echten Triumpf davontragen. Doch auch hier machte der Krieg die Erfolge wertlos. Deutschland verlor den Krieg, die Bagdadbahn und seine vertraglichen Ansprüche auf die Ölausbeutung im Gebiet der Bahn. Aus dem osmanischen Gebiet Mesopotamien wurde der Staat Irak.[181]
4.6. Bewertung des Bagdadbahnprojektes
Als der Erste Weltkrieg ausbrach, existierte die Bagdadbahn lediglich als Torso.
Von einer geplanten Länge von 2165 km waren erst 887 km bis Oktober 1914
vollendet worden. Erst im Krieg, am 1.August 1916, wurde die Bahnstrecke von
Haidar-Pascha nach Bagdad in Betrieb genommen. Aus dieser Tatsache leitet sich
auch die Problematik einer Bewertung ab. Weder können die Profite, die der
Betrieb auf einer durchgehenden Strecke in Friedenszeiten für die Inhaber der
Konzession erbracht hätten, berechnet werden, noch können die strategischen
Motive des Bahnbaus in der Praxis bewiesen werden.[182] Wieweit die politischen
Ziele des Bahnbaus in der Praxix erreicht wurden, ist ebenfalls schwer zu
beweisen. Es bleibt so eine relativ hypothetische Frage, ob eine vollendete
Bagdadbahn wirklich zur Stärkung des Osmanischen Reiches geführt hätte.
Unumstritten ist der militärischer Wert der Bahnbauten. Im Ersten Weltkrieg
bewiesen sie ihre Nützlichkeit zum Transport von Truppen und Versorgungssgütern.
"The Bagdad Railway had proved to be the backbone of the Turkish utility and
power in the War. Were it not for its existence, the Ottoman resistance in
Mesopotamia and in Syria could have been discounted as a practical consideration
in the War and the sending of Turkish reenforcement to the Caucasus would have
been even more materially delayed than was in fact the case."[183] Allerdings
profitierte von diesem logistischen Vorteil nicht nur die deutsch-türkische
Seite, auch die englische Armee nutzte die Bahn.[184]
Umstritten ist die Frage, ob die Bahn tatsächlich die große Gefahr für England
bedeutet hätte, wie es die britische Presse immer wieder betonte. In der neueren
Forschung wird die englische Furcht vor der Bahn oft als übertrieben und
"germanophob" interpretiert.[185] Die verbesserten Möglichkeiten zum Transport
von Exportgütern waren ein Vorteil, der nicht nur Deutschland genützt hätte.
Zwar hätte die deutsch-geführte Betreibergruppe der Bahn die Profite für die
Transportleistung bekommen, doch wäre dadurch für England kein Nachteil
entstanden. Im - allerdings niemals ratifizierten - Bagdadbahnabkommen zwischen
Deutschland und England hatten sich beide Länder auf die völlige
Gleichbehandlung von Gütern aller Nationen beim Transport geeinigt. Auch hier
bestand somit keine Gefahr. Der Historiker Sievers irrt, wenn er die Sorge vor
der deutschen Konkurrenz im Warenexport als Hauptgrund für den englischen
Widerstand gegen die Bahn nennt. Wie er selber zugibt, wurden durch diesen
Export in die Türkei die englischen Einfuhrraten niemals gefährdet.[186] Der
1900 im Auftrage der Deutschen Bank entstandene Bericht einer Studienkommission
unter Generalkonsul Stemrich führt theoretische Berechnungen über den
wirtschaftlichen Nutzen des Bahnbaus auf. Die Untersuchungen sind geeignet, die
wirtschaftliche Rentabilität des Unternehmens auf dem Gebiet des
Warentransportes in Frage zu stellen. So schreibt Stemrich: "Mit Bezug auf
Warentransporte wird die Bahn mit den Schiffsverbindungen, ungeachtet der hohen
Gebühren des Suezkanals, nicht konkurrieren vermögen, dagegen ist es nicht
ausgeschlossen, daß sie für die Postbeförderung und den Passagierverkehr nach
Indien und dem weiten Osten in Betracht kommt."[187] Diese desillusionierende
Untersuchung, die noch vor der endgültigen Konzessionserteilung der Deutschen
Bank vorlag, bestätigt, daß politische Interessen vor den wirtschaftlichen für
den Weiterbau verantwortlich waren. [188]
Die Angst Englands und der anderen Großmächte vor der Bahn erscheint irrational,
wenn man, wie Helmut Mejcher, die Bahn "fern jeder Romantik des Schienenstrangs
und losgelöst von den ideologischen und geo-politischen Prämissen der
Alldeutschen und des deutschen Bildungsbürgertums" vorrangig als ein
"Wirtschaftsunternehmen und Investmentobjekt der deutschen Hochfinanz"[189]
interpretiert.[190] Alle diese Deutungen, die nur die Sphäre des Warenexportes
oder nur die des Spekulationsobjektes sehen, sind zu eingeschränkt, da sie
gerade die politischen und geostrategischen Hintergründe ignorieren.
Der wahre Grund für die Furcht Englands, Frankreichs und Rußlands besteht darin,
daß die Bagdadbahn in ihrem ganzen Wesen ein deutsches imperialistisches Projekt
war.[191] Nicht nur das Gerüst des Schienenstranges darf hier betrachtet werden,
sondern der Bahnbau muß als Hauptschrittmacher des Eindringens deutscher
Interessen und deutschen Einflusses in die Türkei gesehen werden. Durch das
Bahnprojekt floß massiv deutsches Kapital in die Türkei. Die dafür getätigten
Anleihen auf dem deutschen Markt führten zu einer immer engeren Bindung der
Türkei an Deutschland. Einhergehend mit dem Bahnprojekt setzte Deutschland
weitere Wirtschaftsprojekte durch, die, wie bereits dargestellt, strategische
Bedeutung hatten. Die Bahn war somit Symbol, Schrittmacher und Haupterfolg der
vom deutschen Kapital und der deutschen Außenpolitik betriebenen Durchdringung
des Osmanischen Reiches. Die Angst der Entente war die Angst vor den Erfolgen
dieser Wühlarbiet auf wirtschaftlichem, politischem, militärischem und
kulturellem Gebiet. Wenn auch die geostrategischen Überlegungen etwa eines Paul
Rohrbach nicht in der Praxis getestet werden konnten, so stellt allein das
massive Eindringen des deutschen Einflusses in eine traditionelle Einflußzone
der Ententemächte eine Provokation dar. Wenn der deutsche Einfluß zunahm, mußten zugleich andere Mächte Einbußen hinnehmen.
Die Bagdadbahn wurde als wichtigstes Projekt des deutschen Imperialismus in der
Türkei angegriffen. Wenn sie gestoppt worden wäre, hätte dies auch anderen
deutschen Projekten den Boden entzogen. Zugleich galt die Bahn in Deutschland
ebenso wie bei seinen späteren Gegnern neben der Kriegsflotte als das
herausragende Symbol für deutsche Weltpolitik und wurde als solches öffentlich
propagiert beziehungsweise attackiert. Gegen dieses herausgehobene Objekt ließ
sich einfacher Opposition mobilisieren, als gegen die vielen kleinen Projekte im
Schlepptau der Bagdadbahn. Doch gerade die mit der Bahn verbundenen
militärischen, politischen und kulturellen Projekte waren es, die sie zu einem
Instrument des Imperialismus werden ließ. Der Widerstand Englands und der
Entente wird nur verständlich, wenn auch die "geopolitischen und ideologischen
Prämissen" mitgedacht werden, die aus dem Wirtschaftsprojekt Bagdadbahn erst ein
Politikum machten.
5. Von der Militärmission zur Waffenbrüderschaft
5.1. Fragen zur Militärhilfe
Zwischen der Türkei und Preußen, beziehungsweise Deutschland, besteht eine sehr
lange Tradition der militärischen Zusammenarbeit, die bis zum heutigen Tag
anhält. Es gibt Hinweise, daß Preußen schon unter Friedrich dem Großen bei der
Reorganisation der türkischen Armee halfen. Dem Preußenkönig Friedrich II.
schwebte auch ein Militärbündnis mit der Türkei vor. Immer wieder standen
preußische Militärberater den osmanischen Sultanen beim Aufbau der Armee zur
Verfügung.[192] Die Mission des späteren General-Feldmarschalls Graf Helmuth von
Moltke in der 30er Jahren des 19.Jahrhunderts wurde zur Legende in der Türkei
und in Deutschland.[193] Diese Militärmission legte einen Grundstein für weitere
preußisch-deutsche Militärberater und weitere Militärmissionen unter Männern wie
von der Goltz und Liman von Sanders. Ihren vorläufigen Höhepunkt fand diese
Waffenbrüderschaft im deutsch-türkischen Militärbündnis im Ersten Weltkrieg.
Neben der wirtschaftlichen Durchdringung der Türkei, oder genauer im Einklang
hiermit, war die militärische Zusammenarbeit das wichtigste Feld
deutsch-türkischer Beziehungen. Bei der Bewertung dieser Beziehungen gehen
allerdings die Meinungen sowohl der Beteiligten, als auch der Historiker
auseinander. Der Generalstäbler und Missionsteilnehmer Carl Mühlmann schreibt so
nach dem Ersten Weltkrieg: "Ebenso wie in der deutschen Wirtschaftsgeschichte
die Bagdadbahn im politischen und wirtschaftlichen Kalkül allmählich eine
Bedeutung gewann, die ein Zurückweichen kaum noch gestattete, so entstanden
auch auf anderen Gebieten des Nahen Orients in der Vorkriegszeit oft nicht durch
deutsche, sondern durch fremde Initiativen Lagen, wo es für die deutsche Politik
kein Zurück mehr gab, es sei denn auf Kosten schon gewonnener wertvoller
Positionen. Hierzu gehört das Kapitel der Berufung der deutschen Militärmission
nach der Türkei, ein Akt, der auf die Ausgestaltung der deutsch-türkischen
Beziehungen von tief eingreifender Bedeutung geworden ist, der aber auch das
deutsch-russische Verhältnis nachhaltig beeinflußt hat."[194] Daß die
militärische Zusammenarbeit politische Folgen nach sich zog, wird auch von
keiner Seite geleugnet, lediglich die Frage nach ihrer Gewichtung stellt sich
dem Historiker. Umstritten ist allerdings, ob Militärmission und Rüstungshilfe
an sich auch politische Ursachen hatten oder rein militärischen Motiven
entsprang. Gerade die ehemaligen Träger der Militärmission versuchen in ihren
Nachkriegsschriften und Memoiren den Eindruck zu erwecken, die Mission wäre fern
jeder politischen Intention eingerichtet worden und im Wesentlichen wären auch
die türkischen und nicht die deutschen Interessen ausschlaggebend gewesen.
Beispielsweise veröffentlichte das "Institut für Auswärtige Politik" in Hamburg
Mühlmanns Untersuchungen, um zu erhellen, "daß die Entsendung der deutschen
Militärmission im Jahre 1913 türkischen Wünschen, türkischen
Zweckmäßigkeitserwägungen entsprang und deutscherseits unter rein militärischen,
d.h. eben nicht - und leider nicht- unter politischen Gesichtspunkten erfolgt
ist".[195] Dieser Standpunkt reiht sich ein in die schon seit Bismarck bekannte
Behauptung, Deutschland vefüge im Osmanischen Reich über keinerlei politische
Intentionen, man wolle nur den Türken helfen und nur wirtschaftliche Interessen
vertreten.
Als stellvertretend für die Historiker, die die deutsch-türkische
Waffenbrüderschaft unter dem Blickwinkel der Kriegsursachen sehen, kann der
DDR-Historiker Lothar Rathmann gelten, der in der militärischen Zusammenarbeit
gezieltes politisches Kalkül der deutschen Seite sieht: "Parallel zu den
Aktionen der politischen Zentrale verstärkte seit dem Ausgang des
19.Jahrhunderts auch der preußische Generalstab, `das Gehirn des in Deutschland
allmächtigen preußischen Militarismus´, seine Wühltätigkeit in der Türkei. Er
stellte sich die Aufgabe, die Großoffensive des deutschen Imperialismus zur
Beherrschung des Osmanischen Reiches auf dem militärischen Sektor
vorzubereiten."[196]
Neben der Frage nach der Intention der Militärhilfe stellt sich auch die Frage
nach ihrer tatsächlichen Effektivität. Während aufbauend auf der
"Moltke-Legende" auch ähnliche Legenden um den Einfluß der Leiter der
Militärmission, Kaehler, Goltz und Sanders aufgebaut wurden, finden sich auch
reichlich desillusionierende gegenteilige Berichte. Beispielsweise hinterläßt
Liman von Sanders, von vielen als Schlüsselfigur deutsch-türkischer Beziehungen
vor und während des Krieges gesehen, in seinen Memoiren ein anderes Bild. Sowohl
von deutscher als auch türkischer politischer Seite wäre dauernd versucht
worden, den Erfolg seiner Mission zu verhindern, sein Einfluß auf die türkischen
Soldaten sei gering gewesen, seine Anweisungen kaum befolgt worden.[197]
Im Zusammenhang mit der Strategie der "pénétration pacifique" in der Türkei soll
auch noch aufgezeigt werden, wie eng militärische Beziehungen und
wirtschaftliche Erfolge verknüpft waren. Eng verbunden mit der Militärmission in
der Türkei war schließlich auch ein größeres Programm von Rüstungsexporten aus
Deutschland, dem die wirtschaftliche Erschließung für das deutsche Kapital bis
hin zur Bagdadbahn folgte.
Die aufgezeigte Problematik kann dazu dienen, den Platz der militärischen
Zusammenarbeit im Kontext der deutsch-türkischen Beziehungen, ebenso wie ihre
Rolle im Spannungsfeld der Großmächte einzugrenzen.
5.2. Die Hintergründe der deutschen Militärmission
Zwar gab es schon eine preußisch-deutsche Militärhilfe vor Gründung des
Deutschen Reiches. Diese Berater und Instrukteure der türkischen Armee, allen
voran Helmuth von Moltke, sollen hier nicht behandelt werden. Es ist lediglich
wichtig zu wissen, daß ihr Beispiel die Grundlage für alles weitere Engagement
auf diesem Gebiet bedeutete. Dadurch, daß einmal die Moltke-Legende geschaffen
wurde, zu einer Zeit, als Preußen sicherlich keinerlei territoriale Interessen
in der Türkei verfolgte, konnten sich die deutschen Militärberater immer wieder
auf ihre traditionelle, angeblich rein militärische Funktion fernab jeder
Politik berufen.[198]
Unter Bismarck entstand aus der sporadischen Zusammenarbeit die Militärmission.
Der türkische Sultan Abdul Hamid zog aus der türkischen Niederlage gegen Rußland
1877/1878 den Schluß, auswärtige Hilfe für die Reorganisation und Kräftigung der
Truppe zu erbitten. Die Reorganisation war einerseits für die äußere
Verteidigung gegen Rußland und andere Mächte dringend geboten, andererseits sah
sich der Sultan auch durch die anwachsende jungtürkische Bewegung und durch
nationale Aufstände ethnischer Minderheiten in den kurdischen und arabischen
Teilen des Osmanischen Reiches bedroht. =samaDas Deutsche Reich schien ihm als
Partner für die Militärhilfe am geeignetsten. Auf militärischem Gebiet hatte die
preußische Armee ihre Disziplin und Schlagkraft im deutsch-französischen Krieg
1870/1871 erneut unter Beweis gestellt. Und vom deutschen Reich schien dem
Sultan im Unterschied zu den Kolonialmächten England und Frankreich die
geringere Gefahr zu drohen. Das wirtschaftliche Engagement der anderen Mächte
dominierte die Türkei. Demgegenüber stand Bismarcks offizielle Haltung, wonach
die orientalische Frage für Deutschland noch nicht den Einsatz "der Knochen
eines pommerschen Grenadiers"[199] wert sei.[200]
Bismarck kam der Bitte nach Entsendung von Offizieren für die Armee und
Verwaltungsbeamten für den Staatsapparat nach längeren Überlegungen und
Konsultationen nach. Zuvor hatte es Gespräche mit dem Generalstab und -
entscheidend für die weitere Entwicklung - mit Rüstungsindustriellen,
insbesondere dem Hause Krupp, gegeben.[201] Nachdem Bismarck die Frage mit dem
Bündnispartner Österreich-Ungarn geklärt hatte und hier die türkische Armee
nicht als Gegner empfunden wurde, die Beziehungen zwischen Wien und Berlin also
nicht gefährdet werden konnten, erklärte Bismarck dem Kaiser seine Gründe für
die Bewilligung der Mission. Er sah die neue Mission in der Tradition der
bisherigen Hilfe und meinte, die anderen Mächte würden auch lieber deutsche
Offiziere sehen, als einen steigenden Einfluß der schon in der Türkei aktiven
Großmächte zu dulden. Ausschlaggebend für Bismarck waren aber politische Motive.
"Für die dazu berufenen Offiziere würde das Kommando die Gelegenheit bieten,
ihre Ausbildung und Erfahrung in ungewohnten Verhältnissen zu fördern, und Ew.
Regierung würde vermehrte Mittel zum Einfluß auf die Türkei gewinnen" erklärte
der Kanzler dem Kaiser.[202] Auch sah Bismarck die Möglichkeit, über die Mission
"Einfluß und Berichterstattung" zu erlangen.[203] Unter Berichterstattung ist
wohl nachrichtendienstliche Tätigkeit im Militärbereich zu verstehen.
Allerdings suchte Bismarck alles zu vermeiden, was die Mission in politischem
statt lediglich militärtechnischem Licht erscheinen ließ. Den Offizieren der
Mission in Konstantinopel war offiziell die Einmischung in die Politik verboten,
auch vermied es die deutsche Regierung, nach außen politische Unterstützung für
die Mission zu geben. Es ging Bismarck offensichtlich weniger um den Einfluß,
den die Offiziere direkt auf türkische Politiker ausüben könnten, als um den
allgemeinen deutschen Einfluß auf die Türkei. Ziel war vordringlich, die Türkei
zum Freund zu haben und ihren Anschluß an antideutsche Allianzen zu verhindern.
"Ein Dienst, den wir der Pforte aus politischer Gefälligkeit erweisen" nannte
Bismarck die Entsendung der Offiziere.[204] Vordringlich war die Erhaltung und
Festigung der deutschen Freundschaft mit dem Sultan Abdul Hamid. Hier konnte
Deutschland diplomatisch und politisch wirken, während die Militärs dem Sultan
das deutsche Wohlwollen bestätigten.[205]
Ein wichtiger strategischer Gedanke bei Einrichtung der Militärmission war auch
die Möglichkeit, die Türkei im Falle eines europäischen Krieges zum Waffenbruder
zu haben. Die Gefahr eines Zweifrontenkrieges lastete auf Deutschland. Die
Türkei konnte in einem solchen Fall ihre Stellung als Flankenmacht Rußlands im
Kaukasus ausnutzen, um einen potentiellen Gegner Deutschlands hier entscheidend
zu schwächen, Truppen zu binden und Rußland seinerseits in einen
Zweifrontenkrieg zu verwickeln. Dieses strategische Ziel sieht der
Militärhistoriker Bernd Schulte sogar im "Zentrum deutscher Orientpolitk".[206]
Der spätere Missionsleiter Comar von der Goltz sah zudem die Möglichkeit der
Türkei, auch dem potentiellen deutschen Kriegsgegner England in dessen
strategischer Verbindungslinie nach Indien und Ostasien "einen tödlichen Stoß zu
versetzten."[207] An einer starken und gut organisierten türkischen Armee nach
deutschem Muster war Deutschland so aus strategischen Motiven interessiert.
Die erste offizielle deutsche Militärmission in der Türkei war - entgegen
anderslautender Behauptungen - von Anfang an politisch motiviert. Der Historiker
Lothar Rathmann faßt die politischen Ziele, die mit den Militärmissionen von
Bismarck bis zum Ersten Weltkrieg verbunden waren, zusammen: "Die Gewinnung von
politischem und militärischem Einfluß in der Türkei, die Kontrolle über die
Tätigkeit der fremden Mächte in Konstantinopel, vor allem ihrer Militärattachés,
und die Belieferung der türkischen Armee mit deutschen Waffen. Schließlich
dachte Bismarck auch an die militärische Aufrüstung der Türkei gegen Rußland und
den militärischen Einsatz ihres von deutschen Instrukteuren geführten Heeres im
Falle eines deutsch-russischen Krieges ... ."[208]
5.3. Die Arbeit der deutschen Militärmissionen
5.3.1. Der Widerstand des Sultans
Am 29.Juni 1882 traten nach Genehmigung des Kaisers vier deutsche Offiziere,
darunter der Leiter der Militärmission Oberst Kaehler, in die türkische Armee
ein. 1883 trat auch General Colmar von der Goltz seinen Ausbildungsdienst an der
Gneralstabsschule an. 1884 begann Korvettenkapitän Starke seinen Dienst als
Marieneberater. General von der Goltz folgte nach Kaehlers Tod auf den Posten
des Missionsleiters im türkischen Generalstab. Die Ära von der Goltz sollte
gerade durch die Verbindung der Militärmission mit intensiver wirtschaftlicher
Durchdringung einen wichtigen Schritt in den deutsch-türkischen Beziehungen
bedeuten.[209]
Die deutschen Offiziere sollten bei ihrer Reformertätigkeit mit einem
grundsätzlichen Problem konfrontiert werden: mit dem generellen Unwillen und der
Sabotage des Sultans gegen jegliche Verbesserungen. Abdul Hamid, selbst durch
einen Militärputsch an die Macht gelangt, litt unter der Furcht, ebenso auch
wieder gestürzt zu werden.[210] Schien es ihm zur Abschreckung der
imperialistischen Mächte und um gegenüber dem türkischen Volk und der
jungtürkischen Opposition als modernisierungswilliger Herrscher zu erscheinen,
notwendig, die deutschen Reformer in seine Dienste zu stellen, so tat er doch
alles, deren Erfolge zu verhindern. Vorschläge zur Armeereform wurden
verschleppt oder einfach nicht befolgt und die deutschen Offiziere in sinnlose
und zeitaufwendige Ausschüsse entsand, deren Einfluß gleich null war.[211] Auch
die Ausbildungsarbeit wurde durch die Weigerung, an die auszubildenden
Truppenteile scharfe Munition, die sich ja auch gegen den Sultan einsetzten
ließe, auszuhändigen, behindert.[212] Bald sollte das Verhalten der türkischen
Führung von den preußischen Offizieren als "passiver Widerstand" gegen die
Reformen bezeichnet werden.[213]
Daß die Militärmission trotz der wiederholten Klagen über ihre praktische
Erfolgslosigkeit durch Kaehler und später von der Goltz in der Türkei belassen
wurde, ist ein weiterer Beweis der politischen Interessen Deutschlands, die hier
über den militärischen stehen. Würden die deutschen Offiziere auf Grund der
militärischen Sinnlosigkeit ihres Aufenthaltes aus der Türkei abgezogen werden,
bestand die Gefahr, daß ihre Positionen durch Offiziere anderer Großmächte
übernommen würden. Botschafter Radolin erklärte folgerichtig dem Reichskanzler:
"Wenn aus politischen Gründen es nicht zweckmäßig erscheint, eine Tätigkeit
aufzugeben, die den Erwartungen nicht entspricht, so bleibt eben nichts übrig,
als sich in das Unabänderliche zu fügen, sich mit geringeren Erfolg zufrieden zu
geben und seine Erwartungen herabzusetzten, desungeachtet aber mit Zähigkeit und
Fleiß an dem begonnenen Werke festzuhalten, um nur nicht seinen Platz fremden
Elementen einzuräumen, anstatt den Mut zu verlieren und die Flinte ins Korn zu
werfen, weil eben nicht alles so ist wie in Preußen."[214] Es galt vor allem,
sich die Gunst des Sultans zu erhalten und hierfür gute Miene zum bösen Spiel zu
machen. Das Motiv der Stärkung und Erhaltung der Türkei durch deutsche
Militärhilfe bestand natürlich fort, konnte aber unter den gegebenen Umständen
nur schleppend angegangen werden. Erfolgreich im deutschen Sinne waren
allerdings die Rüstungsbestellungen bei der deutschen Industrie, die durch die
Lobby-Tätigkeit der deutschen Militärberater zustandekamen. Auch deshalb schien
ein Abziehen der Mission nicht ratsam.
Nach dem Abschied General von der Goltz`am 1.November 1895 entschloß sich die
deutsche Botschaft zur Einrichtung einer Militärattachéstelle. Die Tätigkeit der
deutschen Militärattachés, darunter von Morgen und von Strempel, bestand in der
regelmäßigen Berichterstattung über die türkischen Militärverhältnisse an die
deutsche Heeresleitung, in der Beschaffung von Rüstungsaufträgen und in der
Besetzung von einflußreichen Armeeposten mit deutschen Reformoffizieren.[215]
Durch diese Zielgebung wurden die politischen Motive der Mission erneut
offensichtlich.
5.3.2. Schaffung eines prodeutschen Kerns in der Armee
Zu den Erfolgen der Missionen Kaehlers und von der Goltz` gehört zweifellos die
Ausbildung türkischer Soldaten in Deutschland. Durch diese, vom deutschen
Generalstab begrüßte Maßnahme, konnte ein im preußischen Geist erzogener
prodeutscher Kern in der türkischen Armee geschaffen werden, der später gerade
im politischen Bereich eine wichtige Rolle spielen sollte.[216] Als 1909 das
jungtürkische "Komitee für Einheit und Fortschritt" in den revolutionären Wirren
an die Macht gelangte und Deutschlands langjähriger Freund Abdul Hamid in die
Verbannung geschickt wurde, zeigten sich die späten Erfolge des preußischen
Erziehungsprogrammes.[217] Obwohl es unter den Jungtürken starke pro-englische
und deutschfeindliche Strömungen gab, sahen weder der deutsche Botschafter
Marschall noch der Kaiser selbst eine ernste Gefahr in dem Machtwechsel. Für
Marschall ist "das Gerede von deutschfeindlichen Stimmungen durch die Tatsache
genügend widerlegt, daß die jüngste Bewegung alle die tüchtigen Offiziere, die
in Deutschland gedient haben, die für die deutsche Armee schwärmen und
entschlossen sind, die Reorganisation des türkischen Heeres nach ihrem Muster
durchzuführen, zu den höchsten und einflußreichsten Kommandostellen
emporgebracht hat".[218] Und Kaiser Wilhelm II. geht zuletzt so weit, die
Revolution an sich als deutschen Erfolg auszugeben, wurde sie doch seiner
Meinung nach "ausschließlich von den in Deutschland erzogenen `sog. Deutschen
Offizieren´ gemacht".[219]
Waren in den letzten 25 Jahren über 100 türkische Offiziere in der preußischen
Truppe ausgebildet worden, so hatten nun tatsächlich viele von ihnen in der
Armee wie auch in der jungtürkischen Politik wichtige Posten erlangt.[220] Eine
Folge davon war, daß im Mai 1909 auf Wunsch des türkischen Generalstabschefs
Izzet-Pascha der mittlerweile zum Generaloberst aufgestiegene Colmar von der
Goltz wieder in türkische Armeedienste berufen wurde. Fürst Bülow kommentierte
treffend: "Er darf sich nicht bloßstellen, soll uns aber die Türken militärisch,
politisch und wirtschaftlich halten, gewinnen und an uns ketten."[221] Durch
solche langjährige "Wühlarbeit" hatte sich der deutsche Imperialismus in der
Türkei feste Freunde geschaffen, die tatkräftig mithalfen, auch nach der
jungtürkischen Revolution den deutschen Einfluß zu erhalten. Es ist wohl kein
Zufall, daß auch hier der Hauptnutzen für Deutschland ein politischer und nicht
ein militärischer war.
5.4. Die Liman-von Sanders-Mission
5.4.1. Die Hintergründe der Liman-Mission
Welche Rolle die militärische Zusammenarbeit im Rahmen deutsch-türkischer
Beziehungen vor dem Ersten Weltkrieg spielte und welchen Einfluß das Deutsche
Reich 1913/1914 erreicht hat, kann an der Liman-von-Sanders-Mission deutlich
gemacht werden. Hier zeigt sich, welcher Platz in der deutschen
Expansionsstrategie der Militärmission zugedacht war. Gleichzeitig tritt hier
die ungelöste Orientalische Frage mit den widersprüchlichen Interessen der
Großmächte in den Vordergrund, die Bestandteil der Konflikte sein sollte, die
schließlich zum Weltkrieg führten.[222]
Im Balkankrieg war die türkische Armee überraschend und vernichtend geschlagen
worden. Um den Bestand des labilen Osmanischen Reiches auch nur annähernd zu
sichern, war die Wiederherstellung der türkischen Verteidigungsfähigkeit gegen
äußere Aggressoren, als auch die Durchsetzung der Herrschaft über rebellische
Volksgruppen im Reich dringend geboten. Nach kurzem Zögern kam die türkische
Führung zu der Einsicht, mit dieser Aufgabe die schon gewohnte Hilfe deutscher
Offiziere anzufordern. Neben der türkischen Führung, für die die Reorganisation
der Truppe lebensnotwendig war, war diese Frage auch ein Grundinteresse der
deutschen Außenpolitik. Carl Mühlmann, der Adjutant von General Liman von
Sanders, sieht hier den entscheidenden Punkt der Liman-Affaire: "Das angestrebte
Ziel, die Heranbildung einer schlagkräftigen Waffe, trat aber aus dem Rahmen
einer rein militärischen Angelegenheit heraus und erhielt starke politische
Bedeutung. Denn die Ertüchtigung der Armee war gleichbedeutend mit einer
Erstarkung der Türkei, größerer deutscher Einfluß auf die Armee hob auch den
politischen Einfluß Deutschlands in Konstantinopel. Die Frage der
Armeereorganisation durch Deutschland rollte also das Türkenproblem auf; sie
nötigte die Großmächte, zu dieser Frage sowohl vom Standpunkt ihrer Orient-, als
auch vom Standpunkt ihrer Deutschlandpolitik Stellung zu nehmen."[223]
Der Erhalt des Osmanischen Reiches und die Stärkung seiner Wehrkraft waren im
deutschen Interesse, da nur so eine baldige Aufteilung unter den Großmächten
verhindert werden konnte. Die wirtschaftlichen Investitionen, allen voran die
Bahnbauten, mußten gesichert werden. Botschafter Wangenheim erklärte hierzu:
"Deutschland, welches die Türkei erhalten will, hat daher nach meiner
unmaßgeblichen Ansicht ein hervorragendes Interesse daran, die
Reformbestrebungen Mahmud Schewkets zu unterstützen."[224]
Daß der Zerfallsprozeß nicht mehr völlig aufgehalten oder gar rückgängig gemacht
werden konnte, war auch auf deutscher Seite nach der Erfahrung des
Zusammenbruchs der türkischen Truppe im Oktober und November 1912 erkannt
worden. Dieser Zusammenbruch führte auf der deutschen Seite zur verstärkten
politischen und militärischen Orientierung auf einen kommenden Krieg.[225]
"Erwiesen sich aber die auflösenden Tendenzen stärker als die für die
Konsolidierung sich einsetzenden Kräfte, so sollte wenigstens verhindert werden,
daß bei neuen Aufteilungen Deutschland wiederum übergangen oder nur ungenügend
bedacht wurde. Es konnten aber um so stärkere Ansprüche geltend gemacht werden,
je mehr deutsche Belange in der Türkei vertreten waren", so führt der
Generalstäbler Mühlmann in ungewohnter Deutlichkeit das imperialistische
Nahostprogramm Deutschlands aus.[226] Die Sozialdemokratin Rosa Luxemburg,
scharfe Kritikerin des Imperialismus, kam zu denselben Schlüssen: "Es ist nach
alldem klar, daß im Interesse des deutschen Imperialismus die Stärkung der
türkischen Staatsmacht liegt, soweit, daß ihr vorzeitiger Zerfall verhütet wird.
Eine beschleunigte Liquidation der Türkei würde zu ihrer Verteilung unter
England, Rußland, Italien, Griechenland und anderen führen, womit für die großen
Operationen des deutschen Kapitals die einzigartige Basis verschwinden
müßte."[227] Galt bislang, daß Deutschland keine formelle Kolonialherrschaft
über Teile der Türkei zu errichten wünschte und derartige Forderungen von
alldeutscher Seite auch vehement zurückgewiesen wurden, um den Weg für die
friedliche Durchdringung mittels der Bagdadbahnstrategie zu ebnen, so änderte
sich dies kurz vor dem Krieg. Die Erfahrung der Schwäche und des weiteren
Zerfalls des Osmanischen Reiches im Balkankrieg, ebenso wie die Abgrenzung der
Einflußzonen durch die Großbanken und Wirtschaftsmonopole der Großmächte machten
deutlich, daß eine Aufteilung der osmanischen Erbmaße nur noch eine Frage der
Zeit war. Auch Deutschland mußte, wollte es hier nicht hintenanstehen, schon
jetzt seinen Einfluß konsolidieren.[228] Für die deutsche Orient-Politik dieser
Jahre war die Furcht vor einem "zweiten Marokko", einem erneuten Leerausgehen,
diesmal bei Aufteilung der Türkei, bestimmend.[229]
In diesem internationalen Wettlauf um Einfluß und Macht in der Türkei spielte
die neue Militärmission von Anfang an eine herausragende Rolle. Der deutsche
Botschafter in Konstantinopel Freiherr von Wangenheim betonte das Ziel, Einfluß
zu gewinnen, in einem Schreiben vom 26.April 1913 gegenüber dem Reichskanzler
von Bethmann-Hollweg ausdrücklich: "Die Macht, welche die Armee kontrolliert,
wird in der Türkei immer die stärkste sein. Es wird keiner deutschfeindlichen
Regierung möglich sein, sich am Ruder zu halten, wenn die Armee von uns
kontrolliert wird. ... Auch die Betrauung Deutschlands mit der Reform des
Unterrichtswesens eröffnet uns vorläufig noch gar nicht absehbare Möglichkeiten,
das türkische Volk mit deutschem Geiste zu durchdringen und mittels der
türkischen Staatsmaschine Aufgaben zu erfüllen, für welche wir bisher unsere
Schulen in der Türkei mit Reichsmitteln haben ausstatten müssen."[230] In diesem
Brief erklärt der für die Mission an vorderster Stelle verantwortliche Diplomat,
was der europäischen Öffentlichkeit wie den türkischen Machthabern tunlichst
verschwiegen wurde: Es geht nicht nur um Militär-"Hilfe", sondern um die
deutsche Kontrolle der Armee, die als eigentlicher Machtfaktor in der Türkei
erkannt wurde. Diese Kontrolle soll auch gegen den möglichen Widerstand einer
antideutschen Regierung aufrechterhalten werden. Ziel ist also in den Augen des
Diplomaten Wangenheim die Errichtung eines deutschen Militärprotektorats in der
Türkei. Damit verbunden ist auch eine weitere Offensive in der Verbreitung des
"Deutschtums". Hier soll offensichtlich eine willfährige türkische
Kompradorenschicht gezüchtet und der anglo-französische Einfluß zurückgedrängt
werden. Für die absehbare Gefahr eines weiteren Zerbrechens des Osmanischen
Reiches könnte Deutschland dann mit kollaborationsbereiten türkischen Helfern
rechnen. In den Augen des Kaisers war die Zukunft schon klar: "Ich nehme
Mesopotamien, Alexandrette, Mersina! Die einsichtigen Türken erwarten dies
Schicksal bereits in Geduld."[231]
Daß ein deutsches Interesse an einer Reorganisation der türkischen Armee mittels
deutscher Instrukteure bestand, hatte noch einen weiteren Grund. Für die
Niederlage der türkischen Armee im Balkankrieg wurden in der internationalen
Presse und von jungtürkischer Seite die deutsche Wehrtechnik, mit der die
türkische Truppe ausgerüstet war, sowie die von der deutschen Militärmission
geleitete Armeereform und Ausbildung verantwortlich gemacht.[232] Sicherlich
standen hinter dieser Kampagne die Interessen der anglo-französischen
Rüstungskonzerne im Wettstreit gegen Krupp. Dennoch hatte diese Pressekampagne
auch ihre politischen Folgen. Wenn Deutschlands Prestige auf dem militärischen
Gebiet entfallen würde, die Tradition der Moltke-Legende der Vergangenheit
angehören sollte, würden auch andere Bereiche deutsch-türkischer Beziehungen
geschmälert werden. Insbesondere die deutschen Bahnbauten wären akut
gefährdet.[233] Botschafter Wangenheim sah in einer erneuten Berufung einer
deutschen Militärmission die beste Möglichkeit, die Kritiker der deutschen
Ausbildung zum Schweigen zu bringen. Auch gelte es, der Bereitschaft anderer
Mächte, an Deutschlands Stelle zu treten, entgegenzuwirken.[234]
Schließlich war für die verantwortlichen Politiker aller Länder 1913 absehbar,
daß ein größerer europäischer Krieg, wenn nicht sogar ein Weltkrieg, in
absehbarer Zeit drohte. Es war für alle Großmächte eine Phase der Konsolidierung
ihrer Bündnisse und der Suche nach neuen Partnern. Die Blockbildung in Form von
Dreibund und Entente war weit fortgeschritten, gerade im Dreibund zeigten sich
aber Unklarheiten über die Haltung des Partners Italien. Im Falle eines
europäischen Krieges bestand für Deutschland die Gefahr, in einem
Zweifrontenkrieg aufgerieben zu werden. Ein wichtiger potentieller Partner für
den Kriegsfall war hier die Türkei. "Im Besitz wichtiger Schlüsselstellungen zur
politischen Herrschaft in Vorderasien, Nordafrika und Südost-Europa war die
Türkei, ihre militärische Bereitschaft vorausgesetzt, imstande, in einem
kommenden Weltkriege Aufgaben zu übernehmen, die außerhalb des Bereiches der
Mittelmächte liegend, zu einem für diese siegreichen Ausgang des Ringens
beitragen konnten."[235] Wie bereits aufgezeigt, gab es diese Überlegungen schon
unter Bismarck bei Einrichtung der ersten deutschen Militärmission. Der
zionistisch-deutsche Orientpropagandist Davis Trietsch hatte, allerdings noch
1912 vor der überraschenden türkischen Niederlage im Balkankrieg, euphorisch
erklärt, ein deutsch-österreichisch-türkisches Bündnis wäre militärisch
unangreifbar.[236]
Unter dem Eindruck des ersten Balkankrieges sah der Kaiser Deutschland Ende 1912
völlig isoliert und eingekreist. Auf einer Konferenz vom 8.Dezember 1912
beauftragte er seinen Staatssekretär des Äußeren von Kiderlen-Wächter,
Militärabkommen mit der Türkei und weiteren, bisher unabhängigen Staaten für den
kommenden Krieg zu schließen.[237] 1913 war der Abschluß eines solchen
Militärbündnisses noch längst nicht zwingend, auch wenn er von deutscher Seite
durchaus positiv ins Auge gefaßt wurde. Dieser Umstand sollte bei der
Beurteilung der Liman-Mission berücksichtigt werden.
Während einer geheimen Abschiedsaudienz am 9.Dezember 1913 für die Mitglieder
der neuen Militärmission faßte der Kaiser noch einmal alle Ziele zusammen:
"1. Germanisierung der türkischen Armee durch Führung und unmittelbare Kontrolle
der Organisationstätigkeit des türkischen Kriegsministeriums.
2.Aufmerksame Beobachtung und strenge Kontrolle der Politik anderer Mächte in
der Türkei.
3. Unterstützung und Entwicklung der türkischen Militärmacht in Kleinasien so
weit, daß sie als Gegengewicht gegen die aggressiven Absichten Rußlands dienen
kann.
4. Die Behauptung der dominierenden deutschen Autorität und des Einflusses auf
Fragen der Außenpolitk."[238]
Neben diesen in äußerster Deutlichkeit geäußerten politischen Absichten betonte
der Kaiser noch das Fernziel der Mission, die Annektion eines Teils der Türkei
bei ihrer Aufteilung durch die Großmächte: "Von den Mitgliedern der Mission wird
es abhängen, die Sympathie der türkischen Soldaten zu erringen und für mich eine
neue starke Armee zu schaffen, die meinen Befehlen gehorcht. ... Ihr seid in der
Tat Pioniere bei der in Zukunft bevorstehenden Aufteilung der Türkei."[239]
Deutlicher können die aggressiven Pläne des deutschen Imperialismus kaum
geäußert werden. Die Furcht vor den starken Gegnern Deutschlands und natürlich
vor antideutschen Kreisen in der türkischen Führung verboten es der deutschen
Regierung allerdings, diese Gedanken vor dem Krieg in der Öffentlichkeit zu
äußern.
5.4.2. Jungtürkische und deutsche Interessen
Erste Gerüchte über eine neue deutsche Militärmission gelangten schon Anfang
1913, während des ersten Balkankrieges, an das Auswärtige Amt. General Liman von
Sanders erklärte in seinen Memoiren nach dem Krieg, die neue Mission sei auf
Initiative des deutschen Botschafters von Wangenheim zurückzuführen.[240] Einige
sowjetische Historiker, die so eine besondere Agressivität des deutschen
Imperialismus zu beweisen suchten, griffen diese Darstellung zu Unrecht
bereitwillig auf.[241] Da das französische und englische Kapital über stärkere
Positionen als das deutsche in der Türkei verfügte, ist es allerdings
unverständlich, warum gerade Deutschland der türkischen Führung gegen deren
Willen eine Militärmission aufzwingen könnte, suchten doch zu diesem Zeitpunkt
auch die anderen imperialistischen Nationen ihren Einfluß auf die Türkei zu
stärken. Es gibt auch keinen Grund, den Anteil der jungtürkischen Führung am
Zustandekommen der Mission zu verringern. Hans Herzfeld erklärt richtig[242]:
"Die Entstehungsgeschichte der Mission ist zu verstehen aus jener allgemeinen
Stimmung des Jahres 1913, die bis zur Wiedereroberung von Adrianopel die Türkei
nach den Niederlagen des ersten Balkankrieges zunächst verloren glaubte. Aus
dieser Situation erklärt sich der verzweifelte Rettungsversuch des leitenden
jungtürkischen Staatsmannes Mahmud Schewket Pascha, der den Ausgangspunkt der
Limanmission bilden sollte. Er wollte die Rivalität der Großmächte um das
türkische Erbe seinem schwankenden Staate durch ihre möglichst allseitige
Heranziehung zu dem unvermeidlichen Reformwerk nutzbar machen."[243] Die
jungtürkische Führung hatte allerdings weitergehende Ziele. Um von der
Niederlage im Balkankrieg und der wachsenden Unzufriedenheit der Bevölkerung des
Osmanischen Reiches abzulenken, zielte das türkische Regime auf eine
aggressivere, auf Eroberungen ausgerichtete Außenpolitik.[244] Die Ideologie des
Pan-Islamismus und des Pan-Turanismus verschmolzen zu einem spezifischen
türkischen Expansionismus mit weitreichenden Eroberungszielen.[245] Hierfür war
eine Kräftigung der Armee erste Vorraussetzung. Daß die Türken wiederum auf
deutsche Militärberater zurückgriffen, ist neben der erwarteten Effizienz
insbesondere auch durch die langjährige Wühlarbeit der Deutschen im türkischen
Militär zu erklären. Die Beeinflußung durch Kaehler, Goltz und andere deutsche
Offiziere, ebenso wie die militärische Erziehung, die ein Teil der Jungtürken in
Deutschland erhalten hatte, trugen nun Früchte.[246] Für die deutsche Seite war
der türkische Wunsch nach Militärhilfe ein Glücksfall, der ausgenutzt werden
konnte, um im eigenen imperialistischen Interesse zu neuem Einfluß in der Türkei
zu gelangen. Die reaktionären Interessen Deutschlands und der Türkei ergänzten
sich und es ist letztlich unwesentlich, wer die erneute Militärmission zuerst
erdachte.
5.4.3. Die Liman-Affaire
Die offizielle Anfrage der Türkei nach Entsendung eines deutschen Generals zur
Reorganisation der Armee erfolgte schließlich am 22.Mai 1913. Auf deutscher
Seite entschied man sich für den Kommandeur der 22. Division in Kassel, den
Generalleutnant Liman von Sanders. Die Ermordung Schewket Paschas und die
unklare Situation in der Türkei verzögerten den Beginn der Mission. Erst im
November erhielt General Liman die Genehmigung des Kaisers zur Unterzeichung des
Vertrages, nachdem dieser von der deutschen Militärführung und dem Auswärtigen
Amt ebenso wie vom türkischen Ministerrat gebilligt worden war. Um nach den
schlechten Erfahrungen der vergangenen Missionen - der Erfolg der deutschen
Berater wird als sehr mäßig eingestuft - diesmal eine wirkliche Kräftigung und
Reorganisation der Truppe zu erreichen, sind die Türken bereit, dem General als
Chef der Mission weitgehende Rechte einzuräumen. Die deutsche Seite hatte nach
der angeblich durch ihre Ausbildung verursachten Niederlage im Balkankrieg auf
einer effektiveren Militärmission mit weitreichenden Befugnissen bestanden, da
nur diese eine Gewähr für den Erfolg bieten könne.[247] Im einzelnen wurde
General Liman als Chef der Militärmission Folgendes zugesichert:
Liman von Sanders wird stimmberechtigtes Mitglied des Obersten Kriegsrates und
mußte zu allen Fragen der Armee und Verteidigung angehört werden. Er ist
außerdem direkter Vorgesetzter sämtlicher Militärschulen, Lehrregimenter und
ausländischer Offiziere im Heer. Die einheitliche Truppenausbildung nach
deutschem Muster ist hiermit abgesichert worden. Während seiner Dienstzeit darf
der General weitere ausländische Offiziere engagieren oder sie absetzen und
unter seinem Befehl stehende Kaiserlich Ottomanische Offiziere können nur mit
seinem Einverständnis an andere Stellen versetzt werden. Auch wählt er Offiziere
für die Ausbildung in Deutschland aus. General der Kavallerie Liman von Sanders
rangiert unmittelbar hinter dem Kaiserlich Ottomanischen Kriegsminister, außer
wenn der Generalstabschef dienstälter ist. Der deutsche General ist somit
zweit-oder dritthöchster Offizier der türkischen Armee. Weiterhin hat der
General volles Besichtigungsrecht aller militärischen Einrichtungen und
Truppenteile. Seine Aufgabe ist die theoretische Aus- und Fortbildung aller
türkischen Generalstabsoffiziere.[248]
Der Punkt, der neben den weitgehenden Rechten des Generals den meisten
Konfliktstoff bot, war die Unterstellung des I.Armeekorps als zukünftiges
Musterkorps unter das Kommando von Liman von Sanders. Die Zuteilung des Korps
war nicht Bestandteil des Vertrages, sondern wurde durch ein Iradé des Sultans
am 7.Januar 1914 verkündet. Dieses Korps war in und um Konstantinopel
stationiert und somit nicht nur für die Hauptstadt, sondern auch für den
empfindlichen, strategisch wichtigen Bereich der Meerengen zuständig.
Komplikationen mit England und Frankreich, die einen steigenden deutschen
Einfluß auf die Türkei befürchteten, waren ebenso vorprogrammiert, wie heftigste
russische Reaktionen, sah doch gerade Rußland die lebensnotwendigen Meerengen in
feindlicher deutscher Gewalt. Liman von Sanders jedoch betonte in seinen
Memoiren die unpolitischen Hintergründe der Kommandoübernahme. So wäre es reine
Zweckmäßigkeit gewesen, "ein praktisches Beispiel für kriegsmäßige Ausbildung in
der Landeshauptstadt zu schaffen, an dem die türkischen Offiziere lernen
konnten".[249] Ihm ginge es nur darum, durch unmittelbare Einwirkung auf die
Truppe diejenigen praktischen Fortschritte herbeizuführen, die seinen Vorgängern
durch die fehlende Praxisnähe versagt blieben. Die weitere Entwicklung, die noch
ausgeführt werden soll, läßt diese Behauptung des Generals durchaus glaubwürdig
klingen.
Tatsache war aber, daß, ungeachtet der persönlichen militärtheoretischen Motive
des Generals die Russen zutiefst beunruhigt waren. Von Lucius, der deutsche
Geschäftsträger in Petersburg, informierte das Auswärtige Amt am 11. November
1913 darüber, daß es "Rußland nicht gleichgültig sei, wenn beispielsweise die
Dardanellen stark befestigt würden und Geschütze, die 20 Kilometer das Schwarze
Meer bestreichen könnten, am Eingang hierzu aufgestellt würden. Derartige
Befestigungen auf Ratschlag deutscher Offiziere aufgeführt, könnten doch bloß
gegen Rußland gerichtet sein."[250] Tatsächlich existierten diese Pläne zur
Befestigung Konstantinopels und der Meerengen unter deutscher Anleitung und
natürlich mit Geschützen deutscher Herstellung.[251]
Eine diplomatische Offensive von russischer Seite mit dem Ziel gemeinsamen
Drucks aller Entente-Mächte gegen die besondere Stellung General Limans stieß
auf britische Bedenken. Die deutsche Seite hatte nämlich schnell damit
gekontert, daß schließlich England eine Marinemission unterhielt, die von ihrer
Zahl und ihren Vollmachten der deutschen Militärmission gleichkäme.[252] Der
britische Admiral Sir Arthur H. Limpus war nicht nur Marineberater, sondern
Oberbefehlshaber der türkischen Flotte. Die Verteidigung der Meerengen zur See
lag so völlig in der Hand eines britischen Generals und die Engländer mußten
befürchten, bei zu heftigen Angriffen auf die Stellung General Limans auch ihren
eigenen Einfluß einzubüßen.[253]
Der britische Militärattaché beurteilte das Kommando über das I.Armeekorps zudem
als ein Hindernis für General Liman bei der Reorganisation der Truppe, da er
hier an zu viele organisatorische Sachzwänge gebunden sei, die bei einer reinen
Beraterstellung wegfielen.[254] Diesem Argument konnte sich die deutsche Seite
durchaus anschließen. In einem Privatbrief vom 17.Dezember 1913 an den
Staatssekretär im Auswärtigen Amt von Jagow gab Wangenheim freimütig zu, von
Anfang an gegen das Kommando gewesen zu sein, da es die Beratertätigkeit Limans
zu sehr behindere. Auch sei das Korpskommando nicht der wirkliche Grund für die
russischen Proteste. Vielmehr befürchte Rußland die militärische Erstarkung der
Türkei und die Konsolidierung der dreibundfreundlichen Jungtürkenherrschaft als
Folge der Militärmission.[255] "Die russische Opposition richtet sich daher
gegen die deutsche Mission im allgemeinen. Wäre Liman nicht zum kommandierenden
General des hiesigen Korps ernannt worden, so hätten die Russen einen anderen
Punkt unseres Programms herausgegriffen, um daran ihren Protest anzusetzen. Es
ist ein glücklicher Zufall, daß das effektive Kommando in Konstantinopel gerade
derjenige Punkt ist, auf welchen wir am leichtesten verzichten können. Ich war
von vornherein gegen das Kommando... ."[256] Es ging der deutschen Seite eben
nicht um die unmittelbare, gegen Rußland gerichtete Inbesitznahme der Meerengen,
sondern darum, langfristig den deutschen Einfluß in der türkischen Armee und
somit im Osmanischen Reich zu sichern. Daher bestand die generelle Bereitschaft,
auf das für diese Zielsetzung unnötige und hinderliche Korpskommando als
offiziellen Stein des Anstoßes zu verzichten.
Daß es tatsächlich die russische Bereitschaft gab, notfalls um den Zugang zu den
Meerengen einen Krieg zu starten, bewies spätestens die geheime russische
Sonderkonferenz vom 13. Januar 1914, an der neben dem Ministerpräsidenten und
dem Außenminister auch die Befehlshaber von Flotte und Armee teilnahmen. Ziel
der Konferenz war unverhohlen "die Zertrümmerung der Mission Liman und der
deutschen Riegelstellung an den Meerengen"[257]. Die von der Unterstützung der
anderen Ententemächte abhängigen Druckmittel, die die Konferenz vorschlug,
reichten vom Finanzboykott und Abbruch der diplomatischen Beziehungen bis zur
militärischen Besetzung kleinasiatischer Gebiete. Daß dies letztlich die
Zerstückelung der Türkei herbeiführen und einen europäischen Krieg auslösen
würde, war der Konferenz bewußt.[258] Diese reelle Gefahr eines europäischen
Krieges, den Deutschland noch nicht wollte, zwang letztlich zum Einlenken.
Notwendig war allerdings eine Lösung, die weder die deutsche, noch die türkische
Seite demütigte und als Zeichen der Schwäche zu interpretieren wäre und die der
überaus eitle General Liman nicht als feige Schmach verstehen würde. Auch war
Deutschland nicht bereit, den einmal erlangten Einfluß aufzugeben. Die Lösung
war, Liman von Sanders zum türkischen Marschall zu befördern. Das einfache
Korpskommando war diesem Rang unangemessen und mußte so fallengelassen werden.
Gleichzeitig war für den General durch die Beförderung kein Prestigeverlust
entstanden. In seiner neuen Stellung wurde Liman von Sanders zum
Generalinspekteur der türkischen Armee bestimmt.[259] Während General Liman
darin "nichts Besonderes" sah, da er vorher schon als Chef der Militärmission
das Recht hatte, alle Truppen und Festungen zu besichtigen, zeigten sich die
verantwortlichen deutschen Diplomaten hocherfreut.[260] Nun war Liman für die
gesamte türkische Armee verantwortlich und konnte so unbelastet von den
Sachzwängen des Korpskommandos seiner Hauptaufgabe, der Reorganisation der
Armee, nachgehen. Wangenheim zeigt sich am 23.12.1913 dem Auswärtigen Amt
gegenüber zuversichtlich: "Die Stellung Limans werde stärker und unangreifbarer
werden, wenn derselbe nach einiger Zeit das Kommando des Korps niederlege und
sich ausschließlich der Reorgansiationsaufgabe widme."[261] Und von Mutius,
Geschäftssträger im Konsulat, erkennt: "Die Ernennung General Liman von Sanders`
zum türkischen Marschall und die Beschränkung seiner Funktionen auf die, ihm aus
seinem Kontrakt zustehenden, allgemeinen Inspektionsrechte dürften sowohl im
deutschen wie auch im türkischen Interesse liegen."[262]
Wenn auch Deutschland keine echte Niederlage in der Liman-Affaire davontrug, so
war doch ein gewisses Zurückweichen vor den russischen Drohungen offensichtlich.
Der zu starke Druck der in diesem Fall von Rußland geführten Entente war die
Ursache.[263] Der Grund für das Zurückweichen liegt darin, daß zu diesem
Zeitpunkt die Stellung des deutschen Imperialismus in der Türkei noch zuwenig
gefestigt war, um den Kampf um die Neuverteilung des Osmanischen Reiches unter
den Großmächten aufzunehmen. Auch die türkische Armee war noch in einem derart
katastrophalen Zustand, daß ein effektiver Krieg in dieser Region gegen Rußland
nicht führbar war. Wenn der Generalstäbler Mühlmann erklärt, "ein Ausgleich
mußte aber im Interesse des europäischen Friedens gesucht und gefunden
werden"[264], so ist hier keineswegs vorgetäuschter Pazifismus zu vermuten,
sondern vielmehr imperialistische Realpolitik. "Zu größeren Zugeständnissen war
die deutsche Politik um so eher geneigt, als neue scharfe Schritte Rußlands in
Konstantinopel angekündigt wurden, die auf dem Wege von Kompensationen leicht
zur Aufrollung der orientalischen Frage führen konnten. Der Zeitpunkt hierfür
schien aber der Reichsregierung wenig günstig."[265] Die zukünftige "Lösung" der
orientalischen Frage, das heißt der Krieg um kolonialen Besitz und Einfluß im
Nahen Osten und um die Vefügung über die Meerengen, wurde also vom deutschen
Generalstab keineswegs ausgeschlossen. Es ging lediglich darum, mit Hilfe der
Militärmission die türkische Armee in ein mächtiges und gehorsames Instrument
des deutschen Imperialismus zu verwandeln. Und hierfür wurde noch
Vorbereitungszeit benötigt, bis im August 1914 der Zeitpunkt für den Krieg zur
Neuaufteilung des Orients und der Welt erreicht wurde.[266]
Da das deutsche Kommando über das I.Korps lediglich der Aufhänger der russischen
Proteste war, konnte zwar durch die Kommandoabgabe Limans die unmittelbare
Kriegsgefahr gebannt werden, die ungelöste Frage der Meerengen, das deutsche
Reformwerk in der Armee und die nach wie vor labile Lage der Türkei verschärften
die Widersprüche zwischen den Großmächten in der Orientregion weiter bis zum
Weltkrieg. Auch nach dem formellen Ende der Krise blieb die deutsche Mission der
russischen Regierung ein Dorn im Auge. So beschäftigte sich eine erneute
Sonderkonferenz in Petersburg am 21.Februar 1914 ernsthaft mit der Vorbereitung
einer eventuellen Besetzung Konstantinopels durch russische Truppen.[267]
5.4.4. Die Major-Kübel-Affaire
Welche Stellung der deutschen Militärmission in der Expansionspolitik des
deutschen Imperialismus genau zugedacht war, sollte die sogenannte
Major-Kübel-Affaire verdeutlichen, die sich im Rahmen der Liman-Mission
ereignete.
Der bayerische Major Kübel hatte im Mai 1914 im Rahmen der deutschen
Militärmission die Aufgabe erhalten, die Reform des türkischen Eisenbahnwesens
für militärische Belange voranzuteiben. Seine durch die Militärmission
veranlaßte Entsendung in die Türkei und der anschließende Auftrag wurden dem
Reichskanzler, dem Auswärtigen Amt und der Botschaft in Konstantinopel erst im
nachhinein mitgeteilt. Aus dieser Mißachtung der politischen Führung durch die
deutschen Militärs kam es zu einem folgenschweren Zwischenfall, dem
"nahöstliche(n) Gegenstück zu Zabern".[268]
Nach Erprobung aller türkischer Eisenbahnen gelangte der Major zu dem Ergebnis,
daß die Anatolische und Bagdadbahn die militärischen Anforderungen keinesfalls
erfüllen. Hierfür seien Reformen von 100 Millionen Mark Kostenaufwand
notwendig.[269] Zum Skandal kam es, als Kübel Herrem Huguenin, dem
preußisch-imperialistisch gesinnten Direktor der Anatolischen Bahn, in
beleidigender Form die militärische Übernahme der Bahn androhte. Kübel drohte
"sozusagen [die] `Sozialisierung´ der berühmten Bahnstrecke durch einen von den
Türken angestellten bayerisch-deutschen Offizier im Namen der türkischen
Militärverwaltung, wegen mangelnder militärischer Leistungsfähigkeit"[270] an.
Kübel provozierte den Chef der Eisenbahngesellschaft in plumper Weise weiter und
verkündete, die Bagdadbahn würde nicht rechtzeitig vollendet werden. Auch
versuchte der Major, die Bahngesellschaft gegenüber der türkischen Führung zu
diskreditieren und hier das Verlangen nach einer türkischen Leitung der Bahn zu
wecken. Tatsächlich tat das türkische Arbeitsministerium auf Veranlassung des
Kriegsministeriums einen ersten Schritt in diese Richtung, als es den Bau von
Militärunterkünften entlang der Bahnlinie gerade mit der Möglichkeit einer
türkischen Übernahme der Bahn begründete. Trotz der heftigen diplomatischen
Kritik am Vorgehen Kübels stellte sich General Liman in allen Punkten hinter den
Major und verschärfte so eine Krise zwischen deutscher Diplomatie und Wirtschaft
einerseits und Militärmission andererseits.
Botschafter Wangenheim sah in den Angriffen des bayerischen Majors die größte
Gefahr für das deutsche Bahnprojekt: "Das unqualifizierte Auftreten Kübels, in
dessen Zurechnungsfähigkeit man Zweifel setzen muß, bringt unsere Bahn in eine
bisher nie dagewesene Gefahr, da die von anscheinend kompetenter deutscher Seite
erhobenen Anklagen natürlich wirkungsvoller sind als die seit 25 Jahren mit
äußerster Anstrengung bekämpften Anklagen unsrer Gegner."[271] In einem, in
dieser Art sicherlich einzigartigen Schreiben der Vertreter der deutschen Bank,
Gwinner und Helfferich, an Kaiser Wilhelm II. persönlich, in dem sie um die
dringende Abberufung des Majors baten, wird Kübels Vorstoß ebenfalls als "der
schwerste Schlag gegen unsere türkischen Eisenbahnunternehmungen, der in den
letzten 25 Jahren ihrer Existenz von irgendeiner Seite geführt worden ist,"
bezeichnet.[272]
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes von Jagow führt die deutsche Strategie
im Bezug auf die Türkei und die Funktion der Militärmission anläßlich der
Kübel-Affaire näher aus. Für den Fall, daß Kübel durch Liman weiter gedeckt
wird, sieht er einen ernsten Konflikt zwischen der Militärmission und der
Deutschen Bank als Unternehmerin der Bagdadbahn. Für diesen Fall sieht von Jagow
seinen Platz auf der Seite der Bagdadbahn als "Rückgrat unserer von Seiner
Majestät dem Kaiser inaugurierten Orientpolitik". Schließlich sei die
Militärmission "nicht Selbstzweck, sondern lediglich Hilfsmittel unserer
Orientpolitik" und ihre Unterordnung unter die politischen Interessen daher
notwendig.[273] Botschafter Wangenheim fordert ebenfalls die unbedingte
Unterordnung General Limans unter die von ihm in Konstantinopel betriebene
Politik. Die Militärmission sein "ein wichtiges Mittel zu Einflußnahme auf die
Türkei", die "mit ihrer Tätigkeit der Stabilität der türkischen Zustände im
Inneren und dem Frieden nach Außen dient". Hierbei dürfe sich die Mission
allerdings nicht anderen deutschen Interessen entgegenstellen.[274]
Die beiden Diplomaten haben hier noch einmal deutlich die Strategie der
deutschen Orientexpansion betont. So ist die Bagdadbahn das entscheidende
Instrument deutscher Durchdringung der Türkei. Hier sind die größten
Kapitalinvestitionen getätigt worden und dieses Projekt gilt es zu schützen und
auszubauen. Die Militärmission hat im Rahmen dieser Strategie eine
untergeordnete Funktion. Sie soll zum einen im Sinne der deutschen Wirtschaft,
insbesondere durch Rüstungslobbyismus, Einfluß auf die türkische Führung nehmen.
Hauptziel ist allerdings die militärische Stabilisierung des Osmanischen Reiches
durch Reorganisation der Armee mittels deutscher Berater. Der Wert der
Bagdadbahn ist in einem stabilen Osmanischen Reich und mit möglichst geringem
Einfluß anderer Großmächte am höchsten und die Gefahr, daß Teile der Strecke
anderen Mächten überlassen werden müssen, am geringsten. Die Mitglieder der
Militärmission, insbesondere der General Liman, waren offensichtlich zu sehr
Soldaten und zu wenig Politiker, um tatsächlich immer in dem ihnen zugedachten
Sinn zu wirken.
Gerade Rußland mußte, wenn es die zeitweilige Verselbständigung der
Militärmission von der deutschen Diplomatie und Politik sah, überaus nervös
werden. Sah es doch zeitweilig so aus, als ob Konstantinopel und die Meerengen
nun völlig in der Hand eines, selbst von der deutschen Zivilführung
unkontrollierten preußischen Militarismus übergegangen war. Die halbherzige und
verspätete Abberufung Major Kübels durch den deutschen Kaiser Ende Juli konnte
hier nicht mehr überzeugen.[275]
5.5. Deutscher Rüstungsexport in die Türkei
5.5.1. Das Militär fördert die Wirtschaft
Die Einrichtung einer Militärmission besteht niemals nur aus einer reinen
Beratertätigkeit. Auch wenn dies selten laut gesagt wird, führt diese Art von
Militärhilfe in der Regel zu wirtschaftlichen Interessen, zuerst nur auf dem
Gebiet der Rüstungsindustrie, aber zunehmend in anderen Wirtschaftsbereichen wie
dem Bahnbau und der Kommunikationstechnik. Militärberater bevorzugen selbst
dann, wenn sie nicht offen mit der Industrie ihres Landes zusammenarbeiten, das
Wehrmaterial und die Technik, an die sie gewöhnt sind. Für gewöhnlich ist dies
die Technik der eigenen Rüstungsindustrie. Neben dieser Gewohnheit steht aber
normalerweise auch ein direktes wirtschaftspolitisches Interesse dahinter.
Militärhilfe, auch Beratertätigkeit, von einem überlegenen Land für ein
unterentwickeltes Land bringt fast automatisch ein Abhängigkeitsverhältnis mit
sich. Um die einmal gelieferte Wehrtechnik in ihrem Wert zu erhalten, ist
ständige Wartung, Erneuerung und Modernisierung notwendig. Hier besteht eine
direkte Abhängigkeit zu dem Land, daß diese Produkte produziert. Diese
Abhängigkeit geht aber noch weiter. Um weder auf die Berater, noch auf die
Instandhaltung und Modernisierung der erprobten ausländischen Waffensysteme
verzichten zu müssen, ist der unterlegene Staat auch zunehmend bereit,
Zugeständnisse auf anderen Gebieten zu machen.[276]
Im Falle der Türkei kann von großen wirtschaftlichen Erfolgen im Gefolge der
Militärmission gesprochen werden. Lothar Rathmann sieht die bisherige
Expansionsweise sogar auf den Kopf gestellt: "War es sonst üblich, dem Kaufmann
die preußische Soldateska folgen zu lassen, so sah sich die deutsche Bourgeoisie
im Vorderen Orient bei der Stärke der Konkurrenten gezwungen, die Militärs
vorauszuschicken; diese sollten eine Bresche in die wirtschaftspolitische
Monopolstellung Großbritanniens und Frankreichs `schießen´ und dem deutschen
Industrie- und Bankkapital den Weg zu einer neuen Ausbeutungszone
freikämpfen."[277] In den 70er Jahren hatten die englischen und französischen
Waffenschmieden noch die dominante Stellung auf dem türkischen Waffenmakt und
Krupp konnte nur einzelne, wenn auch profitträchtige Rüstungsgeschäfte
abschließen. Doch mit der Einrichtung der Militärmission gelang es, die
Konkurrenten zu verdrängen und ein deutsches Rüstungsmonopol für die Türkei zu
errichten.
5.5.2. Colmar von der Goltz als Rüstungslobbyist
Der Historiker Hallgarten gesteht dem General Colmar von der Goltz den
Hauptverdienst für die Erlangung eines Rüstungsmonopols über die Türkei und das
Zurückdrängen der Konkurrenten Vickers & Armstrong aus England und der
französischen Schneider-Creuseot zu: "Die imperialistische Expansionspolitik des
Generalstabs förderte gleichzeitig auch das mächtige, unmittelbar die Russen
bedrohende deutsche Waffenausfuhrgeschäft; die vom Generalstab stark geförderte
Militärmission des Generals von der Goltz in der Türkei zwang zu Ende der
achtziger Jahre den Türken die Kanonen des Hauses Krupp auf ... die
Monopolstellung der deutschen Waffenindustrie in der Türkei ist von Colmar von
der Goltz geschaffen worden."[278]
In der Türkei wurden Geschäfte vor allem durch persönlichen Einfluß beim Sultan
und in den zuständigen Komissionen entschieden. So wuchs Goltz` Einfluß auf die
Rüstungsbestellungen, als der Sultan Abdul Hamid ihn in eine gemeinsame
Kommission mit dem Großwesir und dem Finanzminister schickte, die die für die
Rüstung notwendigen Geldmittel beschaffen sollte. "Schneller und einfacher als
alle Organisationsfragen wickelten sich die Bewaffnungsangelegenheiten ab. Das
hatte einen einfachen Grund. Dabei fielen nämlich für die Kommissionsmitglieder
Bakschische ab. Diese verscheuchten meist sehr schnell alle Bedenken", so die
Herausgeber von Goltz` Autobiographie.[279] Von der Goltz war sich seiner
Bedeutung als Wegbereiter der deutschen Industrie im Osmanischen Reich durchaus
bewußt, wie er 1892 in einem Brief an seinen Freund und späteren Biographen
Oberstleutnant Bernhard von Schmiterlöw zugibt: "Trotzdem aber hält es der
Sultan für zeitgemäß und klug, mit den Franzosen zu kokettieren. Dieselben haben
es zwar noch nicht zu positiven Resultaten gebracht, aber es wird doch tüchtig
mit ihnen angebändelt, und das hindert den Fortschritt in unserem Interesse,
namentlich in denen unserer Industrie. ... Es klingt vielleicht anmaßend, aber
ich glaube, daß, wenn ich fortgehe, die Waage sich noch mehr auf französische
Seite neigen wird."[280] Von Seiten der Rüstungsindustrie wird das stille Wirken
des Generals ebenfalls hochgeschätzt, so daß von der Goltz auf das Angebot einer
Aktienübertragung durch den Gewehrfabrikanten Loewe entgegnet: "Sie haben es gut
gemeint, aber ein preußischer Offizier nimmt keine Trinkgelder!"[281] Goltz
sieht sich als Vertreter nationaler deutscher Interessen an der Pforte, der
durchaus weiß, mit Bestechung und persönlichem Einfluß Geschäfte zu betreiben.
Einen persönlichen finanziellen Gewinn zieht er allerdings nicht daraus.
Bei der unter Goltz eingeleiteten Armeereform, die die Zahl der Korps
verdoppelte, wurde auch der doppelte Bedarf an Ausrüstung notwendig und es
gelang dem preußischen General, die Aufträge hierzu an deutsche Firmen zu
vergeben.[282]
In der Zeit von 1885 und 1895, während von der Goltz in Konstantinopel an der
Militärmission tätig war, wurden Waffen und militärische Ausrüstung im
Gesamtwert von 100 Millionen frcs. von der deutschen Industrie an die türkische
Armee geliefert.[283] Darunter waren Geschütze, Torpedoboote, Gewehre und
Munition. Rathmann hat aufgeschlüsselt, wie sich die Aufträge, die von der Goltz
der deutschen Industrie vermittelte, zusammensetzten. "1885 setzte er bei dem
Sultan für Krupp einen Rüstungsauftrag über 500 schwere und schwerste Geschütze
für die Befestigung der Dardanellen durch. Im Februar 1886 kaufte die Türkei zu
Überpreisen 426 Feldkanonen und 60 Mörser bei Krupp. Darüber hinaus überzeugte
in diesem Jahr der preußische General den Sultan von der angeblichen
Notwendigkeit einer türkischen Torpedobootflotille und setzte es durch, daß die
Boote bei der deutschen Schichtau-Werft in Elbling in Auftrag gegeben wurden.
1886 wurde der Forderung des Leiters der deutschen Militärmission nachgegeben
und die Neubewaffnung des türkischen Heeres beschlossen. Die dazu notwendigen
500.000 Gewehre und 50.000 modernen Karabiner lieferten die deutschen
Waffenfabrikanten Mauser und Loewe. 1888 sandte die deutsche Rüstungsindustrie
für 2,2 Millionen Mark Waffen zum Bosporus."[284] Als 1889 Kaiser Wilhelm II. zu
seiner ersten Reise nach Konstantinopel aufbrach, hatte die deutsche
Rüstungsindustrie schon einen festen Absatzmarkt in der Türkei erkämpft. Auch
der Kaiser, nach 1903 selber Kruppgroßaktionär, vermittelte Rüstungsgroßaufträge
im Wert von 15,3 Millionen Mark, die die türkische Regierung mit einem Kredit
der Deutschen Bank finanzierte.[285] 1891 wurde für 5,9 Millionen Mark deutsches
Kriegsmaterial geliefert, 1892 für 10,1 Millionen Mark, 1893 für 13,1 Millionen
Mark, 1894 für 6 Millionen Mark, 1895 für 12,2 Millionen Mark, 1896 für 4,4
Millionen Mark und 1897 für 1,6 Millionen Mark.[286] 1905 mußte sich der Sultan
die deutsche Nichtbeteiligung an der internationalen Flottendemonstration zur
Einschüchterung der Türkei vor Kreta mit einem Rüstungsauftrag von 60
Millionen frcs. erkaufen.[287]
5.5.3. Krupp verdrängt die Konkurrenz
Speziell die Firma Krupp profitierte von den Geschäften mit der Türkei. Der
Einfluß des Rüstungsmonopolisten auf die deutschen Diplomaten und Militärs in
der Türkei war so auch mehr als nur indirekt. Als 1891 in der Militärmission der
Posten eines Artillerieoffiziers freiwurde, hielt es Goltz für wichtig, daß der
Nachfolger sich mit Rüstungsbetrieben wie Krupp und Gruson vertraut mache, die
die Hauptlieferanten für Geschütze seien.[288] 1908 wiederum ersuchte Krupp das
Auswärtige Amt, einen ehemaligen Artilleriehauptmann und späteren Mitarbeiter
der Rüstungsfirma in die Militärmission aufzunehmen, da sich dies positiv auf
die Lieferaufträge auswirken würde.[289] In einer Monographie über die
Krupp-Aktiengesellschaft heißt es dann auch: "Die tüchtigsten und
erfolgreichsten der deutschen Auslandsvertreter sind engagierte Kruppfreunde. In
Konstantinopel z.B., diesem Brennpunkt der deutschen Vorkriegspolitik, liegt das
Palais des Bevollmächtigten des Deutschen Reiches, und der Botschafter
befleißigt sich freundnachbarlicher Aufmerksamkeit. Der Kruppsche Spionagedienst
funktioniert prächtig, und dabei fällt auch manches für die Botschaft ab."[290]
Die englische und französische Konkurrenz nutzte, nachdem sie in den 80er Jahren
vom türkischen Markt verdrängt wurde, so auch jede Gelegenheit, gegen Krupp
vorzugehen. Nachdem die türkische Armee im ersten Balkankrieg eine verheerende
Niederlage erlitten hatte, wurde dies in der englischen, französischen, aber
auch in der deutschkritischen türkischen Presse auf die Geschütze Krupps und
die Ausbildung durch Colmar von der Goltz geschoben. Entgegen diesen
Behauptungen waren alle Kriegführenden überwiegend mit Geschützen des Hauses
Krupp ausgerüstet.[291] Die Folgen der türkischen Niederlage im Balkankrieg
beschreibt der württembergische Militärbevollmächtigte von Grävenitz wie folgt:
"Wie sehr unsere deutsche Privatindustrie den skrupellosen Angriffen der
ausländischen Konkurrenz ausgesetzt ist, lassen die Vorgänge erkennen, die sich
unmittelbar an die türkischen Niederlagen der Gegenwart anknüpfen und in dem
Bestreben gipfelten, das türkische Versagen auf die Minderwertigkeit der aus
deutschen Werkstätten hervorgegangenen Waffen zu schieben. ... bedauerlich
bleibt nur, daß auch ernste nationale Kreise sich -
vorübergehend - dadurch beirren ließen und mit dazu beitrugen, dem Ausland das
Geschäft zu besorgen und die gesamte deutsche Industrie schwer zu schädigen.
Deutschland ist in der Hauptsache ein Industrie-Staat geworden und die
Kriegsmaterial-Industrie eine der wichtigsten Branchen unserer
Industrie..."[292]
Trotz der vorübergehenden Niederlage der Militärmission ging die Aufrüstung der
Türkei mit deutschen Waffen weiter und beschleunigte sich noch gegenüber der
Zeit vor dem Balkankrieg.[293] Dies hing auch mit der Abhängigkeit der Türkei
von deutschen Waffensystemen zusammen und der Notwendigkeit, die erlittenen
Verluste schnell wieder auszugleichen. Auch bei der Vorplanung der neuen
Militärmission, die von General Liman von Sanders geleitet werden sollte,
spielte die Möglichkeit des Rüstungsexports eine Rolle. Daß Krupp für die
Artillerie-Ausrüstung der unter deutscher Anleitung rekonstruierten türkischen
Armee zuständig sein würde, galt als ausgemachte Sache.[294] Die westliche
Verteidigungslinie von Konstantinopel mußte ebenso neu befestigt und der
Bosporus mit Kanonen versehen werden, wie die türkischen Streitkräfte nach ihren
Verlusten im Balkankrieg neu aufgerüstet werden mußten. Krupp allein gelang es,
in diesem Geschäft von großmachtpolitischer Bedeutung Feldgeschütze für 155.000
bis 165.000 Mark zu verkaufen, die in ihrer Herstellung lediglich 14.000 Mark
beanspruchten.[295] Der Krieg der internationalen Rüstungsmonopole ging bis
unmittelbar vor Kriegsausbruch weiter.[296] Der französische Konzern Creusot
konnte von der pro-französischen Haltung des türkischen Finanzministers Dschavid
Bey profitieren und Krupps Stellung war weiterhin trotz großer Erfolge nicht
unanfechtbar.[297] Auch gab es Differenzen zwischen dem Leiter der
Militärmission Liman von Sanders und der politischen Führung des deutschen
Reiches. Als Liman die Abberufung des Majors Strempel, einem der Hintermänner
der Mission, durchsetzte, lag dies nicht im Interesse der Rüstungsindustrie.
Botschafter Wangenheim bedauert in einem Privatbrief den entstandenen Schaden
für die Industrie: "Durch seine ausgezeichneten türkischen Verbindungen würde er
der deutschen Industrie noch viele Millionen von Bestellungen besorgen. Krupp
und die Waffenfabriken werden über sein Scheiden sehr traurig sein."[298] Wie
sehr die Botschaft sich und die Militärmission als Rüstungslobby beim Sultan
betrachtete, belegt diese Affaire ebenso treffend, wie auch die Tatsache, daß es
durchaus Interessensgegensätze zwischen Militärs, Industrie und Diplomatie gab.
Seit Mitte der 80er Jahre bis zum Ausbruch des Weltkrieges ist es den deutschen
Militärberatern in der Türkei gelungen, deutsche Waffensysteme in der türkischen
Armee zu etablieren und damit einen festen Absatzmarkt für die deutsche
Industrie zu schaffen. "Es gehört zu Goltz` besonderen Verdiensten um sein
Vaterland, daß er die Neubewaffnung des türkischen Heeres durchweg der deutschen
Industrie zuzuführen verstand...."[299] Auch Kaiser Wilhelm II. und die deutsche
Gesandtschaft haben sich hier verdient gemacht. Das Beispiel des Eindringens
deutschen Kapitals im Gefolge der Militärmission ist typisch für die immer
direktere Unterwerfung der militärischen und diplomatischen Institutionen unter
die Interessen der Wirtschaftmonopole. Im Gefolge der Waffengeschäfte kamen dann
auch die Konzessionen zum Bau der Anatolischen und Bagdadbahn, für die Goltz
eine "Taufgevatterschaft"[300] beanspruchte und die den endgültigen Durchbruch
deutschen Einflusses in der Türkei bedeuteten.
5.6. Bewertung der deutschen Militärmission
5.6.1. Die Frage des Militärprotektorates
Wie zuvor aufgezeigt, war der Hintergrund der deutschen Militärmission von
Anfang an ein politischer. Ging es unter Bismarck noch darum, sich mit der
Entsendung deutscher Offiziere an die Hohe Pforte das Wohlwollen des Sultans zu
erkaufen und somit politischen Einfluß zu erlangen, so wurden auch die
Interessen der deutschen Rüstungsindustrie immer dominanter. Insbesondere durch
das Engagement des Missionsleiters von der Goltz gelang es der deutschen
Waffenindustrie, das Monopol der englisch-französischen Konkurrenz aufzubrechen
und selbst eine Spitzenstellung zu erringen. Zunehmend wurden auch
militärstrategische Überlegungen mit der Mission verbunden. Die Türkei wurde
hierzu als potentieller Partner im Zweifrontenkrieg eingeplant. Mit Beginn einer
imperialistischen Weltpolitik Deutschlands, einem stärkeren ökonomischen
Engagement in der Türkei und dem Kampf um die Bagdadbahn wurde auch die Rolle
der Militärhilfe wichtiger. Als ihr Hauptziel kann die Stärkung der türkischen
Armee und damit des Osmanischen Reiches gesehen werden. Eine stabile Türkei war
der beste Garant für wirtschaftliche Profite deutscher Investoren. Diese
Investitionen mußten auch militärisch gesichert sein. Als spätestens nach den
Balkankriegen die tatsächliche Schwäche der Türkei sichtbar wurde und die Gefahr
einer baldigen Aufteilung unter den Großmächten drohte, bestand die Hauptaufgabe
der Militärmission darin, den deutschen Einfluß für diesen finalen Kampf
auszubauen und zu konsolidieren. Gleichzeitig sollten militärische
Schlüsselpositionen in der Armee gesichert werden, um den deutschen Einfluß auch
gegen eine deutschfeindliche Regierung aufrechtzuerhalten. Je schwächer das
Osmanische Reich offensichtlich wurde, desto mehr setzte auch die deutsche
Politik auf die Errichtung einer Militärdiktatur durch die türkische Armee unter
deutscher Leitung und Ausbildung. Übertrieben und falsch ist allerdings die
Behauptung, die Türkei sei 1913 bereits ein deutsches Militärprotektorat
geworden.[301] Die tatsächliche Planung einer solchen Herrschaft darf nicht mit
ihrer Errichtung gleichgesetzt werden.[302] Mit wichtigen Kommando- und
Inspektionsposten hatte Deutschland sicherlich den entscheidenden türkischen
Machtfaktor, die Armee, mehr als jede andere Großmacht an sich gebunden. Doch
der tatsächliche Oberbefehl und die Mehrzahl der Kommandofunktionen lag
weiterhin bei den Türken. Daß die militärische Stellung Deutschlands noch nicht
uneingeschränkt war, zeigt allein die Tatsache, daß die Flotte, die allerdings
nicht allzu bedeutend war, auch 1914 noch unter dem Kommando des englischen
Admirals Limpus stand. Die britische Marinemission hatte nahezu so viele
Mitglieder wie die deutsche Militärmission und kontrollierte die Meerengen vom
Wasser aus.[303]
5.6.2. Der Anteil der Militärmission am Kriegsbündnis
Wieweit die deutsche Militärmission tatsächlich ein imperialistischer Stützpunkt
im Kampf um die Aufteilung der Türkei war, wird erst im Nachhinein deutlich,
wenn ihre Rolle im Weltkrieg gesehen wird. Die Forschung unterstützt die These,
daß sich die Militärmission unter General Sanders nicht aktiv für das
Zustandekommen dieses Waffenbrüderschaftsvertrages eingesetzt hat.[304] Anfang
1914 stand auch noch keineswegs das Waffenbündnis für den Weltkrieg fest.[305]
Selbst der Vertrag von General Liman sah die Möglichkeit vor, die Militärmission
im Falle eines Krieges in Europa sofort aus der Türkei abzuziehen.[306] Hier
drückt sich deutlich die deutsche Unsicherheit über die türkische Haltung im
Kriegsfall aus. Gerade die deutsche Militärführung zweifelte bis zuletzt an
ihrem tatsächlichen Einfluß und Erfolg.[307] Allerdings war die Militärmission
eine wichtige Vorraussetzung für dieses Bündnis, denn die deutschen
Außenpolitiker machten vom Zustand des türkischen Heeres ein mögliches Bündnis
abhängig. Hatte General Liman noch im April 1914 die türkische Armee in einem
Zustand gesehen, "der einen schnellen militärischen Zusammenbruch im Falle
kriegerischer Verwicklungen mit absoluter Gewißheit ergeben müsse"[308] und
Staatssekretär von Jagow "die Türkei wegen ihrer schlechten Armeeverhältnisse
nur als passive[n] Faktor"[309] verstanden, der ein Bündnis nur belasten würde,
so sollte sich dies bald ändern. Nachdem General Liman erste Erfolge der
Reorganisation vorweisen konnte, telegraphierte der Reichskanzler seine
Einwilligung für einen Bündnisvertrag an Wangenheim, für den Fall daß "die
Türkei im jetzigen Krieg auch nennenswerte Aktionen gegen Rußland unternehmen
kann und wird".[310] Da General Liman hier zustimmte, konnte das
deutsch-türkische Bündnis am 2.August 1914 abgeschlossen werden.[311]
Der Anteil der Militärmission an dem Waffenbündnis war eine
Reorganisationsleistung in der nach dem Balkankrieg völlig zerstörten Armee. So
war eine relativ erfolgreiche türkische Mobilmachung zu Kriegsbeginn ermöglicht
worden. Die deutsche Militärmission, die unter Bismarck mit wenigen Offizieren
ihr Werk begonnen hatte, sollte im Krieg 25.000 deutsche Soldaten, die im Orient
kämpften, betreuen und dadurch zu einer riesigen, das ganze Osmanische Reich
erfassende Etappenbehörde werden.[312] Generalstäbler Mühlmann rühmt im
Nachhinein die Verdienste der Militärmission: "Trotz der Kürze der
Friedensarbeit zog die Türkei im Herbst 1914 mit einem Heer in den Weltkrieg,
das mit dem des Herbstes 1913 gar nicht zu vergleichen war und sich in
heroischer Weise schlug, die Staunen und Bewunderung der ganzen Welt erregte. An
dieser ungeahnt schnellen Gesundung der türkischen Wehrkraft hatte die
Militär-Mission rühmlichen Anteil. Während des Krieges war die Militär-Mission
unablässig und mit Erfolg bemüht, die türkische Kriegsführung im Sinne und Geist
deutscher Anschauungen zu beeinflussen und die türkische Waffenhilfe möglichst
nutzbringend für die Gesamtkriegslage zu gestalten."[313] So war es tatsächlich
das rein militärische Wirken des Generals Liman, der sich nicht der Politik
unterordnen wollte, das die politischen Beziehungen zwischen Deutschland und der
Türkei so entscheidend beeinflußte, daß die Türkei auf der Seite der
Mittelmächte in den Krieg eintrat.
6. Deutsche Kultur-und Siedlungspolitik in der Türkei
6.1. Koloniale Siedlungspläne versus pénétration pacifique
6.1.1. Kontroverse um die Kolonialstrategie
Unter den verschiedenen, an einer aktiven Außenpolitik Deutschlands
interessierten Kreisen bestand weitgehende Einigkeit in der Bedeutung des
Osmanischen Reiches für den deutschen Expansionismus. Wie die Außenpolitik im
Bezug auf die Türkei aber ausgerichtet sein sollte, gab es erhebliche
Differenzen. Auf der einen Seite standen nationalistisch oder religiös
argumentierende Befürworter einer kolonialistischen Siedlungspolitik in der
Türkei. Durch massive deutsche Ansiedelung sollten formelle Kolonien mit
deutschem Territorialbesitz erlangt werden. Federführend in dieser Gruppe von
Kolonialpropagandisten waren Vereinigungen wie der Alldeutsche Verband.
Gegenüber diesen Siedlungsplänen verhielt sich die andere Fraktion deutscher
Kolonialinteressen ablehnend bis feindlich. Diese Fraktion "liberaler
Imperialisten" bestand im Wesentlichen aus den Verfechtern der sogenannten
Bagdadbahnstrategie, also der friedlichen wirtschaftlichen und kulturellen
Durchdringung des Orients. Hier herrschte berechtigte Furcht, die guten
Beziehungen zur türkischen Regierung und die damit verbundenen wirtschaftlichen
Konzessionen, etwa zum Bau der Bagdadbahn, würden durch die Drohung einer
territorialen Annektion gefährdet. Schließlich hatte die türkische Führung in
Fragen der Militärhilfe, wie auch beim Bau der Bahnstrecken, das Deutsche Reich
bevorzugt, da hier im Unterschied zu den anderen Mächten die scheinbar
geringsten Kolonialinteressen bestanden.
Im Folgenden soll nun dargestellt werden, wie weit die Behauptung, die zu Beginn
des Jahrhunderts von den Jungtürken und später besonders auch von marxistischen
Historikern geäußert wurde, zutrifft, daß Deutschland tatsächlich ein
territoriales Interesse an Teilen des Osmanischen Reiches hatte.[314] Am
Beispiel der deutschem Palästinapolitik im Bezug auf die württembergischen
Templersiedlungen und anhand der deutsch-jüdischen Beziehungen sollen die
Konsequenzen dieser unterschiedlichen Expansionsansätze exemplarisch aufgezeigt
werden. Die zweite Orientreise Kaiser Wilhelms II. mit ihrer religiösen, wie
ihrer imperialen Dimension soll nach ihrer Stellung im Kampf um Einfluß im
Orient eingeordnet werden.
6.1.2. Verfechter und Gegner des Siedlungsgedankens
Die Person des Orientspezialisten Hugo Grothe ist dazu geeignet, beide
Expansionsstrategien aufzuzeigen. So war Grothe anfangs glühender Anhänger einer
weiten Besiedelung des Orients mit deutschen Bauern, um dann zu einem der
Hauptverfechter der friedlichen Durchdringung der Türkei zu werden.[315] Schon
der Titel einer 1902 weitverbreiteten Propagandabroschüre Grothes spricht für
sich: "Die Bagdadbahn und das schwäbische Bauernelement in Transkaukasien und
Palästina. Gedanken zur Kolonisation Mesopotamiens".[316] Hierin fordert Grothe,
das Gebiet der Anatolischen und Bagdadbahn offiziell als deutsche
Siedlungssphäre zu proklamieren und mit einer breitangelgten Kolonisation zu
beginnen. Die deutschen Kolonisten sollten als "Staat im Staate" mit eigener
Polizei, Steuer und Zollfreiheit in der Türkei leben.
Grothe befindet sich in der Tradition einer "publizistischen Nahostexpansion",
die seit Mitte des 19.Jahrhunderts in ihren Schriften deutsche
Kolonialgründungen im Nahen Osten proklamierte.[317] Hier stehen Namen wie
Moltke, List, Lassalle und Kaerger für die verschiedenen Geistesrichtungen, die
aber der Wunsch nach deutscher Besiedelung des Orients verband.[318] Die Motive
waren durchaus unterschiedlich. Vom Machtzuwachs eines Großdeutschland in Europa
bei Friedrich List und später bei den Alldeutschen bis zur
sozialimperialistischen Ablenkung innerer deutscher Konflikte beim Sozialisten
Ferdinand Lassalle reichten die Ideen.[319] Der Privatdozent an der Königlichen
Landwirtschaftlichen Hochschule zu Berlin, Karl Kaerger, sah in einer
Kolonisation der Türkei die Möglichkeit, Auswanderer im weiteren deutschen
Wirtschaftsraum zu integrieren und sie so nicht der Konkurrenz
auszuliefern.[320] Selbst Reichskanzler Leopold von Caprivi äußerte sich 1891
positiv und zustimmend zur Frage deutscher Nahostbesiedelung, um dann von
Fachleuten des Auswärtigen Amtes wieder davon abgebracht zu werden.[321] Sollten
die Siedler deutsche Reichsangehörige bleiben, so das Auswärtige Amt in seiner
Antwort an den Reichskanzler, gäbe dies "zu den schwerwiegendsten Bedenken
Anlaß. Zunächst würden solche Ansiedler der fortwährende Anlaß zu Reklamationen
unserer Konsularbehörden bei den türkischen Lokalbehörden und der Botschaft bei
der Pforte sein, also die guten deutsch-türkischen Beziehungen eher gefährden
als fördern."[322] In einem weiteren Papier des Auswärtigen Amtes heißt es: "Als
schwerwiegendstes Bedenken gegen einen solchen Plan wurde geltend gemacht, daß
Deutschland, dessen Politik es stets gewesen sei, sich im Orient keine
namentlich im Kriegsfalle notwendig zu vertretenden Interessen zu schaffen,
durch solche deutsche Kolonien unfreiwillig in dort entstehende Wirren
mithineingezogen werden könnte."[323]
Seitdem die Bagdadbahn durch die Vergabe von Konzessionen Gestalt annahm, gewann
dieses Projekt absolute Priorität. Die Propagandisten dieser Expansionsstrategie
nutzten nun jede Gelegenheit, die Verfechter der Siedlungsstrategie als
gefährliche Feinde deutscher Außenpolitik hinzustellen. Hugo Grothe, seit 1905
überzeugter Vertreter der Bagdadbahnstrategie, äußerte sich selbstkritisch gegen
die Kolonialbefürworter. So hätte er in seiner früheren Schrift über die
Besiedlung des Nahen Osten mit schwäbischen Bauern die politischen Verhältnisse
ausgeblendet. Eben diese Verhältnisse, also der Widerstand der türkischen
Regierung, als auch die Befürchtungen der europäischen Mächte "verbieten die
organisierte Einpflanzung einer größeren Anzahl von deutschen Ackerbauern auf
das reichlich vorhandene und vielversprechende Kolonisationsland der asiatischen
Türkei".[324]
Der bekannteste Propagandist der Bagdadbahn-Politik in der Vorkriegszeit war
sicherlich Paul Rohrbach. Der Theologe, Geograph und Publizist hatte mehrere
ausgedehnte Orientreisen unternommen und kannte die Materie so aus eigener
Erfahrung wesentlich besser als viele nur akademische Kolonialpropagandisten.
Schon seine bekannteste programmatische Schrift "Die Bagdadbahn", die 1902
erstmals erschien und somit in direktem Wettbewerb mit Grothes "Bagdadbahn" und
dessen Siedlungsplänen stand, beginnt im ersten Kapitel mit einem Angriff auf
die "Kolonisation".[325] Die Vertreter dieser Linie werden zum Teil als bewußte
Saboteure an der deutschen Türkeipolitik attackiert: "Jedermann, der die Sache
der Bagdadbahn absichtlich schädigen will oder unabsichtlich dafür wirkt, sie zu
diskreditieren, bringt sie in Verbindung mit dem Gedanken deutscher
`Kolonisation´ in Kleinasien, Mesopotamien usw."[326] Wenn die Türkei eine
Übersiedlung Hunderttausender deutscher Bauern zu befürchten hätte, würde dies
sicherlich das Aus der bisher erfolgreichen deutschen Türkei-Politik bedeuten.
In diese Richtung gehen auch die politischen Randbemerkungen in Rohrbachs
Reisebericht seiner Nahostreise von Oktober 1900 bis März 1901, in dem er die
Länder entlang der projektierten Bagdadbahnstrekte beschreibt.[327] Rohrbach
erklärt, der Erfolg der deutschen Politik läge im Einfluß deutschen Geldes und
deutscher Technik. Dies würde die deutsch-türkischen Wirtschaftsbeziehungen
fördern. "An mehr sollte auch in Deutschland kein vernünftiger Mensch denken.
Die Idee, das Gebiet der Bagdadbahn ganz oder teilweise mit einer deutschen
Bauernauswanderung zu kolonisieren, was von Leuten in Deutschland ohne Kenntnis
der hiesigen Verhältnisse mitunter geäußert wird, ist die unglücklichste, die es
nur geben kann und wie keine andere geeignet, den Bahnbau unter deutscher
Leitung, der jetzt in der Türkei durchaus populär ist, bei der Regierung wie bei
der Bevölkerung gleich stark zu diskreditieren. Geschlossene deutsche
Ansiedlungen in der Türkei würden, vom türkischen Standpunkt aus gesehen, immer
ein Staat im Staate bleiben."[328] Neben diesen politischen Gründen versucht der
Orientkenner Rohrbach auch mit praktischen Argumenten zu überzeugen. Schon das
Klima sei für Europäer nicht zu ertragen und einige Landesteile wären auch von
der Bodenbeschaffenheit ungeeignet zur agrarischen Besiedelung.[329]
Der Streit um diese Besiedelung blieb nicht nur auf die akademische Debatte
beschränkt. Anfangs relativ unabhängig von der öffentlichen Meinung in
Deutschland starteten zwei Gruppen tatsächlich mit solchen Projekten:
württembergische Templer und jüdische Emigranten. Ihr Beispiel soll nun konkret
untersucht werden.
6.2. Die württembergischen Templer-Kolonien in Palästina
6.2.1. Zur Kontroverse über die Templer
Die Pläne einer massiven Besiedlung des Osmanischen Reiches mit deutschen
Siedlern, also die Erlangung territorialen Kolonialbesitzes anstelle bloß
informeller, wirtschaftlicher Durchdringung kam gerade am Beispiel der
württembergischen Templerkolonien in Palästina in die öffentliche Debatte. Hier
schien das bislang einzige Projekt echter Kolonisation durch Deutsche auf dem
Gebiet des Osmanischen Reiches Gestalt anzunehmen. Sowohl damalige Befürworter
einer auf Kolonialbesitz abzielenden deutschen Außenpolitik, als auch später
antideutsch oder marxistisch gesinnte Historiker sahen in den Templerkolonien
die Bestätigung für eine Umsetzung der alldeutschen Siedlungspläne. Der
englische Historiker Marriott erklärte während des 1.Weltkrieges 1917 in seiner
Untersuchung zur "Eastern Question", der Besuch Kaiser Wilhelms II. in Palästina
1898 hätte vor allem dazu gedient, die Aktivitäten der deutschen Siedler mit dem
"Siegel kaiserlicher Zustimmung" zu versehen.[330] Auch die Encyclopaedia
Hebraica erkennt in den Templerkolonien "multi-faceted weapons for the purpose
of German political penetration" des Osmanischen Reiches.[331] Vom
Autorenkollektiv um den DDR-Historiker Rathmann werden die Templersiedlungen
direkt als deutscher "Landraub" in Palästina bezeichnet.[332]
Gegen diese Interpretationen stehen vor allem die Untersuchungen des
Palästina-Experten Alex Carmel, der den Templern freundschaftlich gegenübersteht
und vertritt, die religiösen Siedler hätten niemals im Sinne der kaiserlichen
Regierung gehandelt, sondern wären der deutschen Nahoststrategie vielmehr ein
Dorn im Auge gewesen.[333]
In diesem Kapitel soll nun dargestellt werden, welche Rolle die
Templersiedlungen im Rahmen der deutsch-türkischen Beziehungen spielten, ob sie
eine Umsetzung kolonialistischer Besiedlungspläne waren oder nur das
selbständige Werk weniger religiöser Eiferer.
6.2.2. Die Tempel-Gesellschaft
Die Tempelgesellschaft als Abspaltung der evangelischen Kirche hat ihre
Grundlage im Pietismus des 17.Jahrhunderts. Mitte des 19.Jahrhunderts gründete
sich die Sekte im Königreich Württemberg. Die Templer, die sich auf eine
fundamentalistische Auslegung der Heiligen Schrift stützen, standen der
offiziellen evangelischen Kirche kritisch gegenüber. Prägend gerade für ihre
Tätigkeit als Siedler im Heiligen Land war ihr Glaube an eine baldige Erlösung
durch das "Himmelreich". Den Beginn dieses Himmelreiches und der Herrschaft
Gottes wollten die Templer, die sich als "Volk Gottes" sahen, in Palästina
erwarten. Neben der religiösen Bedeutung Palästinas als "Heiligem Land" spielten
noch wirtschaftliche Motive, also die schlechte materielle Situation in der
deutschen Heimat und politische Motive, insbesondere die Erwartung eines
baldigen Zusammenbruchs des Osmanischen Reiches, eine Rolle.[334]
Die religiösen Motive des Tempelordens waren von Beginn an unmittelbar mit
politischen Zielen verbunden. So nannte die Satzung des Tempelordens nicht nur
den Wiederaufbau des Jerusalemer Tempels als Ziel der Vereinigung, sondern auch
die territoriale Inbesitznahme Palästinas durch die Deutschen. Der erste
Paragraph, den eine Synode des Ordens annahm, lautete deutlich: "Die geistigen
und materiellen Interessen des deutschen Volkes finden ihre Erfüllung in der
Umwandlung und Besetzung des Orients."[335] War die Motivation der Templer
religiös, so mußte die Umsetzung dieser religiösen Programmatik politische
Folgen zwangsläufig nach sich ziehen. Wie auch immer man die religiösen Pläne
der Templer beurteilt, ihre Landnahme mußte von den Großmächten ebenso wie von
der türkischen Regierung als ein politischer Akt betrachtet werden. Die Region
Palästina war zu sehr im Blickfeld der internationalen Politik, als daß die
Aktivitäten der deutschen Siedler nicht unter machtpolitischen Gesichtspunkten
gesehen werden konnten.
Ein knappes Viertel der württembergischen Templer, um die 750 Personen, siedelte
zwischen den Jahren 1868 und 1875 nach Palästina über. Bis zum Ausbruch des
1.Weltkrieges stieg die Zahl der religiösen Auswanderer an, ging aber nie über
2200 Personen hinaus.[336] Die Zeit bis 1875 ist die Phase der Auswanderung und
ersten Ansiedlung. 1869 wurden die ersten Siedlungen in Haifa und Jaffa
errichtet. Es folgten 1871 Sarona, 1878 Jerusalem , 1902 Wilhelma, 1906 Galilean
Bethlehem und 1907 Waldheim als Siedlungsorte. Einige der Siedlungen, Sarona,
Waldheim, Bethlehem und Wilhelma, zum Teil auch Haifa, waren ländliche
Siedlungen, die anderen lagen im städtischen Gebiet.[337]
6.2.3. Die deutsche Politik und die Templer
Die einzige Hilfe von staatlicher deutscher Seite, die die Templer in der Phase
der ersten Ansiedlung erhielten, war diplomatischer Art. Deutsche Diplomaten
vermittelten den ersten Kontakt mit der Regierung in Konstatinopel.[338] Auch
gab es keinerlei Anzeichen einer staatlichen Ermutigung der Auswanderung. Erst
1877 kam es zu einer gewissen Änderung der deutschen Politik gegenüber den
württembergischen Siedlern. Aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen in
der Türkei mit dem christlichen Rußland bestand die Gefahr von moslemischen
Angriffen auf christliche Siedler im Osmanischen Reich. Bisher hatte die
deutsche Regierung die Wünsche der Templer nach der symbolischen Unterstützung
durch den Besuch deutscher Flotteneinheiten in Palästina ignoriert. Es galt
Bismarcks Linie, alle unnötigen Provokationen der anderen Mächte zu vermeiden.
Nun, da deutsche Bürger im Ausland in Gefahr waren, konnte die Regierung nicht
mehr weiterhin passiv bleiben. Unter der Zusicherung, es ginge nur um den Schutz
der Deutschen, kam es im Juli 1877 zum einzigen größeren Flottenbesuch eines
deutschen Geschwaders in Palästina bis zum Weltkrieg.[339] Lediglich der
Kaiserbesuch 1898 war eine ähnliche Ausnahme.
Das Hauptergebnis deutscher militärischer Machtdemonstration war in Deutschland
zu finden. Jetzt erst nahm eine breite, sympathisierende Öffentlichkeit vom
Projekt deutscher Siedlungen in Palästina Kenntnis. Die kaiserliche Flotte hatte
den Siedlern, selbst wenn dies nicht die Absicht der Regierung war, mit ihrem
Besuch einen offizielleren Status als bisher verliehen. In den Augen der
Siedler, ebenso wie in den Augen der anderen Mächte und der Türkei hatte das
Deutsche Reich seinen Anspruch auf Schutz über die Siedler demonstriert. Von
staatlicher deutscher Seite aus wurde den Templern dennoch auch in Zukunft
nichts geschenkt, sondern ihnen im Gegenteil diverse, zum Teil
existenzbedrohende Hindernisse zwischen die Füße geworfen. Abgesehen von einer
finanziellen Beihilfe zur Erhaltung einer deutschen Schule durch das Auswärtige
Amt bekamen die Templer bis 1918 keinerlei offizielle Hilfe aus Berlin. Von
einer bevorzugten Behandlung als deutscher Vorposten in Nahost konnte keine Rede
sein.[340]
Die Aufnahme einer aktiven, zunehmend imperialistisch geprägten "Weltpolitik"
durch Wilhelm II. führte, trotz oder gerade wegen dem deutschen Interesse am
Osmanischen Reich, nicht zu einer Förderung der bestehenden Siedlungen in
Palästina durch die deutsche Regierung. Die deutsche Expansionsstrategie war die
Bagdadbahnstrategie. Das extreme Mißtrauen der Hohen Pforte und der anderen
europäischen Mächte gegenüber jeglicher Siedlungstätigkeit im zerfallenden
Osmanischen Reich mußte beruhigt werden, um die wirtschaftlichen Vorstöße
Deutschlands, speziell das Bahnprojekt, nicht zu gefährden. So agitierten
Jungtürken gegen die Zusage, auch einen Streifen Land entlang der
Bagdadbahnlinie an Deutschland zu vergeben, mit dem Beispiel der
Templerkolonien: "Man wird dieses Terrain ausnutzen, man wird Kolonien darauf
gründen! Ist das nicht Landraub, ist das nicht Gründung eines Reiches in einem
anderen?! ... Diejenigen, welche an unseren Worten zweifeln, mögen sich `mal die
deutsche Kolonie in Haifa ansehen! Das ist ein deutsches Reich im Herzen des
Osmanischen Reiches!"[341] Ausnahmsweise stimmten hier die jungtürkische
Opposition und der Sultan überein.
Auch der zweite Besuch Kaiser Wilhelms II. 1898 im Nahen Osten, der ihn nach
Palästina führte, brachte keine großartigen Ergebnisse für die Templer. Weder
waren die Templer offizieller Grund für den Jerusalembesuch des Kaisers, noch
wurden die Siedlungen im offiziellen Protokoll nennenswert erwähnt.[342] So
führte der Besuch, obwohl als weltpolitisches Ereignis gesehen, zu keiner
Änderung der deutschen Kolonialpolitik im Bezug auf die Templersiedlungen.
"Offensichtlich ist also dem Besuch selbst bei der Beurteilung der Haltung der
deutschen Regierung zur Ansiedlung keine besondere Wichtigkeit beizumessen", so
Alex Carmel.[343] Den Templern gegenüber trat der Kaiser außergewöhnlich
warmherzig auf, lobte ihre Kultivierungsarbeit, versprach ihnen dennoch nichts,
was dem bisherigen Kurs widersprach. So sicherte Wilhelm II. den Siedlern seinen
weiteren Schutz zu und verwies dabei auf seine guten Beziehungen zum Sultan.
Aufgrund dieser Freundschaft hoffte der Kaiser, den Kolonialisten das Leben mit
den türkischen Behörden zu erleichtern. Für die Templer selber bedeutete die
Schutzzusicherung aus dem Munde des Kaisers "Anerkennung und damit auch äußere
Rechtfertigung" für ein "treues Beharren und mutiges Voranschreiten auf dem als
richtig erkannten Wege".[344] Ohne das türkische Mißtrauen zu verstärken, hatte
Wilhelm II. das Treiben der deutschen Siedler weiterhin sanktioniert. Neben dem
Flottenaufmarsch von 1877 galt der Kaiserbesuch den Kolonialisten als
Absicherung ihrer Position und führte gerade im Deutschen Reich zu einem
verstärkten Engagement sympathisierender Kreise. Mit einem diplomatischen Trick
gelangten Fördermittel aus dem Reich an die Templerkolonien. Um nicht in
Konflikt mit der Hohen Pforte zu gelangen, fand Reichskanzler Bülow einen
Ausweg. Eine mit dem württembergischen König verbundene "Gesellschaft zur
Förderung der deutschen Ansiedlungen in Palästina m.b.H." übernahm 1899 die
finanzielle Unterstützung. Diese Gesellschaft rechtfertigte dies sogar
ausdrücklich mit dem kaiserlichen Interesse an den Siedlungen in Palästina.[345]
Trotz dieser, für die Siedler positiven, wenn auch nicht qualitativ neuen
Entwicklung, verdüsterte sich die Zukunft bald. Fand die Einweihung des
Kaiser-Wilhelm-Denkmals in Haifa ausdrücklich ohne die von den Siedlern
gewünschte Anwesendheit eines deutschen Kriegsschiffes statt, so opferte Berlin
mit dem deutsch-französischen Abkommen die württembergischen Siedler der
Berlin-Bagdadstrategie. Wieweit Deutschland sich zum Schutze der Siedler
engagiert hätte, läßt sich nicht bestimmen. Für Unruhe bei den anderen Mächten
sorgte 1913 das demonstrative Erscheinen des Panzerkreuzers Göben im Hafen von
Haifa[346]. Doch 1914 wurde das Abkommen zwischen der französisch geführten
Banque Impériale Ottomane und der Deutschen Bank abgeschlossen, das die
Interessenssphären im Nahen Osten regelte. Da das
syrisch-libanesisch-palästinensische Eisenbahnnetz größtenteils in französischen
Händen lag, wurde dieser Bereich als besonderes Einflußgebiet Frankreichs von
deutscher Seite anerkannt. Der Ausbruch des Weltkrieges verhinderte das
Inkraftreten des Vertrages.[347]
6.2.4. "Bagdad" versus "Jerusalem"
Gehen wir davon aus, daß die offizielle Regierungspolitik und Diplomatie
wesentlich durch die wirtschaftlich führenden Kreise des Monopol-und
Finanzkapitals inspiriert wurde, so ergibt sich tatsächlich, daß hier kein
Interesse an territorialem Erwerb von Kolonien in Palästina bestand und die
bestehenden Siedlungen sogar als Gefahr für die Bagdadbahnpläne angesehen
wurden. Alex Carmel sieht drei Hauptursachen für die Ablehnung offizieller
deutscher Förderung der Templer: "Firstly, Berlin hardly knew how to dispel the
Turks` fear of assemblies of foreigners within the Ottoman Empire. Secondly, the
`People of God´ remained a concept which was alien to the spirit of the Germans.
And thirdly, Jerusalem - and Palestine in general - lay outside the sphere of
German interests, which concentrated from now on primarily along the track of
the Baghdad railway line."[348] Aus wirtschaftlicher Sicht ist es richtig, daß
Palästina weder einen großen Markt für deutsche Exportgüter bot, noch
interessante Rohstoffvorkommen. Beides gab es dagegen in reichhaltigem Maße
entlang der Bagdadbahnstrecke.
Carmels Behauptung "Thus there was even now nothing in Palestine worthy of real
German interest"[349] ist zu einseitig. Ihm ist zuzustimmen, wenn deutsche
Interessen lediglich mit den rationalen Wirtschaftsinteressen des
Monopolkapitals identifiziert werden. Doch außenpolitische Interessen wurden in
Deutschland nicht nur durch diese Kreise vertreten. Um den "Neuen Kurs" einer
aktiven Weltpolitik zu betreiben, war die politische Führung auf die Zustimmung
breiter Massen der deutschen Bevölkerung angewiesen. Propagandistische
Organisationen mit Multiplikatorenfunktion wie der Alldeutsche Verband, der
Flottenverein und andere radikale Stimmungsmacher sorgten für die Duldung und
Unterstützung imperialistischer Politik. Die kolonialistisch geprägte Denkweise
des Volkes war weniger eine an monopolkapitalistischen Profitinteressen
orientierte. Vielmehr herrschte hier ein teils romantisch, teils
rassistisch,teils religiös verbrämter Wunsch nach Kolonien vor. Wer die deutsche
Interessen in Palästina beurteilen will, kommt nicht umhin, auch die Wünsche und
Ziele derjenigen, durchaus einflußreichen Gruppen im Kaiserreich zu betrachten,
die sich zu Propagandisten des Kolonialismus gemacht haben.[350]
Ein Interesse an Palästina als Einflußgebiet für die Deutschen hatte schon
Helmuth Graf von Moltke in den 40er Jahren des 19.Jahrhunderts während seiner
Zeit als Militärberater in der Türkei geäußert.[351] Auch der Nationalökonom
Friedrich List vertrat den Plan einer deutschen Besiedlung Palästinas.[352] Von
jetzt an nahm das "Heilige Land" in den Kolonialplänen der Deutschen seinen
festen Platz ein. Es waren tatsächlich nicht die entstehenden Kreise des
Finanzkapitals, sondern vielmehr die Mittelschichten, die sich zu
Hauptverfechtern deutscher Palästinaorientierung machten. Horst Gründer, der
sich intensiv mit dem Zusammengehen von religiösen Heilsideen und
kolonialistischer Ideologie auseinandergesetzt hat, erkennt "eine
mittelständische Siedlungsideologie, die aus dem religiös-kulturellen Bereich
die stärksten Impulse erhielt" als Triebkraft deutschen Palästinaengagements und
eben nicht "das deutsche Finanzkapital oder konjunkturelle
Wachstumsstörungen".[353] Wenn der religiös radikalisierte Mittelstand Träger
deutschen Kolonialinteresses in Palästina war, müssen die Templersiedlungen als
praktische Ausführung dieser Pläne verstanden werden. Sowohl die Deutsche
Kolonialgesellschaft, als auch der Deutsche Kolonialverein schossen sich nach
anfänglichem Desinteresse Mitte der 80er Jahren auf das Palästinaprojekt ein und
wurden den Templern treue Bundesgenossen.[354] So verkündete Fürst zu
Hohenlohe-Langenburg, Vorsitzender des Deutschen Kolonialvereins, auf der
Generalversammlung 1884, die Templer-Niederlassung in Jaffa sei die einzige
deutsche Kolonie, deren Einwohner die deutsche Staatsbürgerschaft beibehalten
hatten.[355] Für viele Propagandisten deutscher Kolonialpolitik waren die
Templersiedlungen in der Tat echte Kolonien, auch wenn sie von der kaiserlichen
Regierung bis zuletzt als Privatprojekt betrachtet wurden. Doch nach einer Phase
der engen Zusammenarbeit gingen die deutschen Kolonialistenvereine nach
Errichtung deutscher "Schutzgebiete" in Afrika dazu über, ihre
Hauptunterstützung diesen offizielleren Formen des Expansionismus zu
widmen.[356] Lediglich der Alldeutsche Verband, jene von der Schwerindustrie
gesponsorte Propagandatruppe, die völkischen Nationalismus mit utopischen
Expansions-und Siedlungsprojekten verband, besaß Zweigstellen in Jaffa und
Jerusalem, die von den Templern gebildet wurden. Die Templer schickten sooft wie
möglich Vertreter auf die Versammlungen des Verbandes nach Deutschland und die
Werbung für ein deutsches Palästina bildete einen Schwerpunkt der alldeutschen
Propaganda. Da der Alldeutsche Verband als halboffizielle
Öffentlichkeitsabteilung der Kohle,- Stahl und Rüstungsmonopole fungierte, ist
die Templerpropaganda in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzen.[357]
6.2.5. Die politische Bedeutung der Templerkolonien
Wir kommen nicht umhin, die Templerkolonien als reelle deutsche Einflußgruppe im
Nahen Osten zu verstehen. Entgegen ihrer geringfügigen Zahl von wenigen Tausend
waren die Siedler in Palästina durchaus einflußreich. Als Eigentümer der
wichtigsten Handelsfirmen, Hotels und anderer wirtschaftlicher Niederlassungen
stellten die Templer ein finanziell abgesichertes Element in Palästina dar und
konnten zur Entwicklung des Landes beitragen.[358]
Auch wenn dies niemals der Plan der Reichsregierung gewesen ist, stellte die
Existenz der deutschen Siedlungen ein Politikum dar. Verbunden mit der
Propaganda deutscher Kolonialistenclubs von der Besiedlung des Osmanischen
Reiches mit deutschen Auswanderern, mußten die Templerkolonien zumindestens in
den Augen des mißtrauischen Sultans eine territoriale Gefährdung des labilen
Reiches darstellen. Für die Bagdadbahnstrategie des Großkapitals war die
Besänftigung der türkischen Führung daher lebensnotwendig. Gleichzeitig durften
diese expansionistischen Finanzkreise ihre Unterstützer in der deutschen
Bevölkerung nicht verprellen, um sich hier ein innenpolitisches Klima für ihre
Weltpolitik zu erhalten. Es war der Druck romantisch und
religiös-nationalistisch gesonnener Mittelstandskreise, der die deutsche
Außenpolitik weiterhin zwang, den Templern Schutz zu gewähren. Carmel sieht hier
das entscheidende innenpolitische Element: "Das Auswärtige Amt konnte jedoch
nicht nur gemäß seiner politischen Überzeugung handeln. Die jeweiligen
Gegebenheiten zwangen oft dazu, im Rahmen der Beziehungen zum ottomanischen
Reich anders zu handeln, als es Berlin wünschenswert erschien. Als Hauptursache,
die Berlin veranlaßte, die deutschen Siedler im Lande über das gewünschte Maß
hinaus zu stützen, muß der Druck der öffentlichen Meinung in Deutschland, des
württembergischen Königshauses und des Königlichen Ministeriums der Auswärtigen
Angelegenheiten sowie der deutschen Admiralität genannt werden."[359]
Fallengelassen im Rahmen des Abkommens mit Frankreich wurden die Templer erst,
als das Deutsche Reich schon eine Handvoll tatsächlicher Kolonien und
Schutzgebiete vorweisen konnte und sich darum das Hauptinteresse der deutschen
Kolonialverbände nicht mehr auf die kleinen, informellen Kolonien in Palästina
richtete. Das erfolgreichere Großprojekt der Bagdadbahn rechtfertigte in den
Augen deutscher Außenpolitiker die Auslieferung der deutschen Siedler an
Frankreich. "Die politische `Bagdad-Konzeption´ blieb der
`idealistisch´-nationalistischen `Jerusalem-Konzeption´ stets übergeordnet, und
wo beide außen- und weltpolitischen Konzepte in Widerspruch gerieten, zog die
Berliner Politik die türkische Partnerschaft vor", so Gründer.[360]
6.3. Deutschland und die Juden in der Türkeipolitik
6.3.1. Die Stellung der Juden in der deutschen Strategie
An kaum einem anderen Beispiel in der Geschichte läßt sich die Brutalität
imperialistischer Politik ebenso wie die Doppelzüngigkeit in Fragen der
Außenpolitik beweisen, wie am Umgang mit den Juden durch das Deutsche Reich.
Wurde der Kampf gegen das Judentum zum offiziellen Kriegsziel im Zweiten
Weltkrieg ernannt und das Universalfeindbild "Jude" zur Mobilisierung des
deutschen Volkes für die Interessen des nationalsozialistischen Staates
gebraucht, so war die deutsche Judenpolitk beim ersten Anlauf zur Weltmacht
grundverschieden.
Wie am Beispiel der Templer gezeigt, hatten die führenden imperialistischen
Kreise in Industrie und Politik kein Interesse daran, das Mißfallen der anderen
Großmächte und der Türkei mit dem Verdacht zu erregen, territoriale
Kolonialpolitik im Osmanischen Reich zu betreiben. Dennoch war die deutsche
Weltpolitik an Einfluß in der Nahostregion interessiert, einem Einfluß, der
nicht nur die Gebiete entlang der Bagdadbahntrasse betreffen sollte. Gerade
kultureller und sprachlicher Einfluß sollte garantieren, daß deutsche Interessen
in der Region gewahrt blieben.
Hierfür sahen Vordenker der deutschen Orientpolitik gerade in den jüdischen
Siedlern ein, für die anderen Mächte unverdächtiges Element, dessen sich die
deutsche Politik bedienen könnte. "Sind doch die Juden in gewissem Sinne in
Deutschland ein vorderasiatisches und in der Türkei ein deutsches Element", wie
es der deutsche Jude Davis Trietsch, Vordenker der kaiserlichen Nahostpolitik,
ausdrückte.[361] Trietsch war Aktivist der zionistischen Bewegung, die nach der
Theorie Theodor Herzls für einen eigenen Judenstaat in Palästiana kämpfte.[362]
Daneben war Trietsch Mitglied im "Deutschen Vorderasienkomitee", einer
Vereinigung akademischer, militärischer und wirtschaftlicher Vordenker und
Propagandisten der deutschen Orientpolitik.
Trietsch forderte die Außen- und Kulturpolitik nun genau dazu auf, die jüdische
Bevölkerung des Osmanischen Reiches als troianisches Pferd für deutsche
Interessen zu verwenden. Neben 15.000 Deutschen "im weiteren Sinne" ermittelte
er für die europäische Türkei 50.000 deutschsprechende Juden. In der asiatischen
Türkei kämen zu 5000 Deutschen 70.000 deutschsprechende jüdische
Einwohner.[363] In der Türkei und ihren Vasallenstaaten lebten also neben fast
30.000 Deutschen auch um die 125.000 deutschsprachige Juden. "Da nun die Juden
der ganzen Welt nicht nur nach Sprache, Kultur und Wirtschaft, sondern auch in
politischen Sinne eine große Hinneigung zu Deutschland zeigen, so kann es keinem
Zweifel unterliegen, daß hier eine Interessengemeinschaft gegeben ist, wegen
deren das Thema `Die Juden der Türkei´ in Deutschland heute eine ungewöhnlich
starke Anteilnahme beanspruchen darf", so Trietsch.[364] Besonders interessant
für deutsche Interessen seien dabei die 10.000 deutschsprechenden Juden in
Konstantinopel und die Juden in Palästina.[365] Letztere seien gerade gegenüber
den deutschen Templerkolonien beachtenswert. "Wenn wir gesehen haben, daß diesen
[den Templern, A.d.V.] etwa 12.000 Juden - wovon ein Zehntel auf den Dörfern -
gegenüberstehen, so ist es klar, daß die Juden für Palästina das wichtigere von
diesen beiden europäischen Elementen bilden."[366] Trietsch folgte hier der
Argumentation des zionistischen Vordenkers Theodor Herzl, der den deutschen
Kaiser so als Unterstützer für einen Judenstaat gewinnen wollte.
6.3.2. Wilhelm II. und der Zionismus
Theodor Herzl hatte erkannt, daß die europäischen Großmächte in einem
strategisch wichtigen Gebiet wie dem Osmanischen Reich nur den Juden die
Niederlassung in größerer Zahl erlauben würden, alle anderen Gruppen, die direkt
mit einer der Mächte verknüpft waren, würden Konflikte provozieren. Die Juden
als scheinbar neutrale nationale Gruppe würden den Einfluß Deutschlands in der
Region vermehren, aber auch zur Stärkung des labilen Osmanischen Reiches mit
ihrer Finanzkraft beitragen, was ebenfalls im deutschen Interesse läge. Herzls
Idee war die eines autonomen Judenstaates im Osmanischen Reich unter deutschem
Protektorat.[367] "Eine chartered Company - unter deutschem Schutz" sei alles,
was die Zionisten von Wilhelm II. wünschten, so Herzl während der kaiserlichen
Palästinareise.[368]
Kaiser Wilhelm zeigte schon aus innenpolitischen Motiven Interesse an der Idee
eines Judenstaates. Bezeichnend ist wohl eine Randbemerkung des Kaisers von
1897: "Ich bin sehr dafür, daß die Mauschels nach Palästina gehen; je eher sie
dorthin abrücken, desto besser. Ich werde ihnen keine Schwierigkeiten in den Weg
legen."[369] Hier sprach aus dem Kaiser offener Antisemitismus. Auf Grund von
Vorurteilen über die "reichen" und "geschäftstüchtigen" Juden erhoffte sich der
Kaiser eine wirtschaftliche Gesundung der Türkei: "Ich bin der Überzeugung, daß
die Besiedelung des Heiligen Landes durch das kapitalkräftige und fleißige
Volk Israel dem ersteren bald zu ungeahnter Blüthe [sic] und Segen gereichen
wird, der sich auch weiterhin ausdehnend zu einer bedeutenden Wiederbelebung und
Erschließung von Kleinasien entwickeln kann. Das hinwiederum bedeutet aber
Millionen in den Beutel der Türken - und des Großherren Effendis - und damit
eine allmähliche Sanierung des sog. `kranken Mannes´, wodurch ganz unbemerkt die
leidige `Orient Frage´ wenigstens vom Mittlimes abgewendet und mählig erledigt
würde, denn wird der Türke wieder gesund, d.h. kriegt er auf natürliche Weise
ohne zu pumpen Geld, dann ist er nicht mehr krank, baut sich seine Chausseen und
Eisenbahnen selbst ohne die fremden Gesellschaften, und dann kann er nicht so
leicht aufgeteilt werden!"[370] Daß der Kaiser hier seinem antisemitischen Wahn
zum Opfer fiel, ist offensichtlich, dennoch sahen auch realistischere Kreise in
den Juden der Türkei einen interessanten Wirtschaftsfaktor für Deutschland. Das
"Deutsche Handels-Archiv" veröffentlichte einen "Handelsbericht des kaiserlichen
Vizekonsulats in Jaffa für das Jahr 1912", in dem auf die Bedeutung der Juden
Palästinas eingegangen wurde.[371] Daß die Handelsausfälle für Deutschland, die
durch die politischen Wirren in der Region entstanden, für das Jahr 1912
geringer als erwartet waren, wird als Verdienst des "ideellen Faktors Zionismus"
gewertet.[372] Als Erklärung hierfür erläutert der Bericht die Rolle jüdischer
Einwanderer in der Türkei: "Sind die Zionisten auch in erster Linie national
gesinnte Juden, so haben doch viele von ihnen rege Beziehungen zu Deutschland.
... Unter den vielen aus Rußland, Österreich-Ungarn und Rumänien gekommenen
Juden befindet sich mancher, der von früher her Geschäftsverbindungen mit
deutschen Häusern hat und diese in Palästina weiter pflegt. Ferner befinden sich
gerade unter den Leuten in leitender Stellung, wie Ärzten, Technikern und
studierten Landwirten, Personen, die eine deutsche Hochschulbildung genossen
haben und deshalb geneigt sind, ihr Material, in dem, wie in dem Vorstehenden
ausgeführt, die deutsche Ausfuhrindustrie besonders leistungsfähig ist, aus
Deutschland zu beziehen."[373] Es gab also sowohl wirtschaftliche wie kulturelle
Einflußmöglichkeiten für Deutschland über die Juden im Osmanischen Reich.
Nun soll untersucht werden, wie sich abseits theoretischer Überlegungen des
Kaisers oder der Zionisten die tatsächlichen Beziehungen der deutschen Politik
zu den Juden gestalteten.
Der Kaiser war aus antisemitischen, wie aus machtpolitischen Gründen Herzls Plan
vom Judenstaat anfangs tatsächlich zugetan. So gewährte er während der
Orientreise dem zionistischen Führer eine Audienz, in der dieser um ein
deutsches Protektorat für die Juden in Palästina bat. Wilhelm II. versprach, daß
"alle diejenigen Bestrebungen auf sein wohlwollendes Interesse zählen könnten,
welche auf eine Hebung der Landwirtschaft in Palästina zur Förderung der
Wohlfahrt des türkischen Reiches unter voller Beachtung der Landeshoheit des
Sultans abzielten."[374] Der Kaiser, der von der Furcht des Sultans Abdu Hamid
vor fremden Kolonien auf osmanischem Gebiet wußte, mußte seine Zusagen so
unverbindlich wie möglich formulieren, um seinen Gastgeber nicht zu verärgern.
Aufgrund der feindlichen Haltung des Sultans gegenüber dem Zionismus gab der
Kaiser nach zwei Versuchen erfolglos auf, den Sultan zu Herzls Projekt zu
überreden. Trotzdem wird die Begegnung Wilhelms II. mit Theodor Herzl im
Nachhinein positiv bewertet. Der Zionismus war zum ernstzunehmenden
Verhandlungspartner aufgestiegen und hatte seine Autorität auch innerhalb der
Juden gefestigt.[375]
Auch der Versuch, den Judenstaat unter dem Dach einer privatrechtlichen
Kolonisationsgesellschaft zu schaffen und sich lediglich des Schutzes des
Badischen Großherzogs zu versichern, um den Kaiser vor vollendete Verhältnisse
zu stellen, scheiterte am Kaiser und Kanzler Bülow.[376] Das Projekt der
deutschen Zionisten, einen Judenstaat unter Schirmherrschaft des deutschen
Kaisers zu errichten und dadurch den deutschen Einfluß im Osmanischen Reich zu
konsolidieren, war gescheitert. Der Grund war, wie bei Ablehnung der
Templersiedlungen, die Angst vor der negativen Reaktion des Sultans und der
anderen Großmächte. Die zionistische Organisation war, obwohl ungleich stärker
als die Templer, zu schwach, um ein ersthafter Verbündeter für Deutschland zu
sein und der Nutzen eines "deutschen" Judenstaates war ungleich geringer als die
Gefahr internationaler Verwicklungen und empfindlicher Störungen des
Bagdadbahnprojektes. Ein deutsches Protektorat für den Judenstaat war für
Wilhelm II. nur mit der Unterstützung des Sultans denkbar gewesen.[377] Der
Staatssekretär im Auswärtigen Amt, von Richthofen, erklärte im Herbst 1903 noch
einmal: "Gleichzeitig würde aber ein Eintreten Deutschlands für den Herzlschen
`Judenstaat` allen unseren sonstigen Bestrebungen in der Türkei einen nicht
wiedergutzumachenden Schaden zufügen."[378]
6.3.3. Förderung des "Deutschtums" durch
jüdische Siedler
Die Möglichkeit deutschen Einflußes auf das Osmanische Reich mit Hilfe der Juden
war durch den Bruch mit den Zionisten nicht beendet. Nun wurde allerdings die
anfangs schon erwähnte kulturelle Förderung der jüdischen deutschsprachigen
Siedler in den Vordergrund gestellt. Das entscheidende Instrument der deutschen
Außenpolitk wurde hierfür der 1901 gegründete "Hilfsverein der deutschen
Juden".[379] Diese Vereinigung agierte im Unterschied zu den Zionisten von
Anfang an mit Zustimmung des Auswärtigen Amtes im Sinne deutscher Orientpolitik.
Und diese Orientpolitk konnte nur bedeuten, in einem Kulturkampf das deutsche
Element, insbesondere die deutsche Sprache, im Osmanischen Reich zu fördern und
den kulturell-sprachlichen Einfluß Frankreichs, insbesondere in Palästian und
Syrien, zurückzudrängen.[380] Obwohl, durchaus im nationalen Interesse auch der
Zionisten, die vielfältigen Schulen des Hilfsvereins in Palästina die hebräische
Sprache lehrten, stand in den weiterführenden Schulen die deutsche Sprache
vorrangig auf dem Programm, um dem franzöischen Einfluß entgegenzutreten.
Hauptkonkurrent im Kampf um die kulturelle Hegemonie unter den Juden war die von
Frankreich geförderte "Alliance Israélite Universelle", deren Aktivität dem
Auswärtigen Amt ein Dorn im Auge war.[381]
Das wichtigste Projekt der kulturellen Durchdringung Palästinas mit dem Geist
des "Deutschtum" wurde der Aufbau eines Technikums als erster Universität
Palästinas durch den Hilfsverein und weitere jüdische Organisationen.[382] Zum
offenen Konflikt mit den Zionisten kam es, als die Vertreter des Hilfsvereins im
Einklang mit dem Auswärtigen Amt die deutsche Sprache als Unterrichtssprache
festsetzen wollten, zionistische Kräfte dagegen dem Hebräischen den Vorrang
gaben. Der deutsche Vizekonsul in Haifa, im Einklang mit dem Kaiser, wollte eine
"formale Verpflichtung zum dauerhaften Erhalt der deutschen Unterrichtssprache"
erzwingen. Der Entschluß des Hilfsvereins für die deutsche Sprache führte zum
Wegbrechen weiter Teile des Lehrkörpers und der Schüler des Vereins ins
zionistische Lager.[383] Über die Bedeutung der Sprachfrage ließ sich ein
deutscher Diplomat 1914 in einem Interview aus: "An der besonderen Pflege der
deutschen Sprache in Palästina [hatte das Auswärtige Amt, A.d.V.] außer der
wirtschaftlichen Erstarkung und Ertüchtigung der dortigen jüdischen Jugend das
Interesse, daß die deutschen Juden, welche sich im Heiligen Land angesiedelt
haben, und ihre Nachkommen, die nach unseren Konsularberichten zu den
wertvollsten Elementen der dortigen Judenheit gehören, im dauernden
Kulturzusammenhange mit ihrem deutschen Stamm-und Mutterlande bleiben, und so
auch für das Wirtschaftsleben des Mutterlandes nützliche Dienste leisten."[384]
Letzlich setzten sich die Zionisten im Frühjahr 1914 mehrheitlich mit dem
Hebräischen als Unterrichtssprache an den jüdischen Schulen durch. In
Deutschland waren sie dafür absolut isoliert in der jüdischen Bevölkerung.[385]
Von der deutschen Außenpolitk wurde der Zionismus nun mit offener Feindschaft
bedacht.
6.3.4. Bedeutung der deutsch-jüdischen Beziehungen
Am Beispiel der deutsch-zionistischen Beziehungen, ebenso wie in der Behandlung
der Templer, hat die deutsche Außenpolitk bewiesen, daß sie kein territoriales
Interesse in Palästina in Form von Kolonien oder Protektoraten hatte. Nichts,
was den Bau der Bagdadbahn und die Freundschaft zur türkischen Führung gefährden
könnte, durfte unternommen werden. Gleichzeitig haben die deutschen Diplomaten,
Außenpolitiker und Expansionspropagandisten sehr wohl begriffen, daß kulturellem
und sprachlichem Einfluß im Osmanischen Reich der wirtschaftliche Einfluß folgen
wird. Die Förderung von jüdischen Projekten, die, wie das Technikum, zur
Verbreitung des "Deutschtum" geeignet waren, sollte Frankreich indirekt
schwächen. Sicherlich war der Schauplatz Palästina nicht Hauptziel deutscher
Penetration des Osmanischen Reiches, doch die wirtschaftlichen Gewinne, ebenso,
wie die mögliche Zurückdrängung des französischen Einflußes, erklärte diese
Politik auch in Palästina. Nach außen hin konnte dem Deutschen Reich kein
Vorwurf gemacht werden, waren die Juden doch eine eigene Volksgruppe und nicht,
wie zum Beispiel die Templer, Deutsche. Gleichzeitig bildeten die
deutschsprachigen Juden, oftmals geführt von in Deutschland ausgebildeten
Akademikern, einen nicht zu verleugnenden Bestandteil der deutschen
Siedlergemeinde.[386] Schon ohne offizielle Förderung seitens der deutschen
Außenpolitik bestand über diese freiwilligen Auswanderer ein Einfluß in der
Region, der nur noch ausgebaut und gefestigt werden mußte. Dazu kam noch der
indirekte Einfluß auf die deutschsprachigen Juden in anderen Teilen des
Osmanischen Reiches, speziell in Konstantinopel, die unmittelbar im deutschen
Interessensgebiet lagen.
Das Scheitern dieser Politik im Sprachenkampf und beim Versuch, den Zionismus zu
verdrängen, hängt mit einem Grundübel imperialistischer Politik zusammen.
Volksgruppen werden hier nur nach ihrer Brauchbarkeit für Herrschafts-und
Expansionskonzepte gesehen und nicht als Gemeinschaften mit nationalem und
kulturellem Selbstbestimmungsrecht. Die jüdischen Kolonien wurden nur als
"Objekt deutscher Interessenausübung"[387] und nicht als Bevölkerungsgruppe mit
eigenen Interessen behandelt. Auch dem Hilfsverein ist der Vorwurf zu machen,
neben philantropischen Motiven die jüdischen Siedler primär unter dem
Gesichtspunkt deutscher Nahostpolitk instrumentalisiert zu haben.
6.4. Religion und Kultur für die Verbreitung des "Deutschtums"
6.4.1. Ziele des Kulturimperialismus
Die Strategie der friedlichen Durchdringung des Osmanischen Reiches umfaßte, wie
am Beispiel der deutsch-jüdischen Beziehungen dokumentiert wurde, eine
auswärtige Kulturpolitik. Doch was bezweckte diese Kulturpolitik im einzelnen
und was versprachen sich die Förderer im Auswärtigen Amt davon? War die
Verbreitung des "Deutschtums" nur dem missionarischen Eifer völkisch denkender
Gruppen entsprungen, oder lag ein rationales Interesse dahinter?
Um diese Fragen zu beantworten, ist es sinnvoll, sich mit der Meinung von
Vertretern des deutschen Vorderasienkomitees auseinanderzusetzen. Das Komitee
war keine Regierungsorganisation, sondern eine Gesellschaft, die alle, an einer
deutschen Nahostexpansion interessierten Kreise, vom ehemaligen Leiter der
Militärmission, Colmar von der Goltz, über den Zionisten Davis Trietsch bis hin
zu wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und diplomatischen Vertretern
versammelte. Erklärtes Ziel des 1906 gegründeten Vereins war "Verständnis und
Kenntnis über die einer neuen politisch, geistigen und wirtschaftlichen
Entwicklung entgegengehenden Lande des vorderen Orients zu verbreiten".[388]
Offen war das Vorderasienkomitee für alle, "die der Weiterentwicklung der
deutschen Kulturpolitik, wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Ziele im
vorderen Orient Teilnahme und Unterstützung entgegenbringen wollen".[389]
Grothe, der Leiter des Vorderasienkomitees, war sicherlich kein offizieller
Sprecher der kaiserlichen Regierung. Doch seine Propagandaarbeit geschah im
engen Kontakt und mit Fördermitteln des Reiches. Sie hatte insofern
semi-offiziellen Charakter und spiegelte wenigstens die Auffassung des Kaisers
sowie nennenswerter Kreise des Auswärtigen Amtes, wie dem Botschafter Marschall
in Konstantinopel, wieder.[390]
In einer Broschüre des Deutschen Vorderasienkomitees formuliert Hugo Grothe:
"Als Leitsätze auswärtiger Politik kann sich Volk und Regierung nicht
eindringlich genug folgende Erfahrungen anderer Welthandels- und
Kolonialnationen einprägen: Zwischen geistigem und wirtschaftlichem Einflusse im
Auslande bestehen die tiefgehendsten Beziehungen. Die Träger geistiger Kultur:
Sprache, Buch, Wissenschaft und Kunst vermögen in Gebieten erwachender und nach
europäischem Geiste sich umbildender Kulturen ein breites Wirkungsfeld für die
vielfältigen materiellen Expansionsmittel einer Groß- und Welthandelsmacht
vorzubereiten. Handel, Kapital, Industrie, Technik eines Staates ziehen mit
leichten Schritten in ein Land ein, auf dessen Erziehung und Geistesbildung
schon starker Einfluß gewonnen wurde. Und im Gefolge des erlangten geistigen und
wirtschaftlichen Spielraums vermag die Politik ihre wirksamsten Kreise und
Berechnungen zu ziehen."[391]
Daß Kulturimperialismus wirtschaftliche Expansion nach sich zieht und das
kulturell durchdrungene Land enger an die dort aktive Großmacht bindet, ist
durch die geschichtliche Erfahrung belegt. Die Haltung der deutschen Regierung
gegenüber den Juden, die Förderung deutsch-jüdischer Schulen und die Haltung im
Sprachenstreit am Technikum belegen das Interesse auf offizieller deutscher
Seite im Einklang mit den Forderungen des Deutschen Vorderasienkomitees und
ähnlicher Verbände. Um nicht nur die propagandistische Seite zu sehen, ist es
notwendig, die praktische Umsetzung der deutschen Auslandskulturpolitik, sowohl
von staatlicher, als auch von unabhängiger Seite zu beleuchten.
6.4.2. Das deutsche Schulwesen in der Türkei
Ein wesentliches Instrument, um kulturellen Einfluß zu bekommen, ist der Aufbau
von Schulen, in denen die Kinder der Einheimischen mit der deutschen Kultur
vertraut gemacht werden, um so eine besondere Bindung an Deutschland zu
entwickeln. Hier sollen zuverlässige Vertreter deutscher Interessen herangezogen
werden. Paul Rohrbach etwa hatte die Sorge, die Bagdadbahn würde am Ende
vornehmlich den anderen Mächten nützen, die in dem Gebiet schon einen
kulturellen Einfluß geschaffen hätten. Vordringlichste Aufgabe, so Rohrbach, sei
der Aufbau deutscher Schulen und ärztlicher Stationen in der Türkei. Die hierfür
verwendeten Gelder würden sich direkt in Importwert umsetzen.[392] Auch
Diplomaten wie Botschaftsrat Wangenheim und Botschafter Marschall forderten von
Berlin verstärkte Schulförderung. Wangenheims Plan für "Deutsche Propaganda in
Kleinasien" von 1902 sah die langfristige Errichtung von 20 Schulstationen
entlang der Anatolischen und Bagdadbahn vor.[393] Die Umsetzung der
Kulturpropaganda war allerdings äußerst mangelhaft.
1913 umfaßte das deutsche Schulwesen im Osmanischen Reich drei höhere
Lehranstalten in Smyrna, Aleppo und Jerusalem, gehobene und mittlere
Volksschulen in Haidar-Pascha, Eskischehir und Bagdad und ein Dutzend, von
religiösen Vereinigungen und kirchlichen Missionen getragene Schulen in
Palästina, Mesopotamien und Kleinasien.[394] Dazu kam noch die Errichtung des
Technikums in Haifa als erster Universität in Palästina. Zum Vergleich hierzu
schreibt Paul Rohrbach 1912 von mindestens sechshundert französischen Schulen
und einem bedeutenderen englischen und amerikanischen Schulwesen in der
Türkei.[395]
Der bis 1913 erreichte kulturelle Einfluß durch Schulen wird von Hugo Grothe als
viel zu gering eingeschätzt und er stellt eine Liste von geeigneten Orten für
deutsche Schularbeit zusammen. Diese Schulen sollten durch Büchereien, Kinos,
Zeitungen und Stipendienvergabe unterstützt werden.[396] Hier beständen
allerdings noch große Lücken und vielfache Aufgaben für die Kulturarbeit: "Eine
Erweiterung der deutschen Schularbeit ergibt sich also als unabweisbare
Notwendigkeit."[397]
Auch der zum Botschafter beförderte Wangenheim mußte 1913 erkennen, daß von
seiner weitreichenden Planung von 1902 nahezu nichts umgesetzt werden
konnte.[398] Weitaus effektiver scheinen die Franzosen mit ihrer Kulturpolitik
gewesen zu sein, wie der Historiker van Kampen am Beispiel der deutschen Schule
in Eskischehir, die hauptsächlich von der Anatolischen Eisenbahngesellschaft
getragen wurde, zeigt: "Die französischen Aktivitäten in Eskischehir hatten mit
der Einrichtung einer Armenapotheke begonnen, der erst eine Mädchenschule und
später eine Knabenschule folgten. Obwohl deren Leitung in den Händen
katholischer Ordensbrüder und -schwestern lag, suchten diese doch
keine Proselyten zu machen, sondern verfolgten als einziges sichtbares Ziel die
Erweckung von Sympathien für Frankreich und die Verbreitung der französichen
Sprache; ... Während die deutsche Schule mit ihrem unklaren nationalen Charakter
und sonstigen Mängeln also höchstens erreichte, daß allmählich eine gewisse
Anzahl eingeborener Kinder deutsch sprechen lernte, ohne besondere Sympathien
für Deutschland zu erwecken, trieben die französischen Einrichtungen praktische
Propaganda und erzielten Erfolge, die der französischen Politik direkt und
indirekt zugute kamen."[399] Diese Beschreibung geht auf Wangenheims
Beobachtungen von 1902 zurück, scheint sich aber 1913 nicht gravierend geändert
zu haben. Die deutsche Methode, kulturellen Einfluß zu gewinnen, ist der
französischen Art abgeschaut, wurde aber bis zum Krieg nur halbherzig umgesetzt.
"Verschwindend gering ist bisher die Bedeutung der deutschen Anstalten in der
Türkei.... Die Qualität der deutschen Schulen, auch der kleineren, ist in der
Türkei zwar durchwegs gut, aber bei ihrer geringen Zahl kann ihnen ein merklich
in die Tiefe und Breite gehender Einfluß unmöglich zugesprochen werden", so das
vernichtende Urteil Rohrbachs.[400]
Die mit der Materie vertrauten Diplomaten ebenso wie die Orientkenner Rohrbach
und Grothe hatten zwar die Notwendigkeit verstärkter Kulturarbeit frühzeitig
erkannt, die Umsetzung scheiterte neben anderer Prioritätensetzung aber auch am
mangelnden "Bewußtsein von der Notwendigkeit einer deutschen Kulturpropaganda im
islamischen Orient" bei der deutschen Bevölkerung. Das Deutsche
Vorderasienkomitee sieht gerade die Notwendigkeit der Kulturpropaganda auch im
deutschen Volk selbst, um die Nahostexpansion zu unterstützen.[401]
6.4.3. Religiöse Vereinigungen fördern deutschen Einfluß
"Along with economic and political motives for imperialist ventures there
frequently goes a religious motive. That such should be the case in the Near
East was to be expected because of the religious appeal of the Ottoman Empire as
the homeland of the Jews, the birthplace of Christianity, the cradle of
Mohammedanism", schreibt der amerikanische Historiker Edward Mead Earle.[402] Am
Beispiel der Templer wurde aufgezeigt, wieweit sich religiöse Motive mit
kolonialistischen Interessen decken, aber auch, wo die Differenzen zur deutschen
Führung lagen. Es ist dem Historiker Horst Gründer zuzustimmen, wenn er
feststellt, "daß gerade der Machtgegensatz und das imperialistische Streben in
Palästina zu jenem Zeitpunkt nicht auf territorialen Ansprüchen, sondern auf
religiös-kultureller Vorherrschaft beruhte".[403] Zwar hatte die staatliche
deutsche Schulpolitik ihre Möglichkeiten vernachläßigt. Dies kann für die
vielfältigen, nicht-staatlichen religiösen Aktivitäten deutscher Christen und
die, ihnen zukommende Unterstützung durch das Deutsche Reich nicht gesagt
werden. Ein "Friedlicher Kreuzzug" wurde von den christlich-nationalistischen
Organisationen verkündet.[404]
Seit 1860 war die protestantische Mission durch die Kaiserswerther Diakonissen
im Heiligen Land aktiv. Der protestantische Jerusalem-Verein in Jerusalem und
Bethlehem existierte seit 1869. 1896 folgten die Evangelische Union und die
Deutsche Orient Mission. Besonders die Rolle des Jerusalem-Vereins ist dazu
geeignet, die imperialistische Dimension der Orientmission aufzuzeigen, stand
diese Organisation doch unter dem Schutz der deutschen Kaiserin Auguste
Victoria. Die Errichtung der "Kaiserin Auguste Victoria Stiftung" 1910 auf dem
Ölberg durch den Jerusalem-Verein unter Patronage und Finanzierung der
Hohenzollern wurde allgemein als imperiales Symbol deutscher Orientinteressen
verstanden.[405] Auf katholischer Seite waren der Deutsche Palästinaverein, die
Benediktiner, die Carmeliter und andere Gruppen aktiv. Die kirchlichen Gruppen
unterhielten Schulen, ärztliche Stationen und natürlich Kirchen.[406] Die
besondere Rolle der Religionen für die imperialistische Einflußnahme im
Osmanischen Reich wird deutlich bei einer Analyse des Besuchs Kaiser Wilhelm II.
1898 im Orient.
6.5. Die Orientreise Wilhelms II. 1898
6.5.1. Wilhelm II. und die deutschen Christen im Osmanischen Reich
Ein Höhepunkt deutsch-türkischer Beziehungen war die zweite Orientreise des
deutschen Kaisers 1898.[407] Vielfältige Interpretationen über die Motive und
Erfolge des Kaisers sind seitdem in der Presse und Geschichtsforschung
verbreitet worden. Von der privaten Frömmigkeit des Monarchen bis zur
Wiederauflage der Kreuzzüge reichen die Kommentare. Da es der Kaiser auf seiner
Reise von Konstantinopel über Jerusalem nach Damaskus vornehmlich mit religiösen
Vertretern zu tun hatte und auch der offizielle Anlaß der Reise, die Einweihung
der Erlöserkirche in Jerusalem, ein religiöser war, kann hier der unmittelbare
Zusammenhang von imperialistischer Zielsetzung und Religionspolitik im
Osmanischen Reich verdeutlicht werden. Schließlich traf der Kaiser nicht nur
Vertreter der offiziellen katholischen und protestantischen Mission sowie der
Templer, sondern er hatte sogar, wie bereits geschildert, ein Gespräch mit den
Zionisten. Stellte er sich in Jerusalem als christlicher Herrscher dar,
versicherte er in Damaskus seine Freundschaft gegenüber dem Islam. Den deutschen
Aussiedlern im Osmansichen Reich versprach er Schutz und dem Sultan in
Konstantinopel die Integrität des Reichs.[408]
"The German Government had no intention of overlooking the political
possibilities of this religious penetration. Promotion of missionary activities
might be made to serve a twofold purpose: first, to win the support, in domestic
politics, of those interested in the propagation of their faith in foreign lands
- more particulary to hold the loyality of the Catholic Centre party; second, to
further one othermeans of strengthening the bonds between Germany and the
Ottoman Empire", führt Edward Mead Earle die Zielsetzung der Kaiserreise
aus.[409] Das letztere Ziel hatte der Kaiser schon dadurch erreicht, daß er dem,
wegen seiner Massaker an den christlichen Armeniern weitgehend gemiedenen Sultan
Abdul Hamid demonstrativ einen Freundschaftsbesuch abstattete und sich zum
Schutzherren der Moslems erklärte. "Der Besuch des deutschen Kaisers stärkte
Abdul Hamid, der allmählich alt wurde und sich unter dem Gewicht nicht seiner
Verbrechen, aber ihrer möglichen Folgen krümmte"[410], bestätigte ein Biograph
des Sultans. Genau dadurch kam er aber auch in Konflikt mit den deutschen
Christen, die im "Roten Sultan"[411] einen Feind der Christenheit sahen.[412] Um
so mehr war der Kaiser genötigt, auch die christlichen Interessen im Osmanischen
Reich zu betonen.
Auch wenn die Reise unverhohlen imperialistische Züge trug, darf der Wunsch
Wilhelms II., die Jerusalemer Erlöserkirche einzuweihen, nicht ignoriert werden.
Horst Gründer, der in seinen Forschungen immer auf den unmittelbaren
Zusammenhang von religiösem Motiv und imperialistischer Praxis hingewiesen hat,
stellt bei Wilhelm II. fest: "Mit seinem religiösen Gefühl verbanden sich
indessen nahezu unauflöslich dynastisches und deutsch-protestantisches
Sendungsbewußtsein. Sein eigenes rhetorisches Bedürfnis und die vielfältigen
Andeutungen und Formulierungen in den Ansprachen der ihn begleitenden
zahlreichen Geistlichen lassen kaum einen Zweifel, daß ein wesentlicher Grund
der Reise nicht nur in der Tradition christlich-romantischen preußischen
Königtums lag, sondern in einer quasi sakralen Wiederbegründung und Überhöhung
des noch jungen Kaisertums."[413]
Religiöse Gefühle und imperialistische Wünsche gingen beim Kaiser Hand in
Hand.[414] Ein auf die deutsche Innenpolitik abzielendes Ziel der Reise, das
durch die vielbeachtete Schenkung der "Dormitio Mariae" in Jerusalem an den
katholischen "Deutschen Verein vom Heiligen Lande" erreicht werden sollte, war
die engere Bindung der deutschen Katholiken und ihrer Zentrumspartei an den
protestantischen Kaiser.[415] Viel entscheidender für die deutsche Weltpolitik
war allerdings die antifranzösische Intention. Denn dem Kaiser ging es nicht nur
um die Loyalität seiner katholischen Untertanen im Reich, sondern insbesondere
um die Schwächung des französischen Einflusses auch auf die deutschen Katholiken
im Osmanischen Reich. Das katholische Frankreich hatte traditionell das
Protektorat über die Katholiken aller Nationen im Osmanischen Reich, formal auch
über die deutschen katholischen Auswanderer.[416] Schon vor Beginn der Reise
hatte der deutsche Botschafter in Konstantinopel, Marschall von Bieberstein, in
einem Brief an den Reichskanzler gefordert: "Zu den mannigfachen wichtigen
Aufgaben, welche der deutschen Politik in der Türkei gestellt sind, gehört auch
die Bekämpfung des Einflusses, den Frankreich sich in den kirchlichen
Angelegenheiten der römisch-katholischen Christen in der Türkei und damit
indirekt auch in politischen Fragen erworben hat."[417] Auch Staatssekretär von
Bülow sah eine Aufgabe darin, "alles zu unterstützen, was einerseits dem
französischen Prestige in der Levante Abbruch tun und andererseits den
neuerdings mehr hervortretenden Antagonismus der deutschen gegen die
französischen Katholiken in Orientangelegenheiten wachhalten kann".[418] Die
Einweihung der "Dormitio" wurde unter Beteiligung kaiserlicher Marinesoldaten
und imperialer Symbolik zu einer antifranzösischen Machtdemonstration
genutzt.[419] Erfolgreich war der Kaiserbesuch soweit, als daß sich die
deutschen Katholiken im Osmanischen Reich weiterhin kompromißlos an die Seite
Deutschlands stellten und ihrerseits den französischen Schutz zurückwiesen.
Überhaupt waren die deutschen Katholiken eine wachsende Bastion deutschen
Patriotismus im Osmanischen Reich geworden, die mit ihren Schulen und
Missionsstationen zur stetigen Verbreitung des "Deutschtums" beitrugen.[420]
Über die deutschen Katholiken, ebenso wie über alle anderen Deutschen im
Osmanischen Reich hatte der Kaiser auf seinem Besuch das Schutzrecht betont.
Schon vorher hatte er auf die französische Behauptung, er wolle Schutzherr der
deutschen katholischen Orientmission werden, richtig erklärt: "Das sind wir seit
dem 18.Januar 1871!"[421] Über das Recht der "Kapitulation" im Osmanischen Reich
war der Kaiser automatisch Schutzherr seiner auswärtigen Untertanen. Über die
Katholiken konnte er so als Reichsbürger, nicht aber, weil sie katholischen
Glaubens waren, verfügen. Wenn Bensinger in der Festsetzung des deutschen
Rechts, alle seine Bürger und Einrichtungen in Palästina zu beschützen, den
Hauptgewinn der Kaiserfahrt sieht, so ist dies nichts wirklich Neues.[422]
Bekräftigt wurde auf zugegebenermaßen eindrucksvolle Weise, was schon vorher
feststand. Dagegen war es sogar eine außenpolitische Niederlage, als der Vatikan
am 8.Oktober 1898 wiederholt Frankreichs Schutzrecht über die Katholiken im
Orient bestätigte.[423]
6.5.2. Wilhelm II. und der Islam
Der Öffentlichkeit ist besonders die berühmte Tischrede des Kaisers in Damaskus,
in der er sich zum Beschützer der "300 Millionen Mohammedaner"[424] erklärte, in
Erinnerung geblieben. Da die deutsch-türkischen Beziehungen auch
deutsch-islamische Beziehungen sind, muß das Verhältnis des Kaisers zu den
Moslems genauer beleuchtet werden. Es soll nachgefragt werden, ob die Rede des
Kaisers einen überschwenglichen Ausrutscher darstellte, oder vielmehr in die
deutsche Außenpolitk integrierbar war.
Die Bedeutung des Islam für die deutsche Nahostexpansion hat Davis Trietsch in
einer Broschüre des Deutschen Vorderasienkomitees dagelegt. Hier analysiert er,
daß innerhalb der islamischen Länder das Osmanische Reich die dominante Position
hat. So ist es die größte Macht mit einer Mischung aus arabischer Kultur und
türkischer militärischer Stoßkraft. Das türkische Kalifat in der Person des
Sultans wird als religiöse Instanz auch außerhalb des Reiches anerkannt. Im
Osmanischen Reich sind wiederum die Türken die hegemoniale Gruppe. Deutschland
müsse sich daher gerade um ein Bündnis mit der Türkei bemühen, weil über den
Islam der Einfluß weit über die türkischen Grenzen reiche.[425] Die strategische
Nützlichkeit eines Bündnisses nicht nur mit der Türkei, sondern darüber hinaus
mit "dem Islam" war bei der besonders engen Verknüpfung von Politik und Religion
in den islamischen Ländern offensichtlich.
Durchaus folgerichtig und mit der deutschen Politik vereinbar war also auch die
Rede in Damaskus, in der der Kaiser spontan erklärte: "Möge seine Majestät der
Sultan und mögen die 300 Millionen Mohammedaner, welche auf der Erde zerstreut
lebend in ihm ihren Kalifen verehren, dessen versichert sein, daß zu allen
Zeiten der Deutsche Kaiser ihr Freund sein wird."[426] In ihrer politischen
Bedeutung war die Äußerung des Kaisers eindeutig und es ist daher auch
belanglos, ob sie wirklich nur eine spontane Erwiderung auf eine vorangegangene
Tischrede eines arabischen Scheichs war.[427] Van Kampen sieht in der Rede
lediglich eine "noble Geste" gegenüber seinem Gastgeber, in der der Kaiser seine
"Toleranz" bewiesen hätte. Zu dieser Haltung hätte auch der schlechte,
zerstrittene Zustand der christlichen Gemeinden im Heiligen Land beigetragen,
der die geeinte gläubige Masse der Moslems gegenüberstand.[428] Für van Kampens
Ansicht spricht, daß Fürst Bülow, besorgt über die feindliche Haltung der
anderen Mächte, auf derem Kolonialgebiet Moslems lebten, und über das
Unverständnis des christlichen Deutschland, insbesondere der Zentrumspartei,
über die übermäßige Freundschaft mit dem Armeniermörder Abdul Hamid, die
Veröffentlichung des Trinkspruches zu verhindern suchte.[429] Die ablehnende
Haltung der deutschen Christen und der anderen Mächte lag nicht im kaiserlichen
Interesse. Insofern ist die Rede wohl wirklich einer Laune des Kaisers
entsprungen. Dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß sie dennoch in die
deutsche Konzeption der Türkeipolitik hineinpaßte und mehr Nutzen als Schaden
anrichtete. Auch van Kampen muß zugeben, daß niemand wissen konnte, "ob ein
Aufruf zum Heiligen Krieg nicht doch zu revolutionären Ausbrüchen unter den von
England, Frankreich und Rußland beherrschten Muslims führen würde".[430] Im
Kriegsfall wäre dies im deutschen Interesse, würde sich doch eine unberechenbare
Front im kolonialen Hinterland der potentiellen Gegner Deutschlands auftun.[431]
Die These, daß Deutschland sich im Falle eines Krieges auch der Methode des
"Heiligen islamischen Krieges" gegen die anderen europäischen Kolonialmächte
bedienen wollte, ist neuerdings durch Peter Hopkirks Untersuchung "Östlich von
Konstantinopel" wieder in die Diskussion gekommen.[432] Insbesondere der
Konsulatsattaché Max Freiherr von Oppenheim, der ab 1896 für 14 Jahre als
deutscher Beobachter in Ägypten stationiert war, beeinflußte die Haltung des
Kaisers zum Islam nachhaltig. Oppenheim sah in der moslemischen Welt ein
ungeheures "Revolutionierungspotential" von 260 Millionen Menschen, das sich
Deutschland zum Partner machen müsse.[433] Vom Kaiser sind mehrere Äußerungen
belegt, in denen er vom "Heiligen Krieg" schwärmt und den Ideen Oppenheimers
zustimmt.[434] Als die europäischen Mächte 1905 geschlossen gegen die Türkei
auftraten, um Reformen in Makedonien zu erzwingen und von Bülow das deutsche
Reich in die anti-türkische Front einreihen will, ist es Wilhelm II., der
mäßigend eingreift. Der Kaiser warnt davor, mit den "Todfeinden" der islamischen
Welt zu paktieren und erklärt: "Bei den jetzt so gespannten Verhältnissen, wo
wir fast allein sich bildenden großen, gegen uns gerichteten Koalitionen
gegenüberstehen, ist unser letzter Trumpf der Islam und die Muhammedanische
Welt."[435] Diesen letzten Trumpf gelte es nicht zu verspielen. Fühlte sich der
Kaiser 1898 noch stark genug, alle Mohammedaner der Welt zu beschützen, so hatte
sich die Stellung Deutschlands 1905 so weit verschlechtert, daß es nun der
Mohammedaner als letzter Hilfe gegen die feindliche Blockbildung bedurfte.
Auch nach dem jungtürkischen Umsturz 1908 hofft Wilhelm II. auf die dadurch
angeblich freiwerdenden Kräfte des "Islamismus", der "mit der grünen Fahne" die
englischen Kolonialisten vertreiben wird.[436] In diesem Fall müssen
realistischere deutsche Diplomaten wie Botschafter Marschall von Bieberstein
allerdings darauf hinweisen, daß die Jungtürken ja gerade prowestlich orientiert
sind und Sympathien für England hegen.[437]
Seine Wunschvorstellung vom Heiligen Krieg, den Deutschland auslösen sollte,
äußerte Wilhelm II. zuletzt in den Tagen nach Sarajewo 1914: "Unsere Konsuln in
Türkei, Indien, Agenten usw. müssen die ganze mohammedanische Welt gegen dieses
verhaßte, verlogene, gewissenlose Krämervolk zu wildem Aufstand
entflammen."[438] Der Traum des Kaisers sollte durch die Realität im Krieg bald
als Utopie entlarvt werden.[439]
Die Freundschaft zwischen dem deutschen Kaiser und dem Islam wurde auch an einem
praktischen Symbol unter Beweis gestellt: der unter deutscher Leitung 1908
eröffneten Hedschas Bahn. Diese Bahn, durch Spenden aus den islamischen Ländern
gefördert, ermöglichte es den islamischen Gläubigen, bei der Hadsch die
Heiligtümer in Mekka und Medina bequemer per Bahn zu erreichen.[440] Die Bahn
ist so sowohl Symbol der deutsch-islamischen Freundschaft, als auch des, vom
Sultan geförderten Gedankens des Panislamismus, der auch im deutschen Interesse
lag, erweiterte er doch den Machtbereich der befreundeten Türkei.
6.5.3. Ergebnisse der Kaiserreise
Der deutsche Einfluß vermehrte sich nicht in festgeschriebenen Rechten, sondern
indirekt. Gerade durch die Symbolik des Kaiserbesuchs in der Tradition
Barbarossas, der Einweihung der Erlöserkirche am Jahrestag des Anschlags von
Luthers Thesen, dem Zeigen kaiserlicher Symbole bei der Übergabe der Dormitio
lag der Machtausbau. Nicht mit angeblich angestrebten Flottenstützpunkten im
Heiligen Land, wie das Ausland anfangs mutmaßte, sondern durch den Besitz
heiliger und religiöser Stätten stritt das Reich um Einfluß und führte einen
Kulturkampf gegen die französische Dominanz. Nicht durch Verträge und Soldaten
wurde das französische Machtinstrument des Katholikenprotektorats zersetzt,
sondern durch die Saat des deutschen Patriotismus unter den Katholiken und durch
die Schenkung der Dormitio. Deutschlands Einfluß war nach dem Kaiserbesuch im
Orient auf jeden Fall nicht nur gefestigt, sondern auch ausgeweitet worden.
Die unter religiösen Vorzeichen geführte Reise hatte, auch wenn dies nach
offiziellen Verlautbarungen nie ihr Zweck war, zu konkreten wirtschaftlichen
Ergebnissen geführt. Die demonstrative Freundschaft zum türkischen Sultan,
ebenso wie zur islamischen Welt, das ebenso demonstrative Auftreten des Kaisers
mit seinem Versprechen, jederzeit deutsche Bürger und Einrichtungen zu schützen,
hatte die an Nahostinvestitionen interessierten Kapitalkreise zu verstärktem
Engagement in der Türkei ermutigt. Die politische Autorität Sultan Abdul Hamids,
des zuverlässigen Partners deutscher Nahostinteressen, war durch den Besuch
seines kaiserlichen Freundes soweit gegenüber der jungtürkischen Opposition und
den nichttürkischen islamischen Völkern gestärkt worden, daß sowohl potentielle
Wirtschaftsinvestoren, als auch die anderen Großmächte begriffen, daß
Deutschland den Herrscher auch in Zukunft stützen wird.
Neben allgemeiner Intensivierung der schon bestehenden Wirtschaftsbeziehungen
erlangten deutsche Investoren durch die Kaiserreise die Konzession für den
Hafenbau von Haidar Pascha und - entscheidend - die Zusage auf eine baldige
Konzessionsvergabe zur Vollendung der Bagdadbahn. Friedrich Rosen, Referent des
Auswärtigen Amts für Orientsachen, charakterisierte dies treffend als
"Gastgeschenk" des Sultans.[441] Auch die Verlegung eines deutschen
Nachrichtenkabels von Konstanza in Rumänien nach Konstantinopel galt als Erfolg
der kaiserlichen Reisediplomatie.[442] Nun, nach der insgesamt erfolgreichen
Reise, konnte auch Wilhelm II. jenseits aller Frömmigkeit offen zugeben: "Ich
hoffe..., daß meine Reise dazu beigetragen hat, der deutschen Energie und der
deutschen Thatkraft [sic] neue Absatzgebiete zu eröffnen, und daß es mir
gelungen ist, mitzuwirken, die Beziehungen zwischen unseren beiden Völkern, dem
türkischen und dem deutschen, zu befestigen."[443] Welcherart diese Beziehungen
tatsächlich waren, hatte die alldeutsch tönende "Welt am Montag" dann deutlich
genannt und dabei das deutsche Programm der friedlichen Durchdringung in eigene
Worte gefaßt: "Nur die Türkei kann das Indien Deutschlands werden. [...] Der
Sultan muß unser Freund bleiben, natürlich mit dem Hintergedanken, daß wir ihn
`zum Fressen gern´ haben. Zunächst freilich kann unsere Freundschaft völlig
selbstlos sein. Wir helfen den Türken, Eisenbahnen bauen und Häfen anlegen.
[...] Der `kranke Mann´ wird gesund gemacht, so gründlich kuriert, daß er, wenn
er aus dem Genesungsschlaf aufwacht, nicht mehr zum Wiedererkennen ist. Man
möchte meinen, er sehe ordentlich blond, blauäugig germanisch aus. Durch unsere
liebende Umarmung haben wir ihm soviel deutsche Säfte einfiltriert, daß er kaum
noch von einem Deutschen zu unterscheiden ist. So können und wollen wir die
Erben der Türkei werden, von ihr selbst dazu eingesetzt. Wir pflegen den
Erblasser getreulichst bis zu seinem Tode. [...] Diesem Zukunftsgedanken hat die
Kaiserreise kräftig vorgearbeitet."[444] So deutlich wurden die offiziellen
Vertreter der deutschen Orientpolitik nur selten.
7. Die deutsche Stellung in der Türkei am Vorabend des Krieges
7.1. Die Krise der deutschen Türkeipolitik
Vom Ende der Amtszeit Bismarcks bis in den Ersten Weltkrieg hatte das Deutsche
Reich auf wirtschaftlichem, militärischem und kulturellem Gebiet um Einfluß in
der Türkei gekämpft. Die imperialistische Strategie aller Großmächte zur
Durchdringung der Türkei war die "pénétration pacifique", die ihre höchste und
deutlichste Ausbildung in der deutschen Bagdadbahnstrategie gefunden hat. Die
Methodik dieser Strategie ist im Vorgehenden an Einzelbeispielen konkretisiert
worden. Nun soll eine abschließende Bilanz gezogen werden. Es soll untersucht
werden, ob der deutsche Weg zur Weltgeltung in der Türkei zum Erfolg führte und
wie stark am Vorabend des Krieges die deutsche Stellung tatsächlich war. Hierbei
ist es methodisch falsch, nur einzelne hervorstechende Merkmale zu
interpretieren; notwendig ist vielmehr die Gesamtperspektive. Eine
Interpretation der Türkei als deutscher Kolonie beispielsweise, die sich allein
an der herausragenden Stellung General Liman von Sanders` in der türkischen
Armee festmacht, ist ebenso eklektisch und damit falsch, wie eine Darstellung,
die nur das tatsächlich in der Türkei angelegte deutsche Kapital im Vergleich zu
anderen ausländischen Investitionenen sieht und daraus eine eher untergeordnete
Stellung des deutschen Imperialismus ableitet.
Durch eine Analyse der tatsächlichen Positionen und Möglichkeiten des deutschen
Imperialismus kann auch beurteilt werden, wieweit in der deutschen Türkeipolitik
eine Ursache für den Ausbruch des Weltkrieges zu finden war.
Es war der deutschen Wirtschaft, die erst spät zum großangelegten Kapitalexport
überging, gelungen, entscheidende Positionen im Osmanischen Reich zu erlangen.
Im Vergleich zum letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts war in der Tat ein
deutlicher Machtzuwachs deutschen Kapitals in der Türkei zu verzeichnen. Dieser
Erfolg gründete sich in erster Linie auf den immer stärkeren Anteil Deutschlands
an der türkischen Staatsschuld bei gleichzeitigem Abzug englischen Kapitals und
auf die großen Investitionen für den Bahnbau der Anatolischen und Bagdadbahn.
Wichtiger Wegbereiter für das Eindringen der deutschen Wirtschaft auf dem Gebiet
des Warenexportes war die Rüstungsindustrie, die sich ebenfalls eine
herausragende Stellung neben der englischen und französischen Konkurrenz
erkämpft hatte. Träger der deutschen Expansion im Orient waren die vom
Krupp-Konzern und der Deutschen Bank geführten Gruppen des Finanzkapitals, die
wichtige Bereiche der Exportindustrie, vor allem der Chemie- und
Elektroindustrie und der Handelsschiffahrt hinter sich hatten.[445] Systematisch
hatte sich der deutsche Imperialismus in der Türkei eingekauft. Günstige
Anleihen an das türkische Regime steigerten nicht nur den deutschen Anteil an
der Staatsschuld und somit den deutschen Einfluß, auch der deutsche Export
profitierte von den so ermöglichten Aufträgen und die Sympathie der türkischen
Führung, von Sultan Abdul Hamid bis zu den Jungtürken, wurde so gekauft.
Wenn es allerdings das Ziel einer imperialistischen Nation ist, ein
unterentwickeltes Land möglichst vollständig zu unterwerfen und andere
imperialistische Konkurrenten zu verdrängen, hatte Deutschland bis 1914 dieses
Ziel nicht erreicht. Es handelt sich hier allerdings um ein absehbares
Scheitern, war die Strategie der friedlichen Durchdringung doch erzwungen durch
die Stärke der imperialistischen Konkurrenz. Nur bis zu einem bestimmten Moment
waren diese indirekten Mittel der Unterwanderung möglich und geplant, um die
Basis für eine anschließende militärische Aktion zu schaffen. Daß dieser Moment
nahe war, wird an der schweren Krise deutlich, in die der deutsche Imperialismus
1913 und 1914 geriet. Im Herbst 1913 büßte Deutschland - entgegen der
Darstellung derjenigen Historiker, die für diesen Zeitpunkt von einer deutschen
Halbkolonie sprechen - weitgehend seinen Einfluß in der Türkei und auf dem
Balkan ein. Ausgelöst durch den zweiten Balkankrieg setzte zwischen den
Großmächten ein verstärkter Kampf zu Vorbereitung der endgültigen Aufteilung
dieser Länder ein. Die in langjähriger Wühlarbeit erkämpfte deutsche Stellung in
Griechenland, Rumänien, Serbien und der Türkei ging an Frankreich über. Grund
war die Begrenzung der militärisch-politisch-finanziellen Möglichkeiten
Deutschlands zu diesem Zeitpunkt. Im Rennen um die Vergabe von Staats-und
Rüstungsanleihen konnte das Deutsche Reich nicht mehr mitziehen. Frustriert
meint Wilhelm II. über Deutschlands Einfluß in der Türkei: "Der ist gleich Null!
Im Vergleich zu früher!"[446] Für den Kaiser stand das Überlaufen der Türkei zur
Entente fest: "Die Türkei ist eben nicht mehr zu retten. Und nichts mehr wert!
Sie mag in der 3ple-Entente Arme halt eben in Stücke gehen."[447] Die Ängste des
Kaisers wurden dadurch gerechtfertigt, daß sich die Türkei Ende 1913 auf den
Finanzmärkten der Entente nach einer weiteren Anleihe umsah und diese im
Frühjahr 1914 in Paris aufnahm. Verbunden waren gegen die deutschen Interessen
gerichtete Zugeständnisse in der Bahnfrage an Frankreich. England wiederum
schloß einen wichtigen Dockvertrag mit der Türkei, der deutlich machte, daß der
Wirtschaftskraft der deutschen Werften ebenso wie der Möglichkeit der
Kreditvergabe durch deutsche Banken mißtraut wurde.[448]
Wie schlecht es tatsächlich um die Finanzkraft Deutschlands stand, zeigt der von
Fritz Fischer geschilderte innermonopolistische Streit zwischen den Hauptgruppen
des deutschen Kapitals.[449] Die bisher Hand in Hand bei der Unterwanderung der
Türkei gehenden Finanzgruppen der Deutschen Bank und der Dresdner Bank standen
sich in der Frage nach der Verwendung des für eine Türkei-Anleihe zur Verfügung
stehenden deutschen Kapitals gegenüber. Hinter der Dresdner Bank standen die
Kruppschen Rüstungsbetriebe, die hofften, mit einer erneuten Anleihe
Waffengeschäfte mit der Türkei zu ermöglichen. So glaubte Krupp, gegen die
Stellung der französischen Konkurrenz zu bestehen. Die geforderte Anleihe von
120-Millionen Mark hätte allerdings die von der Deutschen Bank getragene
Bagdadbahn gefährdet. Es war das Dilemma des deutschen Imperialismus, ob die
vorhandenen Gelder für Rüstungsexporte eingesetzt werden sollten, was der
heimischen Industrie unmittelbar zugute gekommen wäre, oder für das noch
unproduktive strategische Prestigeprojekt der Bagdadbahn.[450] Die notwendige
kurzfristige Sicherung von Absatzmärkten für die Exportindustrie stand gegen das
strategische Ziel der Nahostexpansion des Finanzkapitals. "So wie sich die Dinge
zuspitzen, steht für Bagdad alles auf dem Spiel. ... Wenn uns der Markt durch
Bulgarien - oder eine türkische Rüstungsanleihe - kaputtgemacht wird, müssen wir
die Bude zumachen"[451], drohte Direktor Helfferich nicht nur das Scheitern der
deutschen Nahostexpansion, sondern sogar den Bankrott der Deutschen Bank an.
Tatsächlich siegte die strategisch denkende Fraktion des deutschen Kapitals und
die Anleihe wurde vollständig für das Bagdadprojekt der Deutschen Bank
verwendet.
Helmut Mejcher interpretiert den Konflikt zwischen der Deutschen Bank und Krupp
1914 als Zeichen der "Dichotomie zwischen der Expansion des Wirtschaftsexports
im engeren Sinn und der Politik der eigentlichen Hochfinanz"[452] und
kritisiert: "Nur schlecht kann Fischer einen Chor der Einmütigen schaffen, die
zum Krieg treiben"[453] Doch die Kriegsgefahr erwuchs tatsächlich gerade aus der
Notlage, in die der deutsche Imperialismus geraten war und die in dem Streit
zwischen den beiden Wirtschaftsgruppen ihren deutlichen Ausdruck fand und nicht
aus irgendeinem geeinten Willen der Monopole.[454] Auch die Konkurrenz zwischen
den deutschen Monopolen war nur vorübergehend. Mitte Juni 1914 kooperierten die
Deutsche Bank und Krupp bereits wieder in der Auftragsbeschaffung. Gregor
Schöllgen sieht gerade in dieser erneuten Kooperation den Beweis für die
Bedeutung des türkischen Marktes für die deutsche Wirtschaft. Wenn die Monopole
sehen, daß durch ihren eigenen Streit die Anteile an diesem Markt sinken, sind
sie wieder zu einem gemeinsamen Vorgehen gezwungen, um nicht noch mehr Einbußen
zu erleiden.[455]
7.2. Ende der friedlichen Durchdringung
Die friedliche Durchdringung der Türkei hatte ihre finanzielle Absicherung als
unbedingte Vorausetzung ihrer Stabilität. Wenn dieses finanzielle Fundament
nicht mehr garantiert war, konnte auch ein militärischer, kultureller und
politischer Überbau nicht dauerhaft bestehen. 1913/14 wurde Realität, was Kaiser
Wilhelm II. schon 1907 angedroht hatte: "Aber besonders muß den Galliern kein
Zweifel gelassen werden, daß sie sich nicht unterstehen sollen, auf die
Britische Entente gestützt, sich damit zu amüsieren, zu versuchen, uns im Orient
aus dem Sattel zu heben. Das sind vitale Interessen, bei deren Verteidigung es
aufs Ganze geht. dafür schlage ich mich eventuell."[456] Die "vitalen
Interessen" des Brückenkopfes über den Orient nach Asien, der Rohstoffvorräte
Mesopotamiens, der deutschen Exportmärkte, letztlich das strategische Projekt
des deutschen Imperialismus beim Griff nach der Weltmacht stand auf dem
Spiel.[457] Die jetzige Krise war nicht mit früheren Niederlagen der deutschen
Türkeipolitik, etwa kurz nach der jungtürkischen Revolution vergleichbar. Denn
während es damals darum ging, welche Orientierung der Außenpolitik das neue
Regime einschlagen würde, und sich diese Frage gerade durch einen günstigen
deuschen Kredit an die Türkei für Deutschland positiv löste, fehlte jetzt dieser
Ausweg. Und die Frage der Finanzen war die für die türkische Politik bestimmende
Konstante. Nun würden Investitionen der Entente längerfristig auch zu einem
Verlust Deutschlands auf anderen Gebieten, politisch und militärisch, in der
Türkei führen.[458] Die Balkankriege hatten die permanente Kriegsgefahr in der
Region deutlich gemacht und allen Großmächten war klar, daß die Neuaufteilung
des Osmanischen Reiches vor der Tür stand. Der Kampf um die Erbmasse des
Osmanischen Reiches wurde auch in den zwischenimperialistischen Abkommen
deutlich, in denen die Einflußsphären bereits aufgeteilt wurden. "Bei diesem
ungeheuren Endkampf um das Schicksal der Türkei hatte sich die Taktik Aller
gründlich gedreht. Hatte es sich bisher für die Hauptschröpfköpfe, die Deutsche
Bank und die Ottomanbank, mehr darum gehandelt, der Türkei Leben einzuflößen, um
Mittel für die Bahnbauten herauszuziehen, so galt es jetzt, wo viele Bahnen nahe
der Vollendung waren und die Türkei erschöpft am Boden lag, sich möglichst große
Stücke vom Leibe des `Kranken Mannes´ im voraus zu sichern, ..."[459], erkennte
Hallgarten. Das Abkommen zwischen Deutschland und England über die Bagdadbahn
und den Golf diente ebenso der Abgrenzung der Einflußsphären, wie das
französisch-deutsche Abkommen über Syrien und Palästina.[460] Doch gerade die
weitreichenden Zugeständnisse, die Deutschland in den Bahnfragen gegenüber
England machen mußte, offenbarten wieder die momentane Schwäche des deutschen
Imperialismus.
Unzweifelhaft stand der deutsche Einfluß, soweit er wirtschaftlich unterlegt
werden mußte, 1914 auf dem Spiel. Doch bevor sich diese Niederlage auch auf
politischem und militärischem Gebiet äußern konnte, wurde die kriegerische Karte
gezogen. Nur so konnte Deutschland weiterhin im Rennen um die Türkei zu bleiben
und mußte sich nicht den Zwängen des anglo-französischen Kapitals zu beugen.
"Das Signal für den geplanten Übergang des deutschen Imperialismus zu Methoden
bewaffneter Aggression gab die Entsendung der Militärmission unter Liman von
Sanders"[461], so Lothar Rathmann. Wenn auch zu diesem Zeitpunkt die
Verhandlungen unter den Großmächten noch im Gange waren, schaffte sich
Deutschland hier ein Faustpfand für den Zeitpunkt, an dem die Politik mit
kriegerischen Mitteln fortgesetzt wird. Sidney B. Fay läuft einer Illusion nach,
wenn er in seiner bekannten Untersuchung über den Ursprung des Weltkrieges aus
der vorläufig friedlichen Beilegung der Liman-Affaire die generelle Möglichkeit
diplomatischer Krisenverhinderung schließt.[462] Weder hat er das tiefere Wesen
der Orientalischen Frage verstanden, noch durchschaut er die unvermeidlich zum
Krieg treibenden ökonomischen Kräfte des Imperialismus. Denn die Widersprüche
zwischen den Mächten im Nahen Osten waren 1914 nur noch gewaltsam zu lösen.[463]
7.3. "Deutsche Agenten" in der Türkei
Neben dem vorhandenen militärischen Vorsprung in der Türkei zeigte sich bei
genauerer Betrachtung, daß auch politisch für Deutschland die Zeichen günstig
standen. War schon der Sultan Abdul Hamid ein treuer Freund des Kaisers gewesen,
so war es Deutschland gelungen, auch dessen Nachfolger, die jungtürkische Junta,
als Verbündete zu gewinnen. Daß ein nicht unerheblicher Teil ehemaliger
Goltz-Schüler in die Politik gegangen war und durch die jungtürkische Revolution
an die Macht gelangte, belegt das langfristige deutsche Kalkül. Es war geplant,
in der türkischen Truppe einen prodeutschen Kern zu schaffen. Daß dieser Kern
nun auch noch politische Macht bekam, war überaus nützlich. Mit der vom
deutschen Finanzkapital ermutigten Machtergreifung des Triumvirats unter
Enver-Pascha 1913 wurde der proenglische Flügel der Jungtürken geschlagen.[464]
Insbesondere der Kriegsminister und Oberkommandierende der Armee Enver Pascha
war ein sicherer Mann des deutschen Kaisers. Als ehemaliger türkischer
Militärattaché von 1909 bis 1911 in Berlin hatte er Deutschland und dessen Armee
bewundern gelernt und es gelang ihm auch, die eher deutschkritischen Kräfte
unter den Jungtürken zurückzudrängen.[465] Für die beiden Mitregenten Envers,
den Großvesir und Außenminister Said Halim und den Innenminister Talât Bey, die
bisher nicht ausgeprochen prodeutsch waren, zählten vor allem die eigenen
großtürkischen Machtgelüste bei der Hinwendung zu Deutschland. Langjähriger
deutscher militärischer Einfluß machte diese Männer nicht unmittelbar zu
bestochenen deutschen Befehlsempfängern, sie wußten lediglich, daß nur die
erprobte deutsche Hilfe die türkische Armee tauglich für ihre eigenen
Aggressionspläne machen konnte.[466]
Neben pantürkischen Ideen bestand bei den Befürwortern einer Militärallianz mit
Deutschland auch die gerechtfertigte Hoffnung, einen solchen Krieg in einen
Befreiungskrieg gegen die Entente überzuleiten. Mit deutscher Hilfe sollte der
gemeinsame Gegner Rußland ein für allemal zurückgeworfen werden, Ägypten wieder
unter türkische Herrschaft gelangen und Frankreichs Kolonialherrschaft in
Nordafrika beendet werden.[467] Enver versprach dem deutschkritischen Talât, es
gar nicht soweit kommen zu lassen, daß Deutschland die Türkei als Protektorat
versklave: "We shall use Germany to help us reconstruct and defend the country
until we are able to govern ... with our own strength. When the day comes, we
can say good-bye to the Germans within twenty-four hours."[468] Auch Talât mußte
sich dem Chef der Armee und somit dem starken Mann in der Türkei fügen und
dieser Versicherung Glauben schenken.
Daß die Hinwendung zu Deutschland nicht durch deutschen Druck zustandekam,
sondern freiwillig, belegt auch die Tatsache, daß 1913/14 die Türkei ihre
traditionelle Politik des Lavierens zwischen den Großmächten nicht aufgegeben
hatte und sich mitnichten nur auf die Deutschen stützen wollte.[469] Die
Berufung der deutschen Militärmission war Bestandteil eines geplanten
Wiederaufbaus der Türkei durch die Hilfe verschiedener Mächte.[470]
Die deutsch-türkische Freundschaft erwuchs somit nicht nur auf der langjährigen
Einflußnahme deutscher Militärs, sondern auch auf den eigenen Machtinteressen
der türkischen Staatsmänner. Für die deutsch-türkische Freundschaft hatte dies
den Vorteil, daß sie eben nicht nur von den wirtschaftlichen Beziehungen abhing
und so trotz der akuten Krise fortbestand. Voraussetzung hierfür war allerdings
der Krieg, der im Interesse sowohl der jungtürkischen, als auch der in die Ecke
gedrängten deutschen Führung lag. Dem Historiker W.W. Gottlieb ist zuzustimmen,
wenn er schreibt: "Thus, while Britain and, to an even greater degree, France
were still economically and financially paramount in the Ottoman Empire, the
Reich already enjoyed military and political supremacy. On the eve of Sarayevo,
the Porte was, in practise, an agency for German imperialism."[471] Die
Jungtürken an der Regierung und die jungtürkisch geführte Armee waren - aus
eigenem Interesse -, objektiv deutsche Agenten im Orient. Diese Definition
bestimmt das deutsch-türkische Verhältnis korrekt und nicht die unhaltbare These
von der Türkei als deutscher Halbkolonie.
7.4. Türkeipolitik und Einkreisung Deutschlands
"Durch die Störung der deutschen Beziehungen zu den Großmächten wurde das
deutsche Bagdadbahnunternehmen einer der Vorwände für die ungeheure antideutsche
Mächtebildung, der wir im Weltkriege erlegen sind"[472], erkennt Hajo Holborn
einen Kriegsgrund. Das deutsche Eindringen in die traditionell
anglo-französischen Einflußgebiete im Nahen Osten und die von Rußland begehrten
Meerengen hatte genau die Situation hervorgerufen, vor der Bismarck immer
gewarnt hatte. Deutschland wurde in Europa, wie in Vorderasien, eingekreist von
den Mächten der Entente und der Zweifrontenkrieg drohte. So unterschiedlich, ja
sogar widersprüchlich die Interessen der Entente-Mächte waren, so geeint waren
sie zuletzt doch in der Auffassung, den deutschen Vormarsch im Orient zu
stoppen. An der fortschreitenden Zerrüttung des deutsch-englischen Verhältnisses
hatte die Bagdadbahn den entscheidenden Anteil.[473] Schon 1904 hatten sich
England und Frankreich über ihre Ansprüche in der Welt verständigt und sich zur
Entente Cordiale zusammengeschlossen. Das Kernstück dieses Abkommens betraf
neben Marokko Ägypten. Die deutsche Nahostpolitik hatte zu diesem bisher für
kaum machbar erscheinenden Bündnis zwischen den ehemaligen Rivalen indirekt
beigetragen. 1907 einigten sich dann auch die Rivalen England und Rußland über
Konfliktbereiche in Mittelasien und ermöglichten so die Triple-Entente.[474] Die
auch in dieser Entente noch vorhandenen Widersprüche wurden wegen der deutsche
Orientpolitik zunehmend in den Hintergrund gestellt. Die Liman-Krise drängte
zuletzt Rußland sogar in der Frage der Meerengen an die Seite der Entente.
Darüber, daß die Meerengen nicht unter deutsches Kommando geraten durften, waren
sich alle Entente-Partner einig.
Während die europäischen Fragen, so die Besetzung Elsaß-Lothringens oder die
Flottenrüstung, jeweils nur eine der Entente-Mächte betrafen, provozierte die
deutsche Orientpolitik alle zugleich.[475] So, wie die Bagdadbahnpolitik zur
Einigung der Entente entscheidend beitrug, erzwang diese Einkreisung im Gegenzug
ein immer engeres Bündnis Deutschlands mit Österreich-Ungarn.[476] Der
österreichische Diplomat Pallavicini verdeutlichte die Alternativen für
Deutschland nach der Beilegung der Liman-Affaire: "Entweder die Räumung des
Bosporus und der deutschen Orientstellung oder aber ein Marsch an der Seite
Österreichs durch dick und dünn."[477] Und da eine freiwillige Aufgabe der
deutschen Orientpolitik nicht in Frage kam, entschied sich Deutschland für das
Nibelungenbündnis gegen die, durch seine Politik erst geeinte Entente.
Der amerikanische Professor Jastrow hat 1917 klar erkannt: "A war like the
present one cannot, to be sure, be carried back to any one issue, isolated from
all others, but although many issues are behind the war, it is the Bagdad
Railway that created the frame of mind among the European powers which make the
war - one is inclined to put it - inevitable. A war breaks out when nations are
ready for it - ready, I mean, in their disposition. The Bagdad Railway made them
ready in this case."[478] "In the last analysis the Bagdad Railway will be found
to be the largest single contibutionary factor on the war, because through it
more than through any other cause, the mutual distrust among European Powers has
been nutured, until the entire atmosphere of international diplomacy became
vitiated."[479] So trug die Lage im Nahen Osten zum einen zu der
verhängnisvollen Blockbildung in Europa bei, zum anderen lag hier auch das
Hauptinteressensgebiet der Großmächte für die anstehende Neuaufteilung der Welt,
um das im kommenden Krieg erbittert gekämpft werden sollte.
8. Zusammenfassung
Mit den Mitteln der friedlichen Druchdringung war es Deutschland gelungen,
wichtige Positionen auf wirtschaftlichem, politischem, militärischem und
kulturellem Gebiet in der Türkei zu besetzten. Im wirtschaftlichem Bereich ist
es gelungen, fast aus dem Nichts heraus eine Stellung aufzubauen, die für das
traditionell in der Region starke englische und französische Kapital eine
gefährliche Konkurrenz wurde. Wirtschaftlich ist es Deutschland jedoch nicht
gelungen, eine Monopolstellung einzunehmen, vielmehr trug das deutsche
Engagement dazu bei, daß Frankreich und England zuletzt den deutschen
Bestrebungen einen Sperriegel vorsetzten. Auch das strategische Hauptprojekt bei
der Unterwanderung der Türkei, die Bagdadbahn, verblieb bis Kriegsausbruch 1914
ein Torso, Vertragsabschlüsse zwangen Deutschland zu Zugeständnissen gegenüber
den anderen Mächten.
Es ist verfehlt, die Türkei 1914 als deutsche Halbkolonie zu bezeichnen. Zu
stark war der Einfluß anderer Mächte neben Deutschland und zu angeschlagen war
die deutsche Position zuletzt. Richtig ist es vielmehr, bestimmte Bereiche, so
Teile der jungtürkischen Regierung und die Truppe als objektive deutsche Agenten
zu definieren. Bei den genannten Kreisen spielte allerdings eher das von
großtürkischen Plänen gezeichnete Eigeninteresse eine Rolle, als deutscher Druck
von außen.
Die friedliche Durchdringung mit der Bagdadbahnstrategie war nie eine
antikolonialistische Politik. Vielmehr war sie die adäquate Strategie des
Imperialismus in einer Phase, in der ein offener Krieg um die Aufteilung der
Türkei nicht erwünscht war. Wenn 1914 die Großmächte sich doch für den
kriegerischen Weg entschieden, so bedeutet das nicht das Scheitern der
Bagdadbahnstrategie. Vielmehr sollte diese Strategie für die geplante
militärische Aufteilung des Osmanischen Reiches die deutsche Stellung soweit wie
möglich stärken. Und dies ist in weitestmöglichem Maß gelungen. Die völlige
Unterwerfung der Türkei als deutsche Kolonie nur mit Mitteln der indirekten
Durchdringung war nie geplant oder möglich gegen den Willen der anderen
Großmächte.
Die deutsche Türkeipolitik trug entscheidend zu der von Deutschland immer
befürchteten Einkreisungspolitik durch die Entente bei und schuf so die
Blockbildung, die den Krieg erst ermöglichte. Sie war eine Kriegsursache, da sie
das Rennen um die Neuaufteilung der Welt zusätzlich verschärfte. Die Bedrohung
der anglo-französischen Interessen im Nahen Osten ließen diese Mächte einen
politischen und wirtschaftlichen Sperriegel gegen den deutschen Vorstoß
errichten. In Verbindung mit der finanziellen Schwäche Deutschlands verschärfte
sich die Lage, daß nur noch der kriegerische Durchbruch für alle Beteiligten in
Frage kam. Dies ist nicht die alleinige Schuld der deutschen Politik, die
lediglich in konzentrierter Weise die Machtpolitik betrieb, die auch die anderen
Mächte verfolgten. Kriegsursache ist in der Türkei, wie anderswo, das
imperialistische Streben nach Kolonien und Einflußgebieten in einer Welt, die
unter den Großmächten bereits aufgeteilt war, in einer Zeit sich verknappender
Absatzmärkte und Rohstoffe. Die Bagdadbahnstrategie und das mit ihr verbundene
Programm wirtschaftlicher, militärischer, politischer und kultureller Maßnahmen
stellte in besonders signifikanter Weise ein imperialistisches Programm dar,
dessen Methodik in Form des Neokolonialismus bis heute von allen Großmächten
angewendet wird.
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[1] Zur deutschen Türkeipolitik, S.18.
[2] In anderen EU-Ländern wie Italien und Griechenland bestehen offizielle
diplomatische Beziehungen zwischen den Regierungen und der kurdischen ERNK.
[3] Glasneck, Methoden, S.9.
[4] Über die Kontinuität deutsch-türkischer Beziehungen siehe Michal,
Deutschland; Schmid, Waffenbrüderschaft.
[5] Dabei spielt sicherlich die fehlende Kenntnis der türkischen Sprache bei der
Mehrzahl der internationalen Wissenschaftler eine Rolle.
[6] Vgl. hierzu auch die neueren Imperialismus-Theorien, die explizit auf die
Rolle der Peripherie und die Kollaboration der dortigen Eliten mit dem
Kolonialismus eingehen. Siehe hierzu vor allem Robinson, Foundations und
Robinson, Free-Trade.
[7] Rathmann, Legende, S.251f.
[8] Rohrbach, Bagdadbahn.
[9] Siehe beispielsweise Goltz, Denkwürdigkeiten; Helfferich, Türkenpolitik;
Helfferich, Siemens 3; Holborn, Deutschland; Liman, Türkei; Mühlmann,
Deutschland; Schmiterlöw, Goltz-Pascha.
[10] Siehe beispielsweise Rohrbach, Deutschland; Jäckh, Kiderlen-Wächter;
Lindow, Marschall.
[11] Bode, Kampf; Hüber, Bagdadbahn; Sitki, Bagdad-Bahn-Problem. Die
letztgenannte Dissertation wurde zwar vom Sohn eines türkischen Majors verfaßt,
entstand aber an der Universität Freiburg unter der Leitung von Professor
Gerhard Ritter.
[12] Rathmann, Volldampf, S.167.
[13] Rathmann, Legende.
[14] "Es gab ein ganz gewaltiges und sehr interessantes Material, das in der GP
nicht abgedruckt worden war und das man auf diese Weise dem Blick der
Öffentlichkeit wieder entzog. Dies galt speziell von den Bosporus-und
Türkenakten, die für die Vorgeschichte des ersten Weltkrieges von höchster
Bedeutung sind, und deren Benutzung man dem Verfasser verweigerte."; Hallgarten,
Imperialismus 1, 1.Aufl., S.328, Fußnote.
[15] Rathmann, Legende, S.252.
[16] Siehe beispielweise Earle, Turkey; Wolf, History.
[17] Siehe beispielsweise Fischer, Illusionen; Fischer, Weltmacht; Hallgarten,
Imperialismus; Langer, Diplomacy; Schöllgen, Imperialismus.
[18] Siehe beispielweise Jerussalimski, Außenpolitik; Rathmann, Berlin-Bagdad;
Rathmann, Legende; Rathmann, Volldampf.
[19] Siehe beispielsweise Mejcher, Bagdadbahn; Manzenreiter, Bagdadbahn;
Sievers, Einfluß.
[20] Einen guten Überblick über die orientalische Frage bietet Anderson, Eastern
Question. Die Situation des Osmanischen Reiches und die Politik der Großmächte
ist zusammengefaßt in Kent, Great Powers. Die deutsch-englische Orientpolitik
von Bismarck bis zum 1.Weltkrieg ist am besten dargestellt bei Schöllgen,
Imperialismus.
[21] Blaisdell, Financial Control.
[22] Earle, Turkey, S.13ff.
[23] Rohrbach, Bagdadbahn, S.51ff.
[24] Mead, Turkey, S.1ff.
[25] Marx, Drang, S.24.
[26] Mühlmann, Bahnunternehmungen, S.123.
[27] Über Rohrbach siehe Kampen, S.164ff und S.173ff; Maibaum, Publizistische
Schaffen; Meyer, Mitteleuropa, S.95ff; Mogk, Rohrbach; Rohrbach, Handschrift.
[28] Rohrbach, Bagdadbahn, S.18f.
[29] Mühlmann, Bahnunternehmungen, S.123f.
[30] Ebda. S.124. Dieses Hauptinteresse Österreich-Ungarns darf nicht darüber
hinwegtäuschen, daß es, sobald dies möglich wurde, auch weitergehende
territoriale Interessen an den balkanischen Besitzungen des Osmanischen Reiches
gab. Dies beweist die Annektion Bosniens.
[31] Rathmann, Stoßrichtung, S.23.
[32] Lenin, Imperialismus, S.94.
[33] Wallach, Anatomie, S.34.
[34] Lindow, Marschall, S.48.
[35] Holborn, Deutschland, S.4f.
[36] Diktat Bismarcks, 14.Okt. 1876, GP 2, Nr.246, S.64.
[37] Wallach irrt, wenn er in der Entsendung der Militärmission schon ein
imperialistisches Interesse Bismarcks zu erkennen glaubt. Auch diese erste
Mission war noch machtpolitisch und nicht kolonialistisch begründet; Wallach,
Bismarck, S.28f.
[38] Holborn, Deutschland, S.6.
[39] Hellferich, Siemens 3, S.18f.
[40] Holborn, Deutschland, S.7.
[41] Schöllgen, Imperialismus, S.15.
[42] Grundlage des wirtschaftlichen Aufschwungs war der Ausbau der inneinander
verflochtenen Eisen-Stahl- und Bergbauindustrie. Zu den ökonomischen Grundlagen
des deutschen Imperialismus siehe Fischer, Illusionen, S.17-22.
[43] Holborn, Deutschland, S.107. Der Zusammenhang von Wirtschaft,
Bevölkerungszuwachs und deutscher Weltpolitik wird auf propagandistische Weise
deutlich bei Helfferich, Economic Progress.
[44] Rathmann, Volldampf, S.91.
[45] Schöllgen, Imperialismus, S.39.
[46] Blaisdell, Financial Control, S.90.
[47] Holborn, Deutschland, S.83-109.
[48] Fischer, Illusionen, S.92.
[49] "Diplomacy does not create a Krupp or an I.G. Farben, but a Krupp or a
[I.G.] Farben gives a new edge to diplomacy"; Maloney, Cause, S.13.
[50] Rathmann, Volldampf, S.91.
[51] Seit 1884 gab es eine erste Dampferlinie von Hamburg und Kiel nach
Konstantinopel; Wiedenfeld, Wirtschaftsbeziehungen, S.8f.
[52] Wiedenfeld, Wirtschaftsbeziehungen, S.10f.
[53] Die türkische Außenhandelsstatistik enthält nur die ein-oder
ausfuhrzollpflichtigen Güter, viele Landwirtschaftsmaschinen fallen ebenso raus,
wie Industriemaschinen und Tabak sowie Salz. Weiterhin ist die Statistik eine
reine Verschiffungsstatistik, die nur die Herkunft des jeweiligen Schiffes
registriert, nicht aber den ursprünglichen Herkunftsort der Waren. Auch für die
Waren auf dem Landweg wurden Österreich-Ungarn als Durchgangsland viele deutsche
Waren zugerechnet; Trumpener, Germany, S.10; Wiedenfeld, Wirtschaftsbeziehungen,
S.12f.
[54] Wiedenfeld, Wirtschaftsbeziehungen, S.14. Auch Trumpener kommt bei
Verwendung einer Wiedenfeld nicht vorliegenden Statistik von 1913 zu dem
Ergebnis, daß der englische Anteil am türkischen Außenhandel zumindestens weit
über dem deutschen liegt; Trumpener, Germany, S.10.
[55] Gottlieb, Studies, S.21.
[56] Wiedenfeld, Wirtschaftsbeziehungen, S.11f.
[57] Vgl. Baumgart, Erdöl.
[58] Wichtigste Exportgüter der Türkei nach Deutschland waren in dieser
Reihenfolge: Rohtabak, Rosinen, Teppiche, Feigen, Haselnüsse und Opium. In der
Ausfuhr von Deutschland in die Tükei standen Textilprodukte im Vordergrund,
gefolgt von Munition. Material zum Bahnbau macht nur die Hälfte der Ausfuhrwerte
aus. Dazu kommen noch Eisenwaren und petrochemische Erzeugnisse; Wiedenfeld,
Wirtschaftsbeziehungen, S.16.
[59] Auf die zukünftigen Wachtumsmöglichkeiten des Handels geht Wiedenfeld
ausführlich im letzten Teil seiner Broschüre ein.
[60] Lenin, Imperialismus, S.71.
[61] Wiedenfeld, Wirtschaftsbeziehungen, S.17f.
[62] Zum türkischen Staatsbakrott und zur Gründung der Dette siehe Blaisdell,
Financial Control.
[63] Balisdell, Financial controll, S.1-8.
[64] Council of Administration.
[65] Die Schuld verteilte sich 1881 wie folgt: Frankreich 40,0%, England 29,0%,
Türkei 7,9%, Holland 7,6%, Belgien 7,0 % Deutschland 4,7%, Italien 2,6%,
Österreich-Ungarn 1,0%; Schölch, Durchdringung, S.440. Leicht abweichende Zahlen
finden sich bei Wiedenfeld, Wirtschaftsbeziehungen, S.18. Da Schölch mehr
Vergleichswerte und die neueren Zahlen aus der Forschung benutzt, sollen sie in
der weiteren Arbeit herangezogen werden.
[66] Durch einen Vertreter der durch Frankreich geführten Banque Ottomane gab es
indirekt sogar einen weiteren französischen Vertreter. Die proportionale
Besetzung der Direktorenstellen blieb auch bei einer Änderung des angelegten
Kapitals bis zum Krieg unverändert; Wiedenfeld, Wirtschaftsbeziehungen, S.18f.
[67] Wiedenfeld spricht sogar von 57 % französischem Anteil; Wiedenfeld,
Wirtschaftsbeziehungen, S.20.
[68] Schölch, Durchdringung, S.440.
[69] Die Tedjhizat Askérié Anleihe, die 1905 in Deutschland getätigt wurde,
verpfändete für ihren Dienst Steuerzuschläge, die dem türkischen
Kriegsministerium zustehen. Der Zusammenhang mit Waffenbestellungen aus
Deutschland ist offensichtlich; Wiedenfeld, Wirtschaftsbeziehungen, S.19.
[70] Ebda. S.19f.
[71] Fischer, Illusionen, S.426.
[72] Bei Wiedenfeld, Wirtschaftbeziehungen, S. 27, wird das Jahr 1900 als
Eröffnungsjahr der Filiale angegeben. Strasser, Banken, S.86, spricht von 1908.
Am zuverläßigsten ist wohl die Angabe 1909 in der offiziellen Chronik der
Deutschen Bank bei Seidenzahl, Deutsche Bank, S.IX.
[73] Zur Palästinabank siehe Strasser, Banken, S.93ff.
[74] Der Kapitalanteil englischer Banken fiel von 60% im Jahre 1887 auf 35%
1910, der französische Anteil von 18% auf 11,5%. Allerdings verrringerten die
Banken ihr Kapital nicht, sondern erhöhten es nur nicht zum gleichen Teil wie
Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien; Strasser, Banken, S.197f.
[75] Wiedenfeld, Wirtschaftsbeziehungen, S.29f. Strasser, Banken, S.92, führt
noch eine Quelle an, die die deutschen Kapitalanlagen in der Türkei auf 1,2
Milliarden Mark schätzt, wovon 650 Millionen Mark auf Staatsrenten entfallen. Zu
den deutschen Banken im Orient siehe auch Grunwald, Pénétration.
[76] Schölch, Durchdringung, S.452f.
[77] Fischer, Illusionen, S.34.
[78] Ebda. S.371.
[79] Gottlieb, Studies, S.22.
[80] Ebda. S.22.
[81] Ebda. S.22; Wiedenfeld, Wirtschaftsbeziehungen, S.29.
[82] Die Deutsch-Levantinische Baumwollgesellschaft hatte 700.000 Mark
investiert, die Anatolische Industrie und Handelsgesellschaft 500.000 Mark;
Wiedenfeld, Wirtschaftsbeziehungen, S.29.
[83] Siehe z.B. die Schriften Lothar Rathmanns. Dieser Einschätzung, die
insbesondere von marxistischen Autoren getroffen wurde, wird auch in der
späteren DDR-Forschung widersprochen; siehe Fesser, Griff, S.153.
[84] Siehe auch Meyer, Relations, S.85.
[85] Schölch, Durchdringung, S.407.
[86] Wiedenfeld, Wirtschaftsbeziehungen, S.77.
[87] Ebda. S.5.
[88] Lenin, Imperialismus, S.11.
[89] Davis, Railway Imperialism, S.2f.
[90] Siehe ebda. S.1ff. Ronald E. Robinson geht in der Einleitung auf die
Funktionsweise des "Eisenbahn-Imperialismus" ein, den er als Schrittmacher für
den Aufbau informeller Herrschaftsgebiete versteht. Die anderen Kapitel des
Buches verdeutlichen dieses Konzept am Beispiel britischer und amerikanischer
Halbkolonien in Afrika, Asien, Kanada und Lateinamerika. Die Bagdadbahn und der
Nahe Osten werden nicht untersucht, Parallelen sind aber deutlich.
[91] Lenin, Imperialismus, S.11f.
[92] Vgl. Earle, Turkey, S.120ff.
[93] Helfferich, Siemens 3, S.22f.
[94] Kochwasser, Deutsche Reich, S.294f.
[95] Rathmann, Volldampf, S.95.
[96] Kochwasser, Deutsche Reich, S.296; Langer, Diplomacy, S.93.
[97] Helfferich, Siemens 3, S.23f.
[98] Ebda. S.29.
[99] Ebda. S.33.
[100] Seidenzahl, Deutsche Bank, S.63ff und S.141ff. Bezeichnend ist die
Kapitelüberschrift "Unerwünschte Bagdadbahn", S.141.
[101] Zumindestens im Kapitel über die Bagdadbahn drückt Seidenzahl dies
deutlich aus.
[102] Helfferich, Siemens 3, S.15.
In der Memoirenliteratur werden wahlweise auch Wilhelm II., Fürst Bülow oder
Freiherr von Marschall als Väter der Bagdadbahnidee genannt. Bülow nennt einmal
sich, dann wieder Siemens als Urheber; Seidenzahl, Deutsche Bank, S.144.
[103] Helfferich, Siemens 3, S.15.
[104] Hüber, Bagdadbahn, S.51. Die Klassifizierung Hübers als
Nationalsozialisten ergibt sich aus mehreren offen antisemitischen Textpassagen
und diversen von ihm zur Unterlegung seiner Thesen gebrauchten Hitlerzitaten.
Hüber verwendet den unwissenschaftlichen und antisemitischen Ausdruck des
"anglo-jüdischen Kapitals"; z.B. S.64. Diese Arbeit kann letztlich nur als
Quelle für die versuchte Verfälschung der deutschen Nahostpolitik durch die
Nationalsozialisten dienen, nicht aber als seriöse wissenschaftliche
Untersuchung.
[105] Rohrbach, Bagdad, S.60f.
[106] Siehe hierzu Baumgart/Benneckenstein, Erdöl; Kent, Oil; Longrigg, Oil;
Kumar, Britain, S.69ff.
[107] Siehe hierzu Fisher, Oil Imperialism; Sanke, Erdölwirtschaft; Zischka,
Ölkrieg.
Die Umstellung der kaiserlichen Marine auf Ölfeuerung kurz vor Ausbruch des
ersten Weltkrieges sollte den mesopotamischen Ölfeldern besondere Bedeutung
geben; Baumgart/Benneckenstein, Erdöl, S.58.
[108] Helfferich, Siemens 3, S.34f. Vgl. den ersten, von Bismarck geänderten
Entwurf bei Holborn, Deutschland, S.91.
[109] Helfferich, Siemens 3, S.35.
[110] Vgl. Holborn, Deutschland, S.92 Anmerkung.
[111] Rathmann, Volldampf, S.96f.
[112] In dem am 4.Oktober unterzeichneten Vertrag wurde das bereits vorhandene
Schienenstück von Haidar-Pascha nach Ismid gegen Zahlung von 6 Millionen Franken
an die Gruppe der Deutschen Bank verkauft. Für die 485 km lange Strecke von
Ismid über Eskischehir nach Angora wurde die Konzessionsdauer vorerst auf 99
Jahre bemessen; Helfferich, Siemens Bd.3, S.38.
[113] Helfferich, Siemens 3, S.35.
[114] Ebda. S.43ff.
[115] Ebda. S.49.
[116] Ebda. S.48ff. Die Bank für Orientalische Eisenbahnen verwaltete die Aktien
der Orientalischen Eisenbahnen, einen Großteil der Aktien der mazedonischen
Salonik-Monastir-Bahn und einen Teil der Aktien der Anatolischen
Eisenbahngesellschaft.
[117] In der asiatischen Türkei hatten 1898 britsche Bahnen eine Länge von 440
km, französische von 1266 km und deutsche von 1020 km. Die französischen Bahnen
in Syrien waren noch nicht fertiggestellt; Earle, Turkey, S.53.
[118] Ebda. S.35.
[119] Mühlmann, Bahnunternehmungen, S.373.
[120] Wolf, Diplomacy, S.30.
[121] Mühlmann, Bahnunternehmungen, S.123.
[122] Ebda. S.123.
[123] Seidenzahl, Deutsche Bank, S.141ff.
[124] Helfferich, Siemens 3, S.83; Wolf, Diplomacy, S.19ff.
[125] Helfferich weist zwar auf das große Vertrauen des Sultans zu Deutschland
hin, erwähnt allerdings auch die "für die deutschen Interessen nicht
unbedenklichen konkurrierenden Eisenbahnprojekte" der anderen Mächte; ebda.
S.84f und S. 87.
[126] Siehe zur Rolle Marschalls Lindow, Marschall und Rathmann, Volldampf,
107ff.
[127] Helfferich, Siemens 3, S.61.
[128] Ebda. S.85.
[129] Rathmann, Volldampf, S.143.
[130] Helfferich, Siemens 3, S.86.
[131] Erst durch starkes Drängen des Auswärtigen Amtes konnte die Preußische
Seehandlung als Zeichnungsstelle für türkische Staatsanleihen ab 1904 gewonnen
werden; Schöllgen, Imperialismus, S.143.
[132] Bülow an Wilhelm II., 30.Sept. 1898, GP 14,2, Nr.3977, S.468f.
[133] Helfferich, Siemens 3, S.90.
[134] Siehe die belanglosen Bemerkungen Siemens; ebda. S.89.
[135] So nannte der Diplomat Rosen die Zusicherung des Sultans auf eine baldige
Konzessionserteilung ein Gastgeschenk an den Kaiser; Lodemann, Bagdadbahn,
S.43.
[136] Helfferich, Siemens 3, S.93.
[137] Bülow an Wilhelm II., 17.März 1899, GP 14,2, Nr.3980.
[138] Helfferich, Siemens 3, S.98-105.
[139] Wolf, Diplomatic History, S.35ff; Vgl. Rathmann, Volldampf, S.56 und
Anmerkung.
[140] Seidenzahl, Deutsche Bank, S.159.
[141] Helfferich, Siemens 3, S.90.
[142] Ebda. S.97.
[143] Ebda. S.119-125.
[144] Die Euphrates and Tigris Navigation Comp. (Lynch Brothers) übte ein
faktisches Handelsmonopol zwischen Bagdad und Basra aus; Rathmann, Volldampf,
S.159 Anmerkung.
[145] Rathmann, Volldampf, S.158.
[146] Wangenheim an AA, 13.April 1903, GP 17, Nr. 5260, S.439f.
[147] Seidenzahl, Deutsche Bank, S.158f.
[148] Rathmann, Volldampf, S.162.
[149] Seidenzahl, Deutsche Bank, S.161.
[150] 1903 wurde die Notierung der Bagdadbahnaktien an der französischen Börse
verboten; Rathmann, Volldampf, S.164.
[151] Marschall an AA, 17. Januar 1902, GP 17, Nr.5240-5242. Marschall an Bülow,
2. Feb. 1902, GP 17, Nr. 5247.
[152] Seidenzahl, Deutsche Bank, S.156f; Die Unterzeichnung erfolgte am
21.1.1902; Helfferich, Siemens, S.135.
[153] Bode, Kampf, S.6.
[154] Ebda. S.121.
[155] Siehe hierzu Schöllgen, Imperialismus. Vgl. Kennedy, Rise.
[156] Rathmann, Volldampf, S.158f; Zur englisch-deutschen Handelrivalität siehe
Kumar, Britain, S.103-128.
[157] Bode, Kampf, S.12.
[158] Helfferich, Siemens 3, S.125.
[159] Ebda. S.107.
[160] Ebda. S.98.
[161] Grey an Lowther, 4.April 1910, BD VI, Nr.340.
[162] Jastrow, War, S.100.
[163] Der spätere Vizekönig von Indien, Lord Curcon, hatte in seinem Buch
"Persia and the Persian Question" 1892 den Persischen Golf zur "Indischen
Themse" erklärt und jede Verletzung des englischen Anspruches als Kriegsgrund
bezeichnet. Dies wurde offizielle britische Doktrin. Siehe hierzu Schöllgen,
Imperialismus, S.152ff.
[164] Helfferich, Siemens, S. 110 ff; Kochwasser, Deutsche Reich, S.330 f;
Kochwasser, Kuwait, S.59 ff; ausführlich bei Kumar, Britain, S.38ff.
[165] Kochwasser, Deutsche Reich, S.331.
[166] Helfferich, Siemens 3, S. 112.
[167] Bode, Kampf, S.13.
[168] Ebda. S.13.
[169] Bülow an Metternich, 9.Feb.1907, GP 25,1I, Nr.8655.
[170] Helfferich, Siemens 3, S.143.
[171] Ebda. S.114.
[172] Vgl. Bode, Kampf, Kap.II., Die Bagdadbahn im System der englischen
Ententepolitik, S.14ff1.
[173] Kochwasser, Deutsche Reich, S.332f.
[174] Sievers, Einfluß, S.50ff.
[175] Mejcher, Bagdadbahn, S.476.
[176] Siehe hierzu Kap.7. dieser Arbeit.
[177] Vgl. dagegen Bode, Kampf, S.114.
[178] Helfferich, Siemens 3, S.146f; Sievers, Einfluß, S.120.
[179] Bode, Kampf, S.104ff; Sievers, Einfluß, S.51.
[180] Baumgart, Erdöl, S.58.
[181] Seidenzahl, Deutsche Bank, S.224ff.
[182] Mejcher, Bagdadbahn, S.477.
[183] Woods, Cradle, S.271, zit. nach Earle, Turkey, S.299f.
[184] Helfferich, Siemens 3, S.149.
[185] Sievers, Einfluß, S.44ff ,S. 131ff und S.166; Kumar, Britain, S.130ff.
[186] Sievers, Einfluß, S.166.
[187] Ebda. S.35ff.
[188] Ein weiterer Forschungsbericht im Auftrag der Deutschen Bank von ca. 1912
bestätigt diese These; ebda. S.46.
[189] Mejcher, Bagdadbahn, S.475.
[190] Zu den Thesen Mejchers vgl. Sievers, Einfluß, S.128ff.
[191] Siehe ebda. S.168.
[192] Wallach, Anatomie, S.15f.
[193] Zur Moltke-Mission siehe Moltke, Briefe.
[194] Mühlmann, Deutschland, S.1. Carl Mühlmann wurde im Dezember 1913 Adjutant
des Leiters der Militärmission, General Liman von Sanders.
[195] Mühlmann, Deutschland, S.VIII.
[196] Rathmann, Berlin, S.51.
[197] Liman, Türkei.
[198] Trotz der offensichtlichen Erfolglosigkeit des Engagements Moltkes wurde
dessen Rolle verklärt; Wallach, Anatomie, S.29.
[199] Wallach, Anatomie, S.34.
[200] Rathmann, Berlin, S.14f; Wallach, Anatomie, S.34.
[201] Rathmann, Berlin, S.15.
[202] Holborn, Deutschland, S.11f.
[203] Ebda. S.12.
[204] Ebda. S.32.
[205] Vgl. Wallach, Bismarck.
[206] Schulte, Kriegsausbruch, S.41.
[207] Ebda. S.41.
[208] Rathmann, Berlin, S.15.
[209] Trumpener, German Officers, S.30ff; Wallach, Anatomie, S.34ff.
[210] Wallach, Anatomie, S.48f.
[211] Ebda. S.44.
[212] Ebda. S.48.
[213] Ebda. S.77.
[214] Ebda. S.79.
[215] Ebda. S.84.
[216] Rathmann, Berlin, S.16; Wallach, Anatomie, S.60f.
[217] Die Machtübenahme durch das jungtürkische Komitee war eine bürgerliche
Revolution. Anfangs unter liberalen Vorzeichen an die Macht gekommen, griff die
neue Führung schnell zu diktatorischen Mitteln. "Instead of having one Abdul
Hamid, Turkey now discovered that she had several" erkannte der englische
Botschafter Morgenthau; Morgenthau, Bosporus, S.9.
[218] Marschall an Bülow, 4.Sept.1908, GP 25,2, Nr.8911, S.426.
[219] Schlußbemerkung Wilhelms II. zu einem Schreiben Metternichs an Bülow,
14.Aug.1908, GP 25,2, Nr.8906, S.608.
[220] Wallach, Anatomie, S.94f.
[221] Anmerkung Bülows zu einer Aufzeichnung Stemrichs, 17.Mai 1909, GP 27, 1,
Nr. 9799, S.278.
[222] Der Verlauf der Liman-Mission, die genaue Geschichte der diplomatischen
Krise mit den europäischen Großmächten und die Details der geplanten
Reorganistion der türkischen Armee sind umfassend dargestellt bei Herzfeld,
Liman-Krise; Kerner, Mission; Mühlmann, Deutschland. Siehe auch GP 38, Kap.CCXC:
Die Liman Sanders-Affäre Januar 1913 bis Juni 1914, S.191ff.
[223] Mühlmann, Deutschland, S.4.
[224] Wangenheim an Bethmann Hollweg, 26.April 1913, GP 38, Nr.15439, S.200f.
[225] Schulte, Kriegsausbruch, S.114.
[226] Mühlmann, Deutschland, S.5.
[227] Luxemburg, Krise, S.71.
[228] Kampen, Studien, S.42ff.
[229] Herzfeld, Liman-Mission, S.841.
[230].........
......
Mit freundlicher Genehmigung des Verfassers
Dr. Nikolaus Brauns
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